BeiratAktuell-52

1955). Hieraus folgt zugleich alsAbwehr- recht, in negativer Hinsicht von nicht autorisierten Foto- oder Filmaufnahmen oder sonstigenAufzeichnungen der eige- nen Person verschont zu bleiben. Insofern steht denWohnungseigentümern und ihren Angehörigen, aber auch jedem Dritten, also auch Mietern und anderen Personen, die nicht Mitglied der Woh- nungseigentümergemeinschaft sind (z.B. Hausmeistern, Handwerkern, Besuchern, etc.), das grundrechtlich geschützte Recht zu, nicht von einer Videoüberwachungs- anlage gegen ihrenWillen aufgenommen zu werden. Der Betrieb einer Videoüber- wachungsanlage stellt somit zunächst einen grundsätzlich unerlaubten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, sofern die Überwachung nicht mit dem ausdrücklich erklärten Einverständ- nis sämtlicher potentiell Betroffenen erfolgt. Bei der Videoüberwachung allgemein zugänglicher Bereiche eines Gebäudes, wie hier einer Tiefgaragenanlage, die ih- rer Nutzungsart nach einer Vielzahl un- terschiedlicher Personen offensteht, wird es praktisch nicht gelingen, deren aus- drückliches, gar schriftlich dokumentier- tes Einverständnis zu erhalten. b) Dabei sind allerdings die ebenso grund- rechtlich geschützten Belange der Woh- nungseigentümer zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn konkrete erheb- liche rechtswidrige Angriffe auf deren Sonder- und Gemeinschaftseigentum abzuwehren sind. So ergibt sich aus Art, 1, 2 u. 14 GG i.V.m. §§ 823 Abs. 1 u. 2, 1004 BGB, dass insbesondere auch der Schutz des (Privat-)Eigentums verfas- sungsrechtlichen Rang genießt. Somit kann grundsätzlich von einem schutzwürdigen Interesse der Wohnungs- eigentümergemeinschaft an der Verhin- derung von Beeinträchtigungen des Son- der- und Gemeinschaftseigentums aus- gegangen werden, da durch die geschil- derten Einbruchdiebstähle und Sachbe- schädigungen nicht ein nur vernachläs- sigbarer Schaden angerichtet wurde. c) Ersichtlich kollidieren im vorliegenden Fall somit zwei Grundrechte im Verfas- sungsrang, zum einen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art 1, 2 GG

und zum anderen das Eigentumsschutz- recht aus Art. 14 GG.

Ansehung der überlassenen Schlüssel eine besondere Sorgfalts- und Obhuts- pflicht trifft (vgl.: BGH, Urt. v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, ZMR 2014, 626). So- weit im vorliegenden Fall Anlass zur Annahme besteht, dass die Einbruchdieb- stähle durch das Abhandenkommen von Schlüsseln bzw. durch deren missbräuch- lichen Verwendung begünstigt wurden, kann zunächst u.a. zu erwägen sein, aus Sicherheitsgründen die Schließzylinder der Zugänge zur Tiefgaragenanlage aus- zuwechseln (vgl.: BGH, Urt. v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, ZMR 2014, 554; LG Berlin, Urt. v. 2.5.2000 – 64 S 551/99, ZMR 2000, 535). Dabei ist jedoch auch zu beachten, dass im Falle einer etwa vorhandenen zentra- len Schließanlage hierdurch nicht uner- hebliche Kosten entstehen, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erziel- baren Erfolg stehen können, sofern ein Eindringen Unbefugter auf anderemWege nicht ausgeschlossen werden kann oder die Verursacher der Eigentumsstörungen im Kreise der Bewohner oder sonstigen Nutzer der Anlage zu vermuten sind. bb) Ferner ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung, sofern die o.g. vorrangig zu ergreifenden sonstigen Vorsorge- und Schutzmaßnahmen ohne Erfolg bleiben, zu erwägen, ob nicht durch die Installa- tion der Attrappe einer Videokamera oder gleichwertigeAbschreckungsmaßnahmen der verfolgte Zweck ebenso erreicht wer- den kann (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285). Zu beachten ist dabei jedoch, dass hier vertretener Auffassung nach auch die Installation einer Attrappe einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, also ebenfalls nicht ohne wei- teres zulässig ist. Zwar wird das allgemeine Persönlich- keitsrecht der möglicherweise Betroffenen im Falle des Vorliegens einer bloß hypo- thetischen Möglichkeit einer Überwa- chung nicht unmittelbar beeinträchtigt (vgl.; BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 265/10, NZM 2012, 239; BGH, Urt. v. 16.3.2010 - VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533), ein Eingriff in das allgemeine Per- sönlichkeitsrecht liegt aber nicht erst dann vor, wenn tatsächlich eine Videoüberwa- chung erfolgt, sondern schon dann, wenn aufgrund konkreter Umstände der Ein-

Stehen sich mehrere einander widerspre- chende Grundrechte gegenüber, so ist eine sog. Rechtsgüterabwägung vor- zunehmen. Das heißt, das eine rechtliche Entscheidung darüber zu treffen ist, welchem der angesprochenen grundsätz- lich gleichrangigen Grundrechte aufgrund überwiegender Schutzwürdigkeit im konkreten Einzelfall der Vorrang einzu- räumen ist. Dabei ist allem der Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit zu beachten. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann das Interesse des Grundstückseigentümers am Schutz seiner Rechte die schutzwür- digen Belange der von einer Videoüber- wachung Betroffenen nur dann überwie- gen, wenn eine Videoüberwachung des Grundstücks bzw. des Gebäudes zu Ab- wehr von konkret zu befürchtenden wei- teren Straftaten gegen das Gemeinschafts- eigentum bzw. dessen Bewohner ihrer Art und ihrem Umfang nach zwingend not- wendig ist. d) Zwingend notwendig ist eine Videoüber- wachung dem Grunde nach nur dann, wenn diese als letztes Mittel der Woh- nungseigentümer anzusehen ist, ihr Eigentum zu schützen. Dies bedeutet, dass die betroffenenWohnungseigentümer zu- vor erfolglos versucht haben müssen, durch andere Maßnahmen, insbesondere solche mit einer geringeren Eingriffsintensität, ihr Eigentum zu schützen, bevor gegebe- nenfalls durch eineVideoüberwachung in Grundrechte eingegriffen wird. Denkbar sind hierzu z.B. Schutzmaßnahmen durch verstärkte Kontrollen des betroffenen Be- reichs durch den Hausmeister oder ein Bewachungsunternehmen sowie andere Vorsorge- oder Schutzmaßnahmen, wie etwa die Sorge dafür, dass die Zugänge zu den betroffenen Bereichen geschlossen gehalten werden sowie das Installieren oder Auswechseln von Schlössern. aa) Bei der Tiefgarage einer Wohnungseigen- tumsanlage, die mit grundsätzlich ge- schlossenen Tor- sowie Türanlagen ver- sehen sein dürfte, handelt es sich um einen grundsätzlich nicht öffentlich zu- gänglichen Bereich, der augenscheinlich nur Personen offensteht, denen ein Schlüs- sel ausgehändigt wurde und welchen in

8

BEIRAT AKTUELL 52/III-19

Made with FlippingBook HTML5