BeiratAktuell-52

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Sprachforscher Was ist die Unterhaltung des Gemeinschaftseigentums?

Viele Gemeinschaftsordnungen enthalten spezielle Regelungen darüber, dass ein- zelnen Eigentümern oder Gruppen von Eigentümern in Abweichung von dem gesetzlichen Grundsatz, wonach das Ge- meinschaftseigentum durch sämtliche Eigentümer und auf Gemeinschaftskosten instand zu halten und instand zu setzen ist, die Verpflichtung übertragen wird, hierfür selbst zu sorgen oder die hierfür entstehenden Kosten alleine zu tragen. Oftmals sind solche Regelungen jedoch unklar bzw. ungenau formuliert. Der Bun- desgerichtshof hat nun zu einer solchen immer wiederkehrenden Auslegungsfra- ge ein Grundsatzentscheidung gefällt (vgl.: BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 145/18). 1. Der Fall DieWohnungseigentumsanlageW ist mit einer Tiefgaragenanlage ausgestattet, wo- bei die jeweiligen PKW-Stellplätze als sog. Doppelstockparker ausgeführt sind, an denen Sondernutzungsrechte zugunsten einzelner Eigentümer begründet sind. Die Gemeinschaftsordnung regelt, dass sämt- liche Kosten, die die Tiefgarage betreffen, von den Sondernutzungsberechtigten der Tiefgaragenstellplätze zu tragen sind. Weiter ist geregelt, dass die Unterhaltung der Doppelparker selbst, nur dem einzel- nen Sondernutzungsberechtigten selbst und auf eigene Kosten obliegen soll. Die im Sondernutzungsrecht des Eigentümers

E stehende Doppelparkeranlage muss repariert werden. Die übrigen Eigentümer meinen, dies sei Sache des E und verwei- gern eine Instandsetzung und Kostentra- gung durch sämtliche Tiefgarageneigen- tümer. 2. Das Problem Bezogen auf den vorliegenden Fall ver- wendet das Wohnungseigentumsgesetz nur die Begriffe der Instandhaltung und der Instandsetzung, deren Bedeutung im Wesentlichen geklärt ist. Mit Instandhal- tung meint dasWEG als diejenigen Maß- nahmen, die der Aufrechterhaltung eines gebrauchs- und funktionstüchtigen Zu- stands geschuldet sind (Wartung, Pflege, Anstrich, etc.). Mit Instandsetzung wird die Behebung eines trotz aller Pflegemaß- nahmen eintretenden Schadens beschrie- ben. Fraglich ist nun, ob der vom beur- kundenden Notar verwendete Begriff der „Unterhaltung“ nur die Instandhaltung meint (in diesem Falle wären alle Stell- platzeigentümer zur Kostentragung her- anzuziehen) oder ob auch der Begriff der Instandsetzung mitenthalten sein soll (in diesem Falle wäre die Reparaturmaßnah- me eine eigene Angelegenheit des E). 3. Die Entscheidung des BGH Der BGH entscheidet, dass der Begriff der „Unterhaltung“ im vorliegenden Zu- sammenhang grundsätzlich dahingehend

auszulegen ist, dass sowohl die Instand- haltung als auch die Instandsetzung hier- mit gemeint sind. Dies begründet der BGH damit, dass dann, wenn an räumlich und technisch abgrenzbaren Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen des gemein- schaftlichen Eigentums Sondernutzungs- rechte begründet und dem jeweils Begün- stigten die Sorge hierfür nebst der Pflicht zur Kostentragung zugeordnet wird, sich aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung der Grundsatz ergibt, dass der Begünsti- ge möglichst umfassend verpflichtet wer- den soll. 4. Auswirkungen für die Praxis Da die bisherige Rechtsprechung in solchen Fällen uneinheitlich war, dürfte es nun geboten sein, die vorliegenden Gemeinschaftsordnungen in vergleich- baren Fällen einer Neubewertung zu un- terziehen.

3

BEIRAT AKTUELL 52/III-19

Made with FlippingBook HTML5