Blickpunkt Schule 1 2025

Die neue hessische Initiative zur Wertevermittlung in Schulen

Titelthema

»W ir müssen an unseren Schulen konsequent für demokratische Werte und respektvollen Umgang untereinander eintreten.« Dies sagte der Minister für Kul tus, Bildung und Chancen, Armin Schwarz, auf der Frank furter Buchmesse im Oktober 2024. Einen Monat zuvor startete die Initiative zur Wertevermittlung an hessischen Schulen. Zunächst wird ab dem laufenden Schuljahr in den Intensivklassen verstärkt auf Umgangsformen und die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ein gegangen, um die Eingliederung in unsere Gesellschaft möglichst rasch zu erleichtern. Rückmeldungen aus den Schulen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler, die neu in unserem Land sind und als Grundvoraussetzung für ihre weitere Ausbildung die deutsche Sprache lernen müssen, die Initiative ausdrücklich begrüßen. Ab dem Schuljahr 2025/2026 wird die Initiative verpflichtend auf alle hessi schen Schülerinnen und Schüler ausgeweitet werden. Dabei gilt es zu betonen, dass diese Initiative auf einem festen Bestand aufbaut. Die hessischen Lehrerinnen und Lehrer achten seit jeher auf einen angemessenen und wertschätzenden Umgang, auf eine friedliche Konfliktlö sung, auf Teamwork, auf Toleranz und viele andere Aspekte eines demokratischen und die Menschenwürde achtenden Umgangs. Sie vermitteln demokratische Grundprinzipien und leben diese Werte auch vor. Dennoch lässt sich – nicht nur an Schule – feststellen, dass heutzutage oftmals der nötige Respekt im Umgang miteinander fehlt. Ein wert schätzender Umgang wird nicht von allen in allen Situatio nen gelebt, abweichende Meinungen werden zunehmend nicht akzeptiert, Konflikte werden auch gewaltsam ‘ge löst’, Mobbing findet statt – nicht zuletzt über die sozialen Medien. Darüber hinaus ist in Teilen unserer Gesellschaft eine Erosion der demokratischen Werte beobachtbar: Extremistische Haltungen wie Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Demokratiefeindlichkeit und Isla mismus, die Ablehnung faktenbasierter Nachrichten der dann als solche verunglimpften ‘Mainstream-Medien’ oder die Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grund- sätzen der Achtung und Toleranz, der Gerechtigkeit und der Solidarität zu gestalten, […] zum friedlichen Zusam menleben verschiedener Kulturen beizutragen sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen einzutreten […].« Hessisches Schulgesetz § 2 (2) § »Die Schulen sollen die Schülerinnen und Schüler befähigen, in Anerkennung der Wert ordnung des Grundgesetzes und der Verfas sung des Landes Hessen […] die Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu lassen […],

gleich die Ablehnung unseres Staates insgesamt (Stich wort ‘Reichsbürger’) mehren sich zusehends. Daran zeigt sich, dass die hessische Initiative zur Werte vermittlung einen wichtigen Nerv trifft und auf die Zeichen der Zeit reagiert. Man muss sich an den Schulen verstärkt mit Werten auseinandersetzen, um unsere Gesellschaft, un sere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stützen. Dabei gilt es, sich die Worte des amerikanischen Philoso phen und Pädagogen John Dewey vor Augen zu führen: »We don’t learn from experience, we learn from reflecting on ex perience.« Wir lernen nicht zwangsläufig aus der Erfahrung, sondern erst, wenn wir gemachte Erfahrungen reflektieren und die Sinnhaftigkeit und Relevanz auch von Werten sicht bar machen. Dies fängt bei einem »Danke«, »Bitte« oder ei ner situativ angemessen vorgetragenen Entschuldigung an und setzt sich dann in der respektvollen Diskussion über Sach- und Streitthemen fort. Das sind unerlässliche Kom petenzen für eine erfolgreiche Schul- und Berufslaufbahn sowie wesentliche Voraussetzungen für ein engagiertes Mit wirken in unserer demokratischen Gesellschaft. Abgesehen von Arbeits-, Sozial- und Umgangsformen werden Werte vor allem natürlich ‘inhaltlich’ im Unterricht vermittelt. Dabei betrifft dies aber nicht nur ‘Ankerfächer’ wie Politik und Wirtschaft oder Ethik, nicht nur weiterfüh rende Schulen, nicht nur Gymnasien. Dies findet in allen Fä chern aller Jahrgänge und Schulformen schon immer statt. Doch gilt es nun noch einmal deutlicher ein Bewusstsein für Werte und Verhaltensweisen im Zusammenleben von Men schen zu schaffen, indem hierüber auch reflektiert wird. So werden beispielsweise anhand des Literaturunter richts essenzielle Konflikte und Grundfragen des menschli chen Lebens verhandelt. Hier lernen die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Figuren kennen. Die kritische Auseinandersetzung mit ihren Werten unterstützt die Be wusstwerdung eigener Wertvorstellungen. In Sport geht es nicht zuletzt um Hilfestellung, Zusammenarbeit (Team- fähigkeit) und Fairness, während beispielsweise in Biologie das Verhältnis von Mensch und Natur untersucht und als solches diskutiert wird, was zu individuellem Selbstver ständnis und selbstständigem Handeln auch zur Bewah rung unserer natürlichen Ressourcen führt. Nach dem Beutelsbacher Konsens muss alles, was ge sellschaftlich umstritten ist, im Unterricht zur Diskussion gestellt und dem Urteil der einzelnen Schülerinnen und Schüler überlassen werden, ohne dass die Lehrkraft sie ‘überwältigt’. Gerade dass Schülerinnen und Schüler auf gefordert sind, sich ein eigenes Urteil bilden zu müssen, unterscheidet Schule in einer pluralistischen, freiheitlich demokratischen Gesellschaft von Schule unter einem au toritären Regime. Dies ist der Unterschied von politischer

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SCHULE

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