GOLF TIME 5/2018

COVER | MARTIN KAYMER

BMW INTERNATIONAL OPEN 2018 Der geschlagene Hometown Hero wird von den Fans gefeiert

artin Kaymers Auftritt bei der BMW International Open 2018 in Pulheim bei Köln, sowie auch seine gesamte Golfkarriere, kann man mit

zwei Begriffen zusammenfassen: „Licht und Schatten“. Als Führender startete der in Mett- manngeborene zweifacheMajor-Sieger bei sei- nem vielleicht letzten r(h)einrassigen Heim- spiel in den Sonntag (die BMW International Open wird ab 2019 nur noch in München stattfinden). Und obwohl Martins Drives in puncto Streugrad zuweilen weniger an ein Präzisionsgewehr denn an eine Schrotflinte erinnerten, wahrte der Publikumsliebling dank punktgenauer Eisen und einem unge- wöhnlich heißen Putter bis kurz vor Schluss seine Chancen auf den ersehnten Sieg. Ein strategisch perfekt platzierter Abschlag brachte den „Hometown Hero“ am vorletzten Loch des Turniers sogar in aussichtsreiche Position für das dringend benötigte Birdie, um mit dem führenden Matt Wallace aus England gleichziehen zu können. Doch zum Entsetzen der Fans toppte Kaymer sein Spiel- gerät beim Versuch eines Standard-Chips aus 30 Metern wie ein Golfamateur mit Nerven- flattern ins dichte Rough hinter dem Grün. Anstatt weiter Boden gutzumachen, büßte Martin aufgrund dieses „Blackouts zur fal- schen Zeit“ einen Zähler und somit all seine Siegchancen ein. Die von den Zuschauern mit schwarz-rot- goldenen Fahnen dekorierte Tribüne feierte ihren sichtlich demoralisierten Helden trotz des kostspieligen Aussetzers. Kaymer be- dankte sich bei seinem Publikum mit einem Birdie auf der schweren Abschlussbahn, das ein Play-off oder sogar den Sieg vor hei- mischer Kulisse hätte bedeuten können. So jedoch schmeckte dieser hochklassige Putt zum geteilten zweiten Platz vornehmlich nach bittersüßer Niederlage. Dabei erkämpfte sich Kaymer im Rheinland immerhin seine beste Platzierung seit der Italian Open – jedoch der im Jahre 2015. Einst gab es sehr viel mehr Licht in Martin Kaymers Golfkarriere. Zwischen 2008 und 2011 eilte er scheinbar mühelos von Sieg zu Sieg und erklomm mit sagenhafter Unbe- kümmertheit den Thron der Weltrangliste. Heute wirkt es jedoch so, als trüge Kaymer anstelle von Leichtigkeit einen tonnenschwe- ren Mühlstein um seinen Hals. Aber wie sieht

Wie die Schaffensperioden eines Künstlers könnte man auch Martin Kaymers Karriere in verschiedene Perioden unterteilen. Eine extrem erfolgreiche Zeit voller Sturm und Drang wurde 2011 von einem Zeitabschnitt abgelöst, in dem sich der Golfer neu zu er- finden versuchte. Als die Siegesserie abrupt abriss, wurde spekuliert, Kaymer habe als amtierende Nummer eins der Welt eine fatale Schwungveränderung vorgenommen und sei nun nicht mehr in der Lage, erfolgreiches Golf zu spielen. Und Augusta sei an allem schuld. „Bei meinem ersten Masters 2008 benö- tigte ich vier Pars auf den Schlussbahnen, um den Cut zu schaffen. Aber ich wurde zu gierig und griff das Grün der 15 (Par 5) an, verfehlte es jedoch auf der falschen Seite. Ich kassierte ein Double-Bogey und obwohl mir auf Loch 18 das Birdie gelang, verpasste ich das Wochenende um einen Schlag. Ich war tief enttäuscht, denn ich hatte mir viel Mühe gegeben, den Cut zu schaffen. Aber mir fehlte noch die Erfahrung. In den ersten Jahren hatte ich einfach zuviel Respekt vor dem Platz, was mich von meinem natürlichen Spiel abgelenkt hat. Man kann über Augusta sagen, was man will und argumentieren, dass Jack Nicklaus dort so oft mit einem Fade gewonnen hat. Damals war es jedoch noch ein ganz anderer

Martin Kaymer selbst seinen aktuellen Bezie- hungsstatus mit dem Golfsport? „Wir kommen eigentlich ganz gut mitein- ander aus. Nur finde ich, dass ich Golf mehr Liebe schenke, als mir erwidert wird. Ich trainiere und übe mit enorm hohem Auf- wand. Doch dieses Spiel lässt dich erst einmal leiden, bevor es anfängt, dir etwas zurück- zugeben. Trotzdem habe ich einige wirklich große Erfolge gefeiert. Für mich geht es des- halb in Ordnung, dass ich nun auch durch diese Phase gehen muss. Alles in allem würde ich meine Beziehung zum Golfsport als hoch- interessant bezeichnen.“ „ICH FINDE, DASS ICH GOLF MEHR LIEBE SCHENKE, ALS MIR ERWIDERT WIRD. ABER ALLES IN ALLEM WÜRDE ICH MEINE BEZIE- HUNG ZUM GOLFSPORT ALS HOCHINTERESSANT BEZEICHNEN“

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