GOLF TIME 5/2018

Die GOLF TIME Ausgabe 5/2018 als E-Paper, Erscheinungstermin 25.07.2018.

TRAINING 15 SEITEN TIPPS UND TRICKS

21. JHG. | AUSGABE 5 | AUGUST 2018 € 6,00 | CHF 7,50 | US $ 8,00

5-2018

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MARCEL SIEM UND WAS DIE ZUKUNFT BRINGEN SOLL INTER VIEW PORSCHE EUROPEAN OPEN & BMW INTERNATIONAL OPEN DOPPEL SCHLAG

LIFESTYLE DAS MILLIARDEN- PROJEKT ANDERMATT AMATEURE GELUNGENE TEAM-EM IN BAD SAAROW MAURITIUS TOP-GOLF BEIM SAMSONITE GOLF CLUB TOUR FINALE

ROBOTEST 10 HYBRIDS DIE NEUESTEN MODELLE IM HÄRTETEST

DURCH MENSCH UND MASCHINE

WARUM SICH DIE LIEBESBEZIEHUNG ZWISCHEN DEM RHEINLÄNDER UND SEINEM SPORT IN EINER KOMPLIZIERTEN PHASE BEFINDET KRITISCH KAYMER

FOTO TIME GREG NORMAN TALK TIME OLIVIA COWAN REGEL TIME MICKELSONS BLACKOUT PHYSIO TIME DR. NORBERT DEHOUST

Vernunft hat noch niemanden verführt. Der neue CLS. Die erste Begegnung und alles ist anders. Der Atem stockt. Das Auge gleitet, kann sich nicht sattsehen. Der Blick ist gefesselt. Von der sinnlichen Klarheit, vom ikonenhaften Design. Plötzlich ist er da: der Wille, zu erobern. Das Coupé zelebriert die Kunst der perfekten Linie. Aus jeder Perspektive. Die hohe, überspannte Bordkante. Die extrem niedrigen Seitenfenster. Die muskulöse Statur. Sie werden ihn besitzen wollen.

Erfahren Sie mehr über den neuen CLS unter www.mercedes-benz.de/cls

EDITOR’S INTRO

Was für ein Finale

ERFRISCHEND Ob ich Editorials lese? Eigentlich klar: nein. Sind doch solche Vorwörter nicht Fleisch, nicht Fisch. Auch wenn es als Türöffner für die jeweilige Ausgabe die prominenteste Seite ist. „Das ist doch alles Blabla“, näselt Marie- Luise Kuschke, „das liest doch ohnehin keiner.“ Zugegeben, die selbstbewusste 20-jährige Berlinerin mit Hcp +0,9 mag generell vielleicht so unrecht nicht haben. Nur: GOLF TIME-Editorials hat sie noch keine gelesen, wie sie eingestand. Und zwar beim Finale der Samsonite Golf Club Tour auf Mauritius im Juni. Die 175 cm große Athletin verschaffte sich nicht nur mit kessen Sprüchen Aufmerksamkeit. Das Talent aus dem GC Stolper Heide wusste sich auch sport- lich ins Gespräch zu bringen – als sie gleichsam wie Bambi über die Fairways stolzierte und so nebenbei die Brutto- Wertung der Damen gewann. Sie stellte aber auch noch mit 260 m einen neuen Rekord für den Longest Drive der Damen auf dem Links Course des Constance Belle Mare Plage Resorts auf. Gratulation!

Auch bei den Herren war beim großen Finale auf Mauritius Top-Golf angesagt: Vincent Koppitsch, GC Haus Bey, Hcp +0,4, aus Alpen bei Duisburg, siegte bei den Herren nach zwei Runden mit 76 (!) Brutto-Punkten. Gerade mal 18 und drauf und dran, eine Profi-Karriere anzu- streben, studiert Vincent ab August an der Lamar University in Beaumont bei Houston, USA. Viel Glück! Unabhängig davon steht jetzt schon fest, dass die 30 Sieger der Regional-Finals der Samsonite Golf Club Tour 2019 wieder im Constance Belle Mare Plage Resort eingeladen sind. Und jeder, der Lust und Laune hat, kann in einer eigenen Gäste- wertung mitspielen bzw. eine spannende Woche mit den Siegern erwarten (Buchungen über golftimetours.com) . Den Bericht vom Finale finden Sie ab Seite 52 („Top-Scores im Paradies“). Und Marie, wenn sie im nächsten Jahr auf Mauritius ihren Titel beim großen Finale verteidigt, kann dann berichten, ob sie inzwischen Editorials liest. „Jetzt lese ich jedes Editorial von GOLF TIME, klar…“, meinte sie jedenfalls beim Abschied am Flughafen. Zurück zur Frage, ob ich Editorials lese? Wenn ja, dann jene Editorials, die ich selber verbrochen habe… Ihr

„Sollten Sie sich für das Finale der Samsonite Golf Club Tour auf Mauritius nicht qualifizieren, können Sie trotzdem mit dabei sein. Es gibt eine eigene Gäste- Wertung, und wer will, kann sich mit Top-Amateuren beim Bar- und beim Par-Lauf messen“

OSKAR BRUNNTHALER Chefredakteur

HAPPY Marie-Luise Kuschke bei der Siegerehrung

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IN HALT

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SCHWIERIGE PHASE Seit 2015 ist die ehemalige Nr. 1 der Welt ohne Sieg. Wie denkt Martin Kaymer über seine Zukunft? 20

COVER 20 MARTIN KAYMER: Deutschlands bester Golfer über seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Profigolfgeschäft. TURNIERE 28 BMW INTERNATIONAL OPEN: Was für ein Spektakel. Max Kieffer und Martin Kaymer verpassten die Chance, den Heimsieg klarzumachen. 32 TEAM EM DER AMATEURE: Tolles Amateur- golf in Bad Saarow mit einem glücklichen Sieger aus dem hohen Norden. 34 PORSCHE EUROPEAN OPEN: Patrick Reed, Bryson DeChambeau und viele andere Super- stars gehen in Green Eagle an den Start.

36 MARCEL SIEM: Im Interview erzählt der

Deutsche von seiner Schwungfindungsphase und den Schwierigkeiten mit einem Mental- trainer.

PRODUKTE 38 ROBOTEST HYBRIDS: Zehn aktuelle Modelle im ultimativen Härtetest durch Mensch und Maschine. 42 NEWS: Die neuesten Errungen- schaften aus dem Equipment- Segment im Überblick.

ROBOTEST HYBRIDS DIE NEUESTEN MODELLE IM HÄRTETEST ab Seite 38

48 AUTO: Der neue Touareg –

Volkswagens neue Prestigekutsche weiß zu begeistern.

CLUBS 51 PUTT LIGA: Die letzten Qualifika- tionsturniere der Caledonia Putters

Deutsche Puttliga by Vice Golf stehen an.

52 SAMSONITE GOLF CLUB TOUR: Die Finalisten der internationalen Turnierserie verbrachten unvergessliche Tage auf Mauritius.

58 AWGC: Die Hälfte der diesjährigen AWGC- Saison ist gespielt. Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.

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VW TOUAREG Die dritte Generation des Edel-SUVs sorgt für viel Furore auf dem Automarkt

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BMW INTERNAT. OPEN Hochspannend, hoch-

TRAVEL 66 ANDERMATT: Ein monumentales Tourismus- Projekt befindet sich in der Umsetzung, das auch Golfer begeistert.

dramatisch. Im BMW Classic Car zur Jubiläumsauflage des Traditionsturniers

70 GOLF TIME TOURS: Entdecken Sie mit

unserem hauseigenen Golfreise-Veranstalter die schönsten Golfdestinationen weltweit.

TRAINING 76 LEADBETTER: Ernie Els ist ein perfektes Anschauungsbeispiel für optimales Timing, meint Ian Holloway. 77 MENTAL: Justin Walsh ist der Ü berzeugung, dass Ihr Gemütszustand keinen Einfluss auf Ihr Golfspiel hat. 78 HEISSE KURVE: Mit dem richtigen Set-up und etwas Physik gelingt die erwünschte Kurve, verrät Jonathan Taylor.

80 ATTACKE: Hier geht es um den richtigen Attack Angle beim Drive.

66 REISE Ob Andermatt, Südafrika oder Madeira – wir stellen Ihnen die schönsten Golfecken der Welt vor

81 GOLF ROUTINES: Einfach und gezielt das Handicap verbessern.

82 GELENKPROBLEME: Dr. Norbert Dehoust sagt, dies ist nicht das Ende des Golfspaßes.

83 LÄNGENKONTROLLE: Wer seine Eisenlängen kennt, ist klar im Vorteil, weiß Michael Hearn.

84 FRUSTBEWÄLTIGUNG: Dr. Christian Haid hilft dabei, den Ärger zu verarbeiten.

86 KAGAMI GOLF: Wie auch Sie die hohe Flug- bahn im kurzen Spiel hinbekommen.

88 EVOSWING: Immer mehr Golfer wie auch Maximilian Kieffer vertrauen der Schwung- idee.

89 DREI FRAGEN: Ex-Tour-Proette Martina Eberl gibt Lebenshilfe für Golfer.

90 POSITIVES DENKEN: Werner Reischl über die Kraft der Gedanken.

STANDARDS 3 Editor‘s Intro / 6 Foto-TIME / 8 Go ask ... Olivia Cowan / 10 Countdown | News / 56 Das Götz-Zitat / 64 Regel-TIME / 91 Börsen-TIME / 92 Society / 93 Cartoon / 96 Impressum / 98 TIME-Out

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FOTO TIME

NACKTERHAI MITHUT UNDHANDSCHUH Weißer Hai auf Mallorca, nackter Hai in der ESPN Body Issue. Das Magazin wird stets mit Spannung erwartet. Der Grund ist so einfach wie plausibel: Nacktbilder. Stets authentisch, ver- steht sich. Einige prominente Golfer und Golferinnen haben sich im Verlauf der neunjährigen Historie des Magazins bereits vor der Kamera ausgezogen. Darunter Sandra Gal, Suzann Pettersen, Belen Mozo, Camilo Villegas oder Gary Player. In der kommenden Ausgabe wird er- neut eine Golflegende posieren: Greg Norman, 63 Jahre alt, ehemaliger Weltranglistenerster und zweimaliger Major-Sieger. „Ich laufe zu Hause auch nackt rum, für mich ist das keine große Sache“, erklärte Norman. GT

Quelle: Twitter

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AQUA Sport 2

Die neue Big Max Aqua Sport 2 kombiniert perfekte Organisation und modernes De- sign in 9 Farboptionen mit ultimativer Wetter Performance. Big Max Aqua Bags haben eine besonders hohe Wassersäule von über 10.000mm, damit selbst ambitionierte Golfer auch an Loch 18 noch Ihre Schäfchen ins Tro- ckene bringen können. Innovative Twin Strap- und Regenschirm Positionen bieten Ihnen die Freiheit das Bag auf IhreWeise zu nutzen. Das neue Drop-Stop System von BIG MAX garantiert 100% wasserdichtes Material, ver- schweißte Nähte und Reißverschlüsse. Spie- len auch Sie mit optimalem Schutz und mo- dernem Style. WASSERDICHT UNTER HÄRTESTEN BEDINGUNGEN!

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COUNTDOWN NEWS LEUTE HIGHLIGHTS

O livia Cowan wurden die Golf- schläger als Tochter eines Golf- lehrers in die Wiege gelegt. Die ehemalige Deutsche Meisterin mischt die Ladies European Tour auf und hat sich nach Caroline Masson und Sandra Gal als deutsche Nummer drei etabliert. Dein Leben steht auf dem Spiel und es gilt, einen schwierigen Downhill-Putt mit Break aus drei Metern zu lochen. Wen wählst du für diese Aufgabe? Jordan Spieth, ein wahnsinnig guter Putter. Da muss ich mir mal was abschauen. Was war dein emotionalster Moment auf dem Platz? Als ich zehn war habe ich mit dem Driver mein erstes (und bisher einziges) Ass geschlagen. Ich habe es erst gar nicht gesehen, aber als die Leute geklatscht haben, war ich sehr stolz. Was war dein emotionalster Moment abseits des Platzes? Da gibt es zu viele, um nur einen auszuwählen. Deine absoluten Top-3-Golfer aller Zeiten? Tiger Woods, sagt wahrscheinlich jeder. Gary Player ist sehr cool und dann noch Lorena Ochoa. Was ist dein Lieblingsschläger im Bag? Definitiv der Driver. Welcher Sieg bedeutet dir am meisten? In meinem letzten Jahr als Amateur habe ich das Portuguese International gewonnen. Da wusste ich, dass ich bereit war für die Profi-Karriere.

Gibt es einen Schlag in deiner Karriere, den du gerne noch mal wiederholen würdest? Zu Beginn der Saison habe ich bei einem Turnier vorne mitgespielt, bin dann auf der 18 super nervös geworden und habe einen Ball links in die Bäume gehauen. Statt Platz zwei dann Fünfte. Bitter. Welche übernatürliche Kraft hättest du gerne? Beamen, dann würde man sich die nervige Fliegerei sparen. Hattest du viel Ärger in der Schule? Ja, schon, etwas frech manchmal. Aber war ja jeder mal. Was ist deine größte Stärke auf dem Platz? Die liegt im mentalen Bereich. Welchen Film hast du zuletzt gesehen? Red Sparrow Was ist das Schönste am Leben als Tour-Spielerin? Freunde auf der ganzen Welt zu haben und mit 21 Jahren schon so viel von der Welt gesehen zu haben. Mit welchen Persönlichkeiten würdest du gerne auf die Runde gehen? Dwayne Johnson, den finde ich ziemlich cool, Kevin Hart, weil er sehr lustig ist, und dann noch eine Frau: vielleicht Jessica Alba. Dein Tipp an die Golf-Time-Leser? Nicht zu viel stressen und weniger nachdenken. Fisch, Fleisch oder Gemüse? Fleisch. Hund oder Katze? Ganz klar: Hund.

GO ASK

OLIVIA INTERVIEW Olivia Cowan, 21, könnte die nächste Deutsche werden, die sich auf der LPGA Tour durchsetzt. Höchste Zeit, mit der sympathischen Proette über Golf und die Welt zu reden.

Welche Niederlage schmerzt am meisten?

Da denkt man doch nicht darüber nach (lacht…)

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DUELL DER GIGANTEN MATCHPLAY Es wäre der Traum jedes Golffans – ein Matchplay zwischen Tiger Woods und Phil Mickelson. Angeblich sollen sich die Verhandlungen über ein Show-Duell, das noch 2018 statt- finden könnte, in der finalen Phase befinden. Dem Gewinner sollen 10 Mio. Dollar winken, der Verlierer bekommt einen war- men Händedruck. Fest scheint wohl zu stehen, dass man in Las Vegas (Shadow Creek) spielen wird und dass beide Spieler Mikro- fone tragen werden. Tiger Woods kommentierte: „10 Mio. Dollar sind eine verrückte Summe. Egal, wieviel Geld man hat, bei die- sem Betrag verlässt jeder seine Komfortzone.“ Bislang gab es 37 gemeinsame Runden, 18-mal war Woods besser, 15-mal Phil, viermal schossen sie den gleichen Score. Aber nur einmal gab es ein wirklich heißumkämpftes Match der beiden (Finaltag Ford Championship 2005, Woods gewann mit einem Schlag Vorsprung).

LEONIE HARM Als erste deutsche Spielerin in der Ge- schichte der seit 1893 ausgetragenen British Ladies Open Amateur Championship gewinnt Leonie Harm das renommierteste Damen-Amateurturnier der Welt. Die 20-jährige Stuttgarterin setzte sich in dem Zähl- und Lochspiel-Event gegen 143 Mitbewerberinnen durch. Doch nicht nur ihre golferische Leistung auf der Anlage des Hillside Golf Clubs in Southport, England, auch Harms Geschichte sorgte für Schlagzeilen. ImMai 2013 wurde sie beim Joggen von einem betrunkenen Autofahrer er- fasst. Sie erlitt schwere Kopfverletzungen, einen Lungen- kollaps sowie zahlreiche Knochenbrüche. „Ich war so gut wie tot“, erzählte sie in einem Interview über die Zeit im Koma, als sie die Ärzte schon aufgegeben hatten. Doch Leonie überlebte und ihr Körper heilte vollstän- dig. Nach der Reha-Phase begann sie wieder mit Golf und verdiente sich mit ihren Leistungen ein Stipendium der Houston University. In den USA hinterließ sie blei- benden Eindruck, als sie u. a. als „American Athletic Conference’s Player of the Year“ ausgezeichnet wurde. Anfang 2018 gewann Harm die German International Amateur. Dank des Erfolgs im Juni erhält sie nun Start- plätze bei der Ricoh Women’s British Open, der Evian Championship, der U.S. Women’s Open 2019 und beim ersten Augusta National Women’s Amateur 2019.

FAST & FURIOUS KICKSTART Eigentlich hatte Joaquin Niemann aus Chile geplant, 2018 die Uni in Florida zu besuchen. Aber aufgrund eines fehlerhaft ausgefüllten Antragsbogens und zuviel Frei- zeit auf dem Golfplatz besitzt der 19-jährige Jungprofi nun eine Spielberechtigung für die PGA Tour. Begonnen hat seine Cinderella-Story mit dem Gewinn der Latin American Ama- teur 2017, dem er seinen Startplatz beim Masters 2018 zu verdanken hatte. Dort verpasste er zwar den Cut, wurde aber zur Valero Texas Open eingeladen. Joaquin bedankte sich mit einem geteilten sechsten Platz bei seinem ersten Turnier als Profi, es folgten zwei weitere Top-8-Platzierun- gen. Bei der The Greenbrier im Juli fehlte ihm zwar ein Schlag zur Qualifikation für die Open

2018, doch als geteilter Fünfter hatte er innerhalb von nur sechs Teilnah- men genügend FedExCup-Punkte gesammelt, um sich für die PGA Tour-Saison 2018/19 zu qualifi- zieren. Und was haben Sie so mit 19 gemacht?

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HEISSE QUALIFIKATION

RYDER CUP Noch zwei Monate bis zum heißersehnten Ryder Cup. Vom 28. bis 30 September wird auf der Anlage Le Golf National vor den Toren von Paris gespielt. Kein Wunder also, dass viele europäische Ryder Cup-Anwärter an der Open de France teilnehmen wollten, um den

IMMER KNAPP AM SIEG VORBEI

Schauplatz des Kontinentalvergleiches unter Härtebedingungen zu testen und um Kapitän Thomas Bjørn zu beeindrucken. Besonders gut gelang dies Sieger Alex Norén (Schweden) und dem Schotten Russell Knox , der vor zwei Jahren trotz Top-Form von Kapitän Darren Clarke übergangen wurde. Bester Spieler aus dem U.S.-Team war übrigens Justin Thomas auf dem geteilten achten Platz. Besonders gut in Form befindet sich derzeit Francesco Molinari . Bei seinen fünf Turnierstarts im Juni/Juli gewann er die BMW PGA Championship in Wentworth sowie sein erstes PGA Tour-Event, die Quicken Loans National, mit einem sagenhaften Vorsprung von acht Schlägen. Zudem belegte der Italiener zweimal den zweiten Platz (Italian Open, John Deere Classic). Innerhalb weniger Wochen katapultierte sich Molinari von Rang 33 auf Position 15 in der Welt und dürfte somit sicher für den Ryder Cup gesetzt sein. Überhaupt laufen in dieser Qualifikations-Schlussphase viele Euro-Fighter so richtig heiß, was nicht zuletzt bedeuten könnte, dass sogar Superstar Rory McIlroy Gefahr läuft, auf eine Wild Card hoffen zu müssen. Der Nordire benötigt in den kommenden Wochen schnell einige Top-Platzierungen, damit keine Diskussionen entstehen.

TEAM GERMANY Wenn man dieser Tage nach deutschen Sensationssiegern sucht, sollte man um Golf oder Fußball einen Bogen machen und es mit Tennis probieren. In den vergangenen Wochen mussten die deutschen Vertreter vor- nehmlich mit Platz vorlieb nehmen, den Sieg feierten andere. Allen voran Martin Kaymer , der bekanntlich seinen möglichen Heimsieg bei der BMW International Open am vorletzten Loch leichtfertig abschenkte. Der zweite Rang brachte ihn kurz- zeitig bis auf Rang 102 in der Weltrangliste. Aufgrund der beiden verpassten Cuts in Frankreich und Schottland rangierte Kaymer als bester deutscher Herr in der Woche vor der Open Championship auf Position 119 der Welt. Für Marcel Siem hätte es bei der Scottish Open ein Happy End geben können, lag er doch vor dem Finaltag nur einen Schlag hinter dem Führenden in aussichtsreicher Position. Doch anstatt sich an seinem 38. Geburtstag mit dem wich- tigsten Sieg seiner Karriere zu beschenken, der seine Zukunft auf der European Tour für zwei weitere Jahre abgesichert und die Qualifikation für die Open bedeutet hätte, stürzte die Nr. 355 der Welt auf den geteilten 14. Rang ab. Max Kieffer startete bei der BMW International Open an Kaymers Seite als geteilter Führender in die Finalrunde, doch auch er kam nur als geteilter Zwölfter ins Ziel. Auf der Challenge Tour belegten Florian Fritsch und Marcel Schneider die Plätze 3 und T5 bei der Prague Golf Challenge. Caroline Masson überzeugte bei der Meijer LPGA Classic mit einem zweiten Rang. Das Topergebnis brachte Caro im Rolex Ranking bis auf den 36. Rang und unterstreicht die

positive Tendenz ihrer Form. LPGA-Kollegin Sandra Gal konnte im Juni und Juli eben- falls zwei gute Platzierungen abliefern. Sie verbesserte sich von Rang 119 bis auf Position 80 in der Welt.

TEAM EUROPA Im europäischen Team wird Rory McIlroy langsam nach unten durchgereicht. Zwischen Mai und Juli büßte er fünf Plätze ein. In Paris dabei sein wird er trotzdem sicher

Florian Fritsch

Sandra Gal

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TEAM USA Die ersten sieben Namen dürften bei Team USA in Stein gemeißelt sein. Allenfalls Bryson DeChambeau muss aufpassen, dass er die Direktqualifikation nicht verpasst

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DER GOLFTEST Alexander Levy feierte ausgelassen den Sieg seines Landes bei der Fußball-WM. Beim Golftest präsen- tierte sich der Franzose ebenfalls als wahrer Champion.

KING OF MONDAY QUALIFIKANT Sie wollen wissen, wie schwer es wirklich ist, sich auf der PGA Tour zu behaupten? Für einige weniger bedeutende PGA Tour-Events können sich Golfprofis ohne Status beim soge- nannten Monday Qualifier-Turnier einen von vier Startplätzen erspielen. Im Schnitt muss man eine 65 abliefern, um unter die Top 4 zu kommen. Umso unglaublicher ist die Leistung von T. J. Vogel aus Florida, der sich in dieser Saison insgesamt sieben- mal einen Startplatz ergattern konnte – ein einsamer

Erst heute morgen. Mein Weckanruf wurde ver- bummelt, also bin ich auf die Range gesprintet, habe zehn Bälle geschlagen und los ging es!

Bist du je im Lauf- schritt zum Abschlag gehetzt, weil du zu spät dran warst? Hast du schon einmal komplett am Ball vorbei geschlagen?

ERGEBNIS BIRDIE

Na klar, das passiert uns Pros auch schon mal. Wenn der Ball im Rough liegt und man mit einem Flop-Shot rausschlagen will, kommt es nicht selten vor, dass man sauber untendurch haut. Schon zwei, eines in Marokko und eines bei der Dubai Desert Classic in diesem Jahr. Aber immer an einem Par 3, an dem kein Hole in One-Preis ausgelobt war. Verdammt!

ERGEBNIS BIRDIE

Hast du schon ein Hole in One bei einem Profi- turnier erzielt?

Rekord. Seine beste Runde absolvierte er dabei in 63 Schlägen. Allzu viel heraus- gesprungen ist für Vogel trotz seiner Spielstärke allerdings noch nicht. Ein

ERGEBNIS BIRDIE

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geteilter 16. Platz bei der Valspar, zwei Platzierungen (59., 66.) sowie vier verpasste Cuts.

Hast du je eine 59 oder besser gespielt?

Nein, sicher nicht. Ich hatte mal eine 60, aber das war nur in einer Proberunde.

ERGEBNIS PAR

Ein oder zweimal in jedem Fall. Du ärgerst dich über den versemmelten ersten Putt und schiebst das Ding aus minimaler Entfernung daneben. Bei der Open de France auf Bahn 15. Ich habe den Ball voll auf das Fairway der 18 geballert. Ich spielte ein Double Bogey und das war noch glücklich. Ohne Streich reisen wir nicht ab. Ich habe keine Spezialität, aber wir denken uns immer was aus. Meine Landsleute sind unsere Lieblingsopfer. Wir haben sogar eine WhatsApp-Gruppe dafür. Yeah, ich bin schon ein wenig durchgeknallt. Ich habe erst letztes Jahr mein Eisen 6 während einer Übungsrunde geschrottet. Aber es war nicht im Turnier, da geht das noch. Ja, ich fand meinen Ball in der Toilette an der 18 beim WGC Matchplay gegen Joost Luiten. Also nicht direkt in der Schüssel, aber daneben.

Hast du als Profi schon einmal einen Putt aus 50 Zentimetern oder weniger verschoben? Hast du während eines Profi-Turniers schon einmal einen Socket (Shank) geschlagen? Hast du einem Kolle- gen schon einmal einen Streich gespielt?

ERGEBNIS BIRDIE

ZWEI STREITHÄHNE REGELFRAGE Bei der Quicken Loans National kam es zu einem außergewöhnlichen Regeldisput. Der Koreaner Sung Kang griff mit seinem zweiten Schlag auf Loch 10 (Par 5) das Grün an, doch sein Ball ging ins Wasser. Kang war der Auffassung, dass sein Ball erst auf der anderen Seite des Hindernisses gelandet und von dort zurück ins Wasser gesprungen sei. Mitspieler Joel Dahmen widersprach

ERGEBNIS BIRDIE

ERGEBNIS EAGLE

Hast du schon einmal vor Wut einen Schläger zertrümmert?

vehement. Hitzige 25 Minuten zog sich der Streit der beiden PGA Tour-Spieler hin, der folgende Flight musste sogar durchgewunken werden. Schluss-

ERGEBNIS BIRDIE

endlich bekam Kang von den Offiziellen recht und belegte sogar noch den geteilten drit- ten Platz. Dahmen twitterte anschließend: „Kang hat be- trogen. Er hat einen falschen Drop getätigt. Ich habe

Hast du deinen Ball schon einmal an einem ungewöhnlichen Ort gefunden? Hast du schon einmal fünf oder mehr Putts an einem Loch benötigt.

ERGEBNIS BIRDIE

Nein, ein paar Vier-Putts, aber fünfmal daneben schieben? Dann sollte ich vielleicht übers Aufhören nachdenken.

ERGEBNIS PAR

Joel Dahmen

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argumentiert, bis ich blau angelaufen bin.“

TOTAL -10

Ein tolles Ergebnis von Alexander Levy. In der nächsten Ausgabe: Chris Wood über einen Streich, bei dem Henrik Stenson rote Ohren bekam.

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DER SURVIVOR DOUBLE Seit 1989 gelang keinem Spieler mehr die erfolgreiche Titelverteidigung beim härtesten Test im Golf. Brooks Koepka ge- wann 2017 bei einer U.S. Open in Erin Hills, für deren banales 08/15-Set-up der Ausrich- ter USGA viel Kritik einstecken musste. 2018 triumphierte der 28-jährige Amerikaner erneut. Doch diesmal bei einem Turnier, das die Top-Golfer der Welt an ihre Grenzen

DREI FRAGEN AN… Justin Thomas

Glückwunsch zum Erreichen der Weltrang- listenspitze. Wie wichtig war das für dich? Sehen zu können, dass jeder andere Golfer in der Welt hinter meinemNamen steht, war schon ein lustiger Anblick. Ich hätte diese Position gerne noch etwas länger behalten, weil dies bedeutet hätte, dass ich über einen größeren Zeitraum besser als jeder andere gespielt hätte. Das ist ein größeres Ziel als die zwei Wochen, in denen ich die Spitze behaupten konnte. Du hast kürzlich einen Zuschauer rauswerfen lassen. Benehmen sich die Fans jetzt besser? So etwas geschieht glücklicherweise nur sehr selten. Seit demVorfall bei der Honda Classic ist nichts mehr passiert. Vielleicht habe ich auch ein wenig überreagiert, doch ich habe daraus gelernt. Die Fans sind ja weiß Gott nicht alle schlecht. Ich will nur nicht, dass ein paar Einzelne den Spaß für alle kaputt machen. Kannst du uns dein Geheimnis verraten, wie man am Sonntag den Sack zumacht. Ich habe begriffen, dass man nichts erzwingen darf. Früher wollte ich unbedingt gewinnen. Ich habe zuviel Druck aufgebaut und bin zu früh ins Risiko gegangen. Geduldig bleiben ist der Schlüssel zumErfolg. Man muss den Dingen die Chance geben, sich entwickeln zu können.

Oops, he did it again: Brooks

führte – und weit darüber hinaus. Denn vor allem am Samstag gab sich der amerikanische Golfverband USGA der Lächerlich- keit preis, als man sehenden Auges zuließ, wie sich der enorm schwierige Platz Shinnecock Hills im Laufe eines heißen Tages in eine kaum noch spielbare Absurdität verwandelte und somit der Wettbewerb verzerrt wurde. Der letzte Mohikaner bei diesem Golfmassaker war schließlich erneut Brooks Koepka, der mit einem Schlag Vorsprung vor Tommy Fleetwood gewinnen konnte.

Koepka gelingt bei der U.S. Open die erfolgreiche Titel- verteidigung

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DER MASTER-PLAN

UMDENKEN Anfang Juli präsentierte PGA Tour-Boss Jay Monahan den neuen Fahrplan für die Saison 2018/19, der einige grundlegende Änderungen beinhaltet: Zukünftig wird es nur noch drei FedExCup-Playoff-Events geben. Die Players Championship wird statt im Mai schon Mitte März gespielt, quasi als „Warm up“ für die Majors. Die PGA Championship

rochiert dafür vom August in den Mai. Die Saison endet schon am 24. August 2019 mit der Tour Championship. Hintergrund: Man möchte dem Beginn der American Football-Saison aus dem Weg gehen. Insgesamt wird die Saison um vier Wochen kürzer. Was dies für die European Tour bedeutet, bleibt abzuwarten. Einerseits entsteht ein Zeitfenster zwischen September und Dezember, das viele große Namen für Gastspiele nutzen könnten. Anderer- seits könnte es deutlich schwerer werden, Hochkaräter zu Events wie bspw. der BMW International Open zu locken, die mitten im Jahr stattfinden.

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eine Million Dollar AUSHILFE Der Australier Steven Bowditch befin- det sich in einer massiven Form- krise. Für die John Deere Classic bat er Golffans, sich bei ihm als Caddie zu bewerben. Arbeitszeit: Dienstag bis Freitag, Wahrscheinlichkeit für das Wochenende: 1 Prozent. Den Zuschlag bekam ein 16-jähriger Teenager. Natürlich verpasste Bow- ditchdenCut 2 REKORDWOCHE Die Koreanerin Sei Young Kim stellte

mit 31(!) Schlägen unter Par ge- wann BITTER John Peterson hatte aufgrund einer Verletzungspause noch eine letzte Gnadenfrist, um seine PGA Tour-Spielberechtigung zu erhalten. Bei der The Greenbrier fehlte dem 29-jährigen Amerikaner letztlich ein Schlag für den Klassen- erhalt, weshalb Peterson nun seine Golfkarriere beenden will CHAMP David Toms (51) gewinnt die U.S. Senior Open und gleich- zeitig sein erstes Turnier auf der Champions Tour SAUER John Daly erklärte, nie wie-

1 PAUSE Der Österreicher Bernd Wiesberger konnte aufgrund einer Handgelenkverletzung seit April an keinem Golfturnier teilnehmen. Wann es weitergeht, steht in den Sternen, denn der Heilungspro- zess schreitet nur langsam voran RISIKO CHANCE Ab der kommen- den Saison wird auf der PGA bzw. der LPGA Tour die Aon Risk Reward Challenge gespielt. Der turnierü- bergreifende Wettbewerb belohnt Top-Ergebnisse auf dem schwers- ten Loch eines Platzes. Dem Saison- sieger, der auf diesen Bahnen den besten Score erzielt hat, winkt

der an einem Turnier der USGA teilnehmen zu wollen. Hinter- grund war ein Streit über die mög- liche Nutzung eines Golfcarts bei der U.S. Senior Open. Daly leidet seit einem Unfall im April unter Knieproblemen VERBOT Bryson DeChambeau wurde von der USGA verboten, einen Kompass als Hilfs- mittel auf dem Golfplatz einzuset- zen – obwohl sich niemand einen wirklichen Reim darauf machen kann, was der

bei der Thornberry Creek LPGA Classic einen neuen Tour-Rekord bei den Da- men auf, als sie das Event

Diplom-Physiker mit dem Gerät wirklich messen will. GT

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Ein verlockendes Stellenangebot, ein geplatzter Tauschhandel, eine ruhige Hand, noch ein Rasenmäher, ein besonders heißer Italiener und ein Bild von Tiger Woods – das sind die Social Media-Highlights! TWEET IT!

„Tiger Woods kam vorbei und fragte, ob wir Boote tauschen können. Ich habe höf- lich abgelehnt.“ Im Hintergrund: Tigers Yacht „Privacy“.

Wer würde nicht gerne einmal die Grüns des Old Course stutzen dürfen? Diese Stel- lenausschreibung der St. Andrews Links dürfte für einiges Aufsehen gesorgt haben.

Obwohl Harold Varner III am Vortag eine knappe Viertel- million Dollar Preisgeld bei der The Greenbrier gewinnen konnte, mähte der brave Bub am folgenden Morgen den Rasen seiner Eltern.

„Schreib einfach nochmal den gleichen Namen drauf wie letztes Mal“ – wir können nur vermuten, was U.S. Open- Champion Brooks Koepka dem Graveur in diesem Moment gesagt hat.

Bei seinem ersten Sieg auf der PGA Tour schien es so, als hätte Francesco Molinari auf einem völlig anderen Platz gespielt als seine Konkurrenz.

Wenn Sie im Lexikon den Begriff „Tiger-Effekt“ nachschlagen, werden Sie dieses Bild finden.

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COVER | MARTIN KAYMER

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ES IST NUR EIN

ES GEHT NICHT UM

ODER

Vor vier Jahren gewann Martin Kaymer die U.S. Open, das härteste Golfturnier der Welt, mit überirdischer Leichtigkeit. Doch trotz zweier Major-Siege, vier Ryder Cup- Teilnahmen und acht Wochen an der Spitze der Weltrang- liste scheint es so, als würde sich die Liebesbeziehung zwischen dem 33-jährigen Rheinländer und seinem Sport in einer komplizierten Phase befinden. Und sollte er zwei ganz bestimmte Turniere gewinnen, würde Kaymer vielleicht sogar ganz neue Wege beschreiten.

Von John Huggan (Interview) und Götz Schmiedehausen

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BMW INTERNATIONAL OPEN 2018 Der geschlagene Hometown Hero wird von den Fans gefeiert

artin Kaymers Auftritt bei der BMW International Open 2018 in Pulheim bei Köln, sowie auch seine gesamte Golfkarriere, kann man mit

zwei Begriffen zusammenfassen: „Licht und Schatten“. Als Führender startete der in Mett- manngeborene zweifacheMajor-Sieger bei sei- nem vielleicht letzten r(h)einrassigen Heim- spiel in den Sonntag (die BMW International Open wird ab 2019 nur noch in München stattfinden). Und obwohl Martins Drives in puncto Streugrad zuweilen weniger an ein Präzisionsgewehr denn an eine Schrotflinte erinnerten, wahrte der Publikumsliebling dank punktgenauer Eisen und einem unge- wöhnlich heißen Putter bis kurz vor Schluss seine Chancen auf den ersehnten Sieg. Ein strategisch perfekt platzierter Abschlag brachte den „Hometown Hero“ am vorletzten Loch des Turniers sogar in aussichtsreiche Position für das dringend benötigte Birdie, um mit dem führenden Matt Wallace aus England gleichziehen zu können. Doch zum Entsetzen der Fans toppte Kaymer sein Spiel- gerät beim Versuch eines Standard-Chips aus 30 Metern wie ein Golfamateur mit Nerven- flattern ins dichte Rough hinter dem Grün. Anstatt weiter Boden gutzumachen, büßte Martin aufgrund dieses „Blackouts zur fal- schen Zeit“ einen Zähler und somit all seine Siegchancen ein. Die von den Zuschauern mit schwarz-rot- goldenen Fahnen dekorierte Tribüne feierte ihren sichtlich demoralisierten Helden trotz des kostspieligen Aussetzers. Kaymer be- dankte sich bei seinem Publikum mit einem Birdie auf der schweren Abschlussbahn, das ein Play-off oder sogar den Sieg vor hei- mischer Kulisse hätte bedeuten können. So jedoch schmeckte dieser hochklassige Putt zum geteilten zweiten Platz vornehmlich nach bittersüßer Niederlage. Dabei erkämpfte sich Kaymer im Rheinland immerhin seine beste Platzierung seit der Italian Open – jedoch der im Jahre 2015. Einst gab es sehr viel mehr Licht in Martin Kaymers Golfkarriere. Zwischen 2008 und 2011 eilte er scheinbar mühelos von Sieg zu Sieg und erklomm mit sagenhafter Unbe- kümmertheit den Thron der Weltrangliste. Heute wirkt es jedoch so, als trüge Kaymer anstelle von Leichtigkeit einen tonnenschwe- ren Mühlstein um seinen Hals. Aber wie sieht

Wie die Schaffensperioden eines Künstlers könnte man auch Martin Kaymers Karriere in verschiedene Perioden unterteilen. Eine extrem erfolgreiche Zeit voller Sturm und Drang wurde 2011 von einem Zeitabschnitt abgelöst, in dem sich der Golfer neu zu er- finden versuchte. Als die Siegesserie abrupt abriss, wurde spekuliert, Kaymer habe als amtierende Nummer eins der Welt eine fatale Schwungveränderung vorgenommen und sei nun nicht mehr in der Lage, erfolgreiches Golf zu spielen. Und Augusta sei an allem schuld. „Bei meinem ersten Masters 2008 benö- tigte ich vier Pars auf den Schlussbahnen, um den Cut zu schaffen. Aber ich wurde zu gierig und griff das Grün der 15 (Par 5) an, verfehlte es jedoch auf der falschen Seite. Ich kassierte ein Double-Bogey und obwohl mir auf Loch 18 das Birdie gelang, verpasste ich das Wochenende um einen Schlag. Ich war tief enttäuscht, denn ich hatte mir viel Mühe gegeben, den Cut zu schaffen. Aber mir fehlte noch die Erfahrung. In den ersten Jahren hatte ich einfach zuviel Respekt vor dem Platz, was mich von meinem natürlichen Spiel abgelenkt hat. Man kann über Augusta sagen, was man will und argumentieren, dass Jack Nicklaus dort so oft mit einem Fade gewonnen hat. Damals war es jedoch noch ein ganz anderer

Martin Kaymer selbst seinen aktuellen Bezie- hungsstatus mit dem Golfsport? „Wir kommen eigentlich ganz gut mitein- ander aus. Nur finde ich, dass ich Golf mehr Liebe schenke, als mir erwidert wird. Ich trainiere und übe mit enorm hohem Auf- wand. Doch dieses Spiel lässt dich erst einmal leiden, bevor es anfängt, dir etwas zurück- zugeben. Trotzdem habe ich einige wirklich große Erfolge gefeiert. Für mich geht es des- halb in Ordnung, dass ich nun auch durch diese Phase gehen muss. Alles in allem würde ich meine Beziehung zum Golfsport als hoch- interessant bezeichnen.“ „ICH FINDE, DASS ICH GOLF MEHR LIEBE SCHENKE, ALS MIR ERWIDERT WIRD. ABER ALLES IN ALLEM WÜRDE ICH MEINE BEZIE- HUNG ZUM GOLFSPORT ALS HOCHINTERESSANT BEZEICHNEN“

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Kaymers wichtigste Trophäen: 1 Abu Dhabi Golf Championship 2008 (1. European Tour-Sieg) 2 BMW International Open 2008 (European Tour-Erfolg in Deutsch- land) 3 PGA Championship 2010 (1. Major) 4 HSBC Champions 2011 (einziger WGC-Titel) 5 Players Championship 2014 6 U.S. Open 2014 (2. Major)

spielt. Ich habe dem Schwung Dinge hinzuge- fügt bzw. etwas daran korrigiert. Jetzt bin ich in der Lage, jede Bahn in Augusta spielen zu können. Ich weiß, einige Leute denken, dies sei ein Fehler gewesen. Aber es kann nie ein Fehler sein, wenn man versucht, sich zu ver- bessern.“ Nach Bernhard Langer war Martin Kaymer der zweite deutsche Weltranglistenerste in der Geschichte des Profigolf. Doch fast wäre der Rheinländer als Jugendlicher bei einem ganz anderen Sport hängengeblieben. „Mit Golf begann ich im Alter von zehn Jahren, als mein Vater (Horst) mich und mei- nen Bruder (Philip) mit zu einer öffentlichen Driving Range nahm. Aber wir Brüder waren mehr an Fußball interessiert. Im Alter von 15 Jahren musste ich mich zwischen Golf und Fußball entscheiden, denn meine sportlichen Aktivitäten waren zu zeitraubend. Es war keine leichte Wahl, denn als Spieler für For- tuna Düsseldorf verdiente ich damals schon etwas Geld. Doch ich entschied mich schließ- lich doch für Golf, da es eine Individual- sportart ist. Alles dreht sich um einen selbst. Wenn man gut spielt, erntet man allein die Lorbeeren. Und wenn man es vergeigt, trägt man ebenso die alleinige Schuld daran.“

Heute scheint es so, als sei Martin Kaymer schon ewig Teil des Golfuniversums. 2005 wurde der heute 33-Jährige Berufsgolfer, kurze Zeit später erschien er mit einem wahrhaften Urknall auf der Profigolfbühne, als er bei der Habsburg Classic 2006 der EPD-Tour (heute Pro Golf Tour) eine 59 spielen konnte und das Turnier gewann. Kaymer benötigte in seiner ersten (und einzigen) Saison auf der Nach- wuchstour gerade einmal 14 Starts (bei denen er sechsmal erfolgreich war), um im Spätsom- mer 2006 den Sprung auf die Challenge Tour zu schaffen. Zehn Wochen (sowie einen Sieg und vier Top-4-Platzierungen) später hatte sich Kaymer schon innerhalb seiner ersten zwölf Monate als Profi eine Startberechtigung für die European Tour erarbeitet. „Ich war völlig überrascht. Meine Planung sah ganz anders aus. Ich ging davon aus, dass ich nach der Q-School noch ein Jahr auf der EPD-Tour spielen würde, erst 2008 eventuell reif für die Challenge Tour wäre, bevor es realistisch werden könnte, über die European Tour nachzudenken. So sieht der normale Weg aus. Aber ich habe das alles in nur einem Jahr durchgezogen. Als ich schon 2008 mein erstes European Tour-Event, die Abu Dhabi Golf Championship, gewinnen konnte, spielte ich die Finalrunde mit Ian Poulter und

Platz. Heute kann man einige Bahnen nicht mehr mit einem Fade spielen. Etwas anderes zu behaupten ist schlicht Blödsinn. Sogar als ich 2011 die Weltrangliste angeführt habe, bin ich deshalb am Cut gescheitert. Danach habe ich mir geschworen, jedes Jahr zurück- zukommen, um es erneut zu versuchen. Aber ich wusste, dass ich in der Lage sein musste, einen Draw zu schlagen. Doch auch unabhän- gig von diesem Platz wollte ich ein komplet- terer Spieler werden. Mein Trainer (Günter Kessler) sah das genauso. Natürlich haben wir meinen Schwung deshalb nicht von Grund auf umgekrempelt. Dies würde bedeuten, dass man am nächsten Tag als Linkshänder „ICH WEISS, EINIGE LEUTE DENKEN, DEN SCHWUNG ZU VERÄNDERN SEI EIN FEHLER GEWESEN. ABER ES KANN NIE EIN FEHLER SEIN, WENN MAN VERSUCHT, SICH ZU VERBESSERN“

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Obwohl Martin Kaymer ab 2012 bis zum Mai 2014 sieglos bleiben sollte, machte er sich in dieser Zeit endgültig zur Golflegende. Ein einziger Putt sorgte dafür, dass sich das Bild des jubelnden Deutschen auf ewig in die Hirn- rinde der Golffans in aller Welt einbrannte. Es geschah beim Ryder Cup 2012 in Medinah. Das europäische Team hatte am Finaltag eine unglaubliche Aufholjagd hingelegt. Doch am Ende hing alles von Martin Kaymer ab. „Es war die ultimative Befriedigung und das größte Geschenk meiner bisherigen Karriere. Als der Ball auf das Loch zurollte, wusste ich, dass der Putt fallen würde. Ich hatte die Linie richtig gelesen und der Ball war gut gestartet. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich hundertprozentig im Jetzt. Manche Leute verpassen den Moment, weil die Situa- tion selbst sie zu sehr vereinnahmt. Aber ich weiß noch ganz genau, was ich gefühlt habe. Jedes Körperteil, es war verrückt, ein wun- derschöner Augenblick, der mir für immer bleibt. Ob ich darüber nachgedacht habe, was passiert wäre, wenn ich den Putt verschoben hätte? Natürlich, aber es ist irrelevant. Ich habe mit Psychologen darüber gesprochen. Die meisten sagen, du kannst darüber nach- denken, aber du wirst nie wissen können, was wirklich gewesen wäre. Aber es ist normal und menschlich, sich diese Frage zu stellen. Doch wenn ich zu intensiv darüber nach- grüble, macht es mich nervös. Bis heute ist es so, dass mich Menschen, die mich erkennen, fast immer auch auf diesen Putt ansprechen. Hätte ich verschoben, würden sie das wohl nicht tun. Dass all dies aus diesem einen Moment entstehen könnte, war mir zum Zeit-

NR. 1 BIS 3 DER WELT AM 28. FEBRUAR 2011 Martin Kaymer, Lee Westwood und Luke Donald (v. l.)

als er Bubba Watson in einem dramatischen Stechen besiegen konnte. Im Februar 2011 erklomm Martin Kaymer schließlich den Gipfel der Weltrangliste, auf dem er acht Wochen thronen konnte. „Golf ist ein schwerer Sport. Es ist schwer, zu gewinnen. Deshalb verdienen siegreiche Spieler umso mehr Respekt. Sieh dir Tiger an und all die Jahre, in denen er an der Spitze stand. Für mich war es schön, einmal dort oben zu stehen. Es ist etwas ganz Beson- deres. Und es liest sich auch gut im Karriere- rückblick. Doch ich stand gerade einmal fünf Minuten da oben.“

Rory McIlroy. Dass ich mich gegen Spieler dieses Kalibers durchsetzen konnte, war da- mals unglaublich für mich.“ In den folgenden vier Jahre etablierte sich Martin Kaymer erst in Europa und schließ- lich auch im Rest der Welt als ein legitimer Anwärter auf die Herrscherkrone im Profi- golf, die Tiger Woods nach seinem skandal- bedingten Karriereknick 2009 hatte aufgeben müssen. Neunmal gewann Kaymer zwischen 2008 und 2011 auf der European Tour, doch der Höhepunkt seiner ersten Schaffensphase war zweifelsohne der Gewinn der PGA Championship 2010 in Whistling Straits,

DIE ENTWICKLUNG DER „AKTIE KAYMER“ SEIT 2006 Seit dreizehn Jahren spielt Martin Kaymer auf den großen Touren der Welt. In dieser Grafik sehen Sie seine Entwicklung in der Weltrangliste, die veranschaulicht, dass man Kaymers bisherige Karriere in drei Perioden einteilen kann:

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PERIODE 1: 2006 BIS 2010 Als Nr. 157 hatte Kaymer 2006 seine

PERIODE 2: 2011 BIS 2014 Anfang 2011 war Kaymer die Nr. 1 der Welt. Zwischen 2012 und Mitte 2014 versuchte er, sein Golfspiel auf ein neues Level zu bringen und rutschte aus den Top 60. Nach seinem Sieg bei den U.S. Open belegte er Rang 11.

PERIODE 3: 2015 BIS HEUTE Seit 2015 gab es keinen Titelgewinn.

European Tour-Karte in der Tasche. Ein Jahr später war er Rookie des Jahres. 2008 folgten die ersten Siege. Nach seinem Major-Erfolg 2010 wurde er erstmals in den Top 5 geführt.

2016 rutschte Kaymer aus den Top 50 und verlor die Startberechtigungen für die vier lukrativen WGC-Turniere. Im Mai 2018 gehörte er nicht mehr zu den 100 besten Golfern der Welt.

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punkt des Geschehens glücklicherweise nicht bewusst gewesen.“ Der Gewinn von zwei Major-Titeln und der Sieg bei der Players Championship stechen aus Martin Kaymers beeindruckender Titel- sammlung heraus. Doch welcher seiner Siege bedeutet dem Champion selbst am meisten? „Ich würde sagen, die Players. Ja, ich weiß, der Stellenwert des Turniers ist geringer als der eines Majors. Aber mir bedeutet dieser Sieg trotzdem irgendwie mehr. Als ich die PGA Championship 2010 gespielt habe, war es mein primäres Ziel, mich für das Ryder Cup-Team zu qualifizieren. Und plötzlich stand ich in einem Stechen um den Titel bei einemMajor. Als ich dann wirklich gewinnen konnte, war das Erlebnis ziemlich überwälti- gend. Doch der Augenblick des Sieges war mir dabei gar nicht wirklich bewusst geworden, denn ich wusste schon, bevor ich den kurzen Putt zum Sieg verwandelt hatte, dass ich ge- winnen würde. Ich sagte mir damals, dass ich den Moment genießen sollte. Es war zu diesem Zeitpunkt fraglos der schönste Augenblick, den ich je auf einem Golfplatz erleben durfte. Aber als ich den Ball aus dem Loch fischte, war ich ehrlich gesagt innerlich völlig leer. In solchen Momenten fällt es schwer, irgend- etwas zu denken. Man weiß eben nie wirklich, wie man reagieren wird, bevor man sich nicht in der Situation befunden hat. Das Wochenende der U.S. Open 2014 hin- gegen war auf seine Art auch sehr schwierig, denn ich hatte so einen großen Vorsprung zu verwalten. Deshalb war es eine echte Her- ausforderung, genauso erfolgreich wie bisher weiterzuspielen und nicht nachzulassen. Die Players hingegen glich mehr einer Achterbahnfahrt. Es gab eine witterungsbe- dingte Unterbrechung am Sonntag. Ich ging davon aus, dass der Tag gelaufen war. Es war ja kein Tageslicht mehr vorhanden. Doch dann schickten sie uns trotzdem wieder raus. Mental war das schwierig zu verarbeiten. Und dann spielte ich auf dem ersten Loch (16) gleich ein Double Bogey. Dabei dachte ich, dass ich auf allen drei Bahnen gute Schläge gemacht hätte. Was auf der 17 (das berühmte Insel-Par-3 des TPC Sawgrass) passiert ist, kann man nur schwer beschreiben (Kaymer schrammte haarscharf am Wasserball vorbei und schaffte dank eines sagenhaften Putts noch das Par, obwohl das Bogey eigentlich unausweichlich schien). Ich hatte die äuße- ren Bedingungen außer Acht gelassen und bei meinem Schlag ins Grün zuviel Spin auf den Ball gegeben. Das war ein Wechselbad der Gefühle. Nach der 16 war ich eigentlich schon raus aus dem Geschäft, dann doch wie-

liger Dunkelheit, den Drive konnte ich über- haupt nicht sehen. Als ich mit dem Eisen 8 am Ball stand, um ins Grün zu schlagen, konnte ich kaum das Gras erkennen. Ich musste füh- len, wie der Schlägerkopf den Boden berührt. Und das Putten war sogar noch schwerer.“ Nach wie vor gehört Deutschland zu den Enwicklungsländern im Golfsport. Die Mit- gliederzahlen im Deutschen Golf Verband wachsen jährlich um kaum ein Prozent an und vielen Golfclubs fällt es schwer, Neu- golfer nachhaltig für den Sport zu begeistern. Wie sieht Martin Kaymer selbst seinen Ein- fluss auf den Golfsport in der Heimat? „Zu Beginn meiner Karriere hat es mich traurig gestimmt, dass ich keinen größeren Einfluss auf die Golfbegeisterung in Deutsch- land ausüben konnte. Aber in den vergan- genen zwei Jahren habe ich es akzeptiert. Ich möchte helfen, aber die Leute wollen „DER PUTT ZUM RYDER CUP 2012 WAR DIE ULTIMATIVE BEFRIEDIGUNG UND DAS GRÖSSTE GESCHENK MEINER BISHERIGEN KARRIERE. ALS DER BALL AUF DAS LOCH ZU ROLLTE, WUSSTE ICH, DASS DER PUTT FALLEN WÜRDE“

der drin. An der 17 sah es so aus, als hätte ich mich mit einem Wasserball wieder um meine Siegchancen gebracht, dann blieb der Ball doch irgendwie trocken und ich lochte einen Putt, der eine Chance von 1 zu 100 hatte, dass er fällt. Die 18 spielte ich schließlich bei völ-

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scheinbar nicht, dass man ihnen hilft. Was soll ich also tun? Trotz seiner vielen großen Erfolge, die in vielen anderen Ländern dafür gesorgt hätten, dass jedes Kind seinen Namen kennen würde, hält sich Martin Kaymers Bekanntheitsgrad in seinem Heimatland in überschaubaren Grenzen. Als er 2011 die Nummer 1 der Welt war, fragte ein englischer Reporter in Berlin Passanten, ob sie schon einmal von ihm ge- hört hätten. Nicht einer konnte etwas mit dem Namen anfangen. „Das ist deprimierend, jedoch nur, wenn man auf so etwas Wert legt. Es ist schön, wenn man erkannt wird und von den Leuten etwas zurückbekommt. Aber so ist es auch o.k. Ich genieße es, so viel Golf spielen zu können und fühle mich nicht persönlich gekränkt.“ Was ist an Martin Kaymer, der seit über zehn Jahren in der ganzen Welt zu Hause ist und vornehmlich in seiner Wahlheimat Florida (zuvor Arizona) lebt, typisch deutsch? „Ich bin sturköpfig und pünktlich. Ich habe sehr klare Ansichten und bin deshalb in manchen Situationen knallhart und konse- quent. Manchmal vielleicht etwas zu sehr. Dann frage ich mich, ob es wirklich notwen- dig ist, dass ich jeden Tag um sechs aufstehe, auch wenn ich zwei Wochen Turnierpause habe, um zu trainieren. Ich muss lernen, dass es okay ist, auch mal auszuschlafen, anderer- seits möchte ich das Gefühl haben, dass ich etwas härter arbeite als die anderen Spieler. Doch auf lange Sicht kann man das nicht durchhalten. Die Disziplin, die Pünktlichkeit und die Arbeitsqualität – all das mag ich, aber es muss alles einen gesunden Rahmen haben. Manchmal übertreibe ich es. Aber deshalb bin ich auch der, der ich bin.“ Zum Ende des Erfolgsjahres 2014 trennte sich Martin Kaymer von seinem schwedischen Manager Johan Elliot, der ihn seit 2007 be- treut hatte. Seither kümmert sich Bruder Philip gemeinsam mit Vater Horst um die anfallenden Aufgaben. Im Januar 2015 erlebt Kaymer dann ausgerechnet in Abu Dhabi, wo er schon dreimal gewinnen konnte, einen sagenhaften Einbruch, als er in der Schluss- runde zeitweise mit zehn Schlägen Vorsprung das Feld anführt, um am Ende als Dritter ins Ziel zu kommen. „Ich möchte nicht, dass dieses Erlebnis meine Erfolge und die großartigen Erinne- rungen trübt, die ich mit diesem Golfplatz verbinde. Es waren nur zwei Stunden, im

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Gegensatz zu über 50 herausragenden Stun- den, die ich dort erlebt habe. Natürlich denkt man hin und wieder daran zurück. Das ist menschlich und normal. Man muss im Ver- arbeitungsprozess sehr ehrlich zu sich selbst sein und eine Antwort auf die Frage finden, warum das passiert ist. Und das habe ich.“ Seit dem 15. Juni 2014 wartet Martin Kaymer, der im Verlauf seiner Karriere 23 Titel als Profi gewinnen konnte, auf seinen nächsten bedeutenden Sieg. Seit er 2016 aus den Top 50 der Welt gerutscht ist, verlor er sukzessive seine Startberechtigungen für die lukrativen World Golf Championship-Turniere. Seit Anfang Mai 2018 gehört Kaymer auch nicht mehr zu den besten 100 Spielern derWelt – ein Status, den er seit Oktober 2007 innehatte. Bis einschließlich 2019 besitzt Kaymer noch eine Spielberechtigung für die PGA Tour und alle Majorturniere. Spätestens in der kom- menden Saison muss der Rheinländer also wieder abliefern, bevor sich weitere Tore für ihn schließen. Doch Kaymer will von Panik- mache nichts wissen. Er arbeitet hart für sei- ne Ziele, manchmal zu hart, wie im Frühjahr, als er sich aufgrund zu intensiven Trainings eine Handgelenksverletzung zuzog und pau- Martin Kaymer ist keine One-Man-Show, sondern ein echter Familienbetrieb. Bevor ihm der große Durchbruch gelang, kümmerte sich Vater Horst primär um all die Dinge, die für einen aufstrebenden Jungprofi organisiert werden müssen. Zwischen 2007 und 2014 übernahm der Schwede Johan Elliot das Kaymer- Management, bevor Martins älterer Bruder Philip die Position Anfang 2015 besetzte. Im Herzen immer dabei ist Martins Mutter Rina. Die stilisierte Sonnenblume, die auf Martins Golftasche oder seinen Golfbällen prangt, soll an seine 2008 an Krebs ver- storbene Mutter erinnern. Craig „Wee Man“ Connelly heißt der Mann an Martins Golfbag. Der Schotte gilt als einer der besten Caddies seiner Zunft. Mit ihm feierte Kaymer seine größten Erfolge. Doch im April 2011 trennten sich die Wege vorerst. In dieser Zeit übernahmen Philip Kaymer (wie auch in Martins Anfangstagen) sowie Luke Donalds Bruder Chris den Job. 2012 fanden Connelly und Kaymer wieder zueinander.

sieren musste. Doch welchen Ziele hat Martin Kaymer überhaupt noch im Profigolf? „Wenn ich zwei weitere Majors, das Mas- ters und die Open Championship, gewinne, bin ich fertig. Aber dann werden die Leute sagen, dass ich noch die olympische Gold- medaille und den FedExCup gewinnen muss. Doch lass uns mal rumspinnen. Wenn ich dieses Jahr die Open und 2019 das Masters gewinnen würde, würde ich noch ein weite- res Jahr spielen, aber bestimmt nicht mehr so hart trainieren. Ich würde nicht mehr so viel leiden. Denn es würde mir schwerfallen, mich erneut zu motivieren. Natürlich würde ich noch spielen, weil mich der Golfplatz glück- lich macht. Aber würde ich noch härter arbei- ten, um an einem weiteren Ryder Cup teilzu- nehmen oder um mich zu verbessern? Nein!“ „Ich habe meine Pläne. Aber ich will das Thema nicht weiter vertiefen. Ich würde sonst den Fokus auf das verlieren, was ich derzeit tue. Es geht mir auch gut ohne Golf. Aber lass uns hier wieder anknüpfen, wenn ich das Masters und die Open gewonnen habe.“ GT Oben: Philip, Horst und Martin Kaymer. Mitte: Craig Connelly Unten: Die Sonnenblume zu Ehren von Martins Mutter Rina Kaymer († 2008) Gibt es schon Pläne für die Zeit nach Golf?

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