GOLF TIME 5/2018

TRAINING | SPORTPHYSIO

DR. CHRISTIAN HAID Biomechaniker, Universitätsklinik Innsbruck

unseren Golfschwung. Im Probeschwung gelingt uns das auch häufig, nur kaum ist der Ball im Spiel, sieht die Welt anders aus. In dieser Tatsache liegt aber auch eine Chance, negative Gefühle beimGolf imZaum zu halten. Dazu müssen wir eine wichtige Voraussetzung schaffen. Wir müssen lernen, uns beim Schwingen so sehr auf die Harmo- nie der Bewegung zu konzentrieren, dass wir die Schönheit dieser Bewegung auch tatsäch- lich wahrnehmen. Somit können wir nach Fehlschlägen sofort wieder einen Schwung machen, der uns das Gefühl von Harmonie wiedergibt. Der Ärger hält sich in Grenzen. Beobachten wir Topspieler, dann schwingen diese auch häufig nach einem dürftigen Schlag nochmals. Das ist kein Üben des Golfschwunges, das ist genau das oben Be- schriebene. Sofort nach dem unangenehmen Gefühl wieder die Harmonie der Bewegung suchen. Das ist eine gute Übung und gleich- zeitig wirkt es beruhigend. Aber funktio- nieren kann dieser Mechanismus nur, wenn wir davor lernen, unsere Bewegung zu spüren. Somit wird einmal mehr deutlich: Golf spielen heißt nicht einfach nur Bälle schlagen, im Kurzspiel Geschicklichkeit entwickeln, sondern auch die Leichtigkeit und die Har- monie des Golfschwunges entdecken. Diese Formulierung kommt in fast allen meinen Artikeln vor. Das hat seinen Grund. Ich sehe keine Golfstunden, in denen auf das geachtet wird, beim Üben wird immer auf Weite oder auf Präzision geachtet, nie höre ich die Anweisung: „Spüre den Schläger schwingen.“ Die Schwungbewegungen Ich wünsche mir, dass mit diesem Gefühl der Bewegungs- harmonie im Schwung der Frust bei Fehlschlägen sinkt und sich das Golf mit der Zeit insgesamt verbessert. Dann ist es leichter, mit Freude Golf zu spielen und die für uns notwendigen „kleinen Nieder- lagen“ zu verkraften. GT werden ständig eingeschränkt, nie höre ich: „Bewege dich so, dass es sich frei anfühlt.“

NIE MEHR ÄRGERN FRUSTBEWÄLTIGUNG Beim Training höre ich nie: „Spüre den Schläger schwingen.“ Das Gefühl der Bewegungsharmonie. G olf bietet viele Möglichkeiten, sich über etwas zu freuen, und hat auch einiges bereit, worüber man sich ärgern kann. Deshalb ist es eine Sportart, die Glückshormone aus- Es gibt nun unterschiedliche Möglichkeiten, mit dem nahezu zwingend auftretenden Lei- densdruck umzugehen. Man betrachtet die 18 Holes nur als den notwen- digen Weg, um zum 19. Hole zu gelangen. Man schiebt

GOLFER SIND LEIDENS- BEREITE MENSCHEN, DIE HART AN DER VERBESSERUNG IHRER PERSÖNLICHKEIT ARBEITEN

schüttet und gleichzeitig dafür sorgt, dass wir in keine Abhängigkeit von den entstehenden Endorphinen, die ja in Wirklichkeit endogene Morphine sind, kommen. Diese ständige Beschränkung unserer Glücksgefühle kann sehr schmerzhaft sein und zu unangenehmen Nebeneffekten füh- ren. Den Schläger im Boden zu versenken und laut zu fluchen sind nur einige Beispiele dafür. Grundsätzlich muss man aber jedem Golfer, der dieses Spiel durchsteht, zugeste- hen, dass er sich dem ständigen Wechselbad aus Glücksgefühlen und kleinen Nieder- lagen stellt. Somit sind Golfer leidensbereite Menschen, die hart an der Verbesserung ihrer Persönlichkeit arbeiten.

die Schuld am Versagen auf andere, man übersieht seine Fehler oder man findet so intensive Freude an der Bewegung, dass der nicht getroffene Ball an Bedeutung verliert. Auf die letzte genannte Möglichkeit als positivem Bei- trag zum Erlernen des Golfschwunges möchte ich genauer eingehen. Von allen Leistungssportlern hören wir, dass sich ihre beste Leistung leicht angefühlt hat. Daher gilt das auch mit Sicherheit für

INFO christian.haid@i-med.ac.at

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GOLF TIME | 5-2018

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