GOLF TIME 5/2018

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scheinbar nicht, dass man ihnen hilft. Was soll ich also tun? Trotz seiner vielen großen Erfolge, die in vielen anderen Ländern dafür gesorgt hätten, dass jedes Kind seinen Namen kennen würde, hält sich Martin Kaymers Bekanntheitsgrad in seinem Heimatland in überschaubaren Grenzen. Als er 2011 die Nummer 1 der Welt war, fragte ein englischer Reporter in Berlin Passanten, ob sie schon einmal von ihm ge- hört hätten. Nicht einer konnte etwas mit dem Namen anfangen. „Das ist deprimierend, jedoch nur, wenn man auf so etwas Wert legt. Es ist schön, wenn man erkannt wird und von den Leuten etwas zurückbekommt. Aber so ist es auch o.k. Ich genieße es, so viel Golf spielen zu können und fühle mich nicht persönlich gekränkt.“ Was ist an Martin Kaymer, der seit über zehn Jahren in der ganzen Welt zu Hause ist und vornehmlich in seiner Wahlheimat Florida (zuvor Arizona) lebt, typisch deutsch? „Ich bin sturköpfig und pünktlich. Ich habe sehr klare Ansichten und bin deshalb in manchen Situationen knallhart und konse- quent. Manchmal vielleicht etwas zu sehr. Dann frage ich mich, ob es wirklich notwen- dig ist, dass ich jeden Tag um sechs aufstehe, auch wenn ich zwei Wochen Turnierpause habe, um zu trainieren. Ich muss lernen, dass es okay ist, auch mal auszuschlafen, anderer- seits möchte ich das Gefühl haben, dass ich etwas härter arbeite als die anderen Spieler. Doch auf lange Sicht kann man das nicht durchhalten. Die Disziplin, die Pünktlichkeit und die Arbeitsqualität – all das mag ich, aber es muss alles einen gesunden Rahmen haben. Manchmal übertreibe ich es. Aber deshalb bin ich auch der, der ich bin.“ Zum Ende des Erfolgsjahres 2014 trennte sich Martin Kaymer von seinem schwedischen Manager Johan Elliot, der ihn seit 2007 be- treut hatte. Seither kümmert sich Bruder Philip gemeinsam mit Vater Horst um die anfallenden Aufgaben. Im Januar 2015 erlebt Kaymer dann ausgerechnet in Abu Dhabi, wo er schon dreimal gewinnen konnte, einen sagenhaften Einbruch, als er in der Schluss- runde zeitweise mit zehn Schlägen Vorsprung das Feld anführt, um am Ende als Dritter ins Ziel zu kommen. „Ich möchte nicht, dass dieses Erlebnis meine Erfolge und die großartigen Erinne- rungen trübt, die ich mit diesem Golfplatz verbinde. Es waren nur zwei Stunden, im

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Gegensatz zu über 50 herausragenden Stun- den, die ich dort erlebt habe. Natürlich denkt man hin und wieder daran zurück. Das ist menschlich und normal. Man muss im Ver- arbeitungsprozess sehr ehrlich zu sich selbst sein und eine Antwort auf die Frage finden, warum das passiert ist. Und das habe ich.“ Seit dem 15. Juni 2014 wartet Martin Kaymer, der im Verlauf seiner Karriere 23 Titel als Profi gewinnen konnte, auf seinen nächsten bedeutenden Sieg. Seit er 2016 aus den Top 50 der Welt gerutscht ist, verlor er sukzessive seine Startberechtigungen für die lukrativen World Golf Championship-Turniere. Seit Anfang Mai 2018 gehört Kaymer auch nicht mehr zu den besten 100 Spielern derWelt – ein Status, den er seit Oktober 2007 innehatte. Bis einschließlich 2019 besitzt Kaymer noch eine Spielberechtigung für die PGA Tour und alle Majorturniere. Spätestens in der kom- menden Saison muss der Rheinländer also wieder abliefern, bevor sich weitere Tore für ihn schließen. Doch Kaymer will von Panik- mache nichts wissen. Er arbeitet hart für sei- ne Ziele, manchmal zu hart, wie im Frühjahr, als er sich aufgrund zu intensiven Trainings eine Handgelenksverletzung zuzog und pau- Martin Kaymer ist keine One-Man-Show, sondern ein echter Familienbetrieb. Bevor ihm der große Durchbruch gelang, kümmerte sich Vater Horst primär um all die Dinge, die für einen aufstrebenden Jungprofi organisiert werden müssen. Zwischen 2007 und 2014 übernahm der Schwede Johan Elliot das Kaymer- Management, bevor Martins älterer Bruder Philip die Position Anfang 2015 besetzte. Im Herzen immer dabei ist Martins Mutter Rina. Die stilisierte Sonnenblume, die auf Martins Golftasche oder seinen Golfbällen prangt, soll an seine 2008 an Krebs ver- storbene Mutter erinnern. Craig „Wee Man“ Connelly heißt der Mann an Martins Golfbag. Der Schotte gilt als einer der besten Caddies seiner Zunft. Mit ihm feierte Kaymer seine größten Erfolge. Doch im April 2011 trennten sich die Wege vorerst. In dieser Zeit übernahmen Philip Kaymer (wie auch in Martins Anfangstagen) sowie Luke Donalds Bruder Chris den Job. 2012 fanden Connelly und Kaymer wieder zueinander.

sieren musste. Doch welchen Ziele hat Martin Kaymer überhaupt noch im Profigolf? „Wenn ich zwei weitere Majors, das Mas- ters und die Open Championship, gewinne, bin ich fertig. Aber dann werden die Leute sagen, dass ich noch die olympische Gold- medaille und den FedExCup gewinnen muss. Doch lass uns mal rumspinnen. Wenn ich dieses Jahr die Open und 2019 das Masters gewinnen würde, würde ich noch ein weite- res Jahr spielen, aber bestimmt nicht mehr so hart trainieren. Ich würde nicht mehr so viel leiden. Denn es würde mir schwerfallen, mich erneut zu motivieren. Natürlich würde ich noch spielen, weil mich der Golfplatz glück- lich macht. Aber würde ich noch härter arbei- ten, um an einem weiteren Ryder Cup teilzu- nehmen oder um mich zu verbessern? Nein!“ „Ich habe meine Pläne. Aber ich will das Thema nicht weiter vertiefen. Ich würde sonst den Fokus auf das verlieren, was ich derzeit tue. Es geht mir auch gut ohne Golf. Aber lass uns hier wieder anknüpfen, wenn ich das Masters und die Open gewonnen habe.“ GT Oben: Philip, Horst und Martin Kaymer. Mitte: Craig Connelly Unten: Die Sonnenblume zu Ehren von Martins Mutter Rina Kaymer († 2008) Gibt es schon Pläne für die Zeit nach Golf?

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