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Georadar

16 | Geomarketing Eine kurze Geschichte von Geo

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Business Geomatics 7/22 | 05. Dezember 2022

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Die Verwendung von geographiebasierten Methoden in der Markt-, Sozial- und Wahl forschung ist untrennbar mit dem Unter nehmen infas aus Bonn verbunden. Das gilt auch für die Geschichte des Geomarketings. D as Unternehmen infas360 GmbH fei erte im September in Bonn das Jubi läum zu 40 Jahre Geomarketing. Im Jahre 1982 hatte das Schwesterun

Foto: Terra-Digital GmbH Foto: Terra-Digital GmbH

Sozial-, Politik- und Regionalfor schung ein, lange bevor der Begriff Geomarketing erfunden wurde und man die Geographie in Form di gitaler Karten als Teilbereich der Information (sprich Geoinformatik) ansehen konnte. Das lag vor allem an den Gründern Wolfgang Har tenstein, Klaus Liepelt und Günter Schubert, die damals modernstes Methodenwissen aus den USA nach Deutschland brachten. Ab 1965 hatte das Institut den Auftrag der ARD, Analysen und Hochrechnungen zu Bundestags-, Landtags-, und Kom munalwahlen in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Diese Wahlforschung führte erstmals re gionale Bezirke als Ergebnisraster ein. Auch die Umfragen amWahltag wurden wahlkreisspezifisch ausge wertet. Der neue Ansatz hatte Erfolg und revolutionierte die Bekanntgabe vonWahlergebnissen in denMedien. Bis 1996 wurde infas von der ARDmit dieser Aufgabe betreut. Geographie und Wahlforschung Auf die Ursprünge der Wahlfor schung lohnt ein genauerer Blick. Wie so häufig gehen die Ursprünge der regional geprägten Wahl- und Sozialforschung auf die USA zurück. Bei der Präsidentschaftswahl 1952, bei der sich der Republikaner Dwight D. Eisenhower und der Demokrat Adlai Stevenson gegenüberstan den, wurden erstmals – initiiert von dem Fernsehsender CBS – Rechner für die Wahlprognose eingesetzt.

Die „Computernacht“ im WDR zur Bun destagswahl 1965. Erstmals liefert ein Computer die Wahl prognose noch am Wahlabend - mit Hilfe von „Geoanalyse“.

ternehmen infas LT, damals noch unter der Firmierung Lutum + Tap pert DV-Beratung GbR, seinen ersten Eintrag im Handelsregister. Damals, in der Frühzeit der Digitalisierung, wurden erstmals digitale Karten für wirtschaftliche und unternehmeri sche Fragestellungen eingesetzt. Ein berechtigtes Jubiläum also, vor allem, weil das Unternehmen unter Führung vonWerner Tappert und Joachim Lu tum in den vier Dekaden den Markt mitprägte. Bei genauerem Hinsehen kann man aber die inhaltlichen Wur zeln des Geomarketings noch tiefer verfolgen und dabei kommt man an dem Namen infas in Deutschland nicht vorbei. Genau genommen ist die Gründung des infas Instituts im Jahre 1959 ein entscheidender Meilenstein, das heute noch Form der infas Hol ding AG und ihren 100-prozentigen Tochterunternehmen besteht, vor allem dem infas Institut für ange wandte Sozialwissenschaft. Aus der bewegten infas-Geschichte heraus, soviel vorweggenommen, gründeten Joachim Lutum und Werner Tappert als ehemalige Mitarbeiter auch ihr Unternehmen. Bereits in den frühen 1960ern führte infas das Thema Geogra phie gewissermaßen in die deutsche

Foto: saravuth / shutterstock.com; WDR

für angewandte Sozialwissenschaft GmbH“. Neben der Sozialforschung kamen mit der Mobilitäts- und Ver kehrsforschung ein wichtiger Um satzträger dazu. Im März 2014 kamen dann die Geo-Kompetenzen wieder zurück ins Haus. Innerhalb der infas Holding AG wird die infas360 GmbH mit Sitz in Bonn gegründet. Das neue Unternehmen mit Michael Herter an der Spitze bietet disziplinüber greifende Marketing Intelligence auf Basis einer neuen Kombination aus Geomarketing, Marktforschung und Customer Analytics. Das Unterneh men integriert moderne Small Area Methoden in sein Produktportfolio und migriert stetig zum neuen The mengebiet Data Sciences. Ende 2018 steht dann auch für Werner Tappert und Joachim Lutum die „Rückkehr“ an. Ihr Unternehmen Lutum+Tap pert DV-Beratungs GmbH, an deren Spitze sie immer noch stehen, wird von der infas Holding übernommen und 2022 dann in infas LT GmbH umbenannt, wobei „LT“ für Location Technologies steht. (sg)

In Deutschland begannen ARD und ZDF im Jahr 1996 mit diesem An satz. Zuvor lagen in Deutschland die Wahlergebnisse erst am Tag nach der Auszählung der Stimmzettel vor. Die ARD konnte 1965 das ZDF mit seinen Prognosen spektakulär aus stechen. Erste Hochrechnungen am Wahlabend gegen 22 Uhr brachten nicht nur erstmals noch am gleichen Tag computergestützte Hochrech nungen, sie lagen auch sehr nahe am realen Ergebnis und waren weit genauer als die des ZDF, das einen methodisch älteren Ansatz wählte. Ein IBM-Rechner von infas wurde damals mit Daten aus 12 von 248 Wahlkreisen gefüttert und schätzte auf dieser Stichprobe, die gezielt von infas bestimmt worden war (heute würde man non probability sample sprechen), das landesweite Ergebnis. In den darauffolgenden Jahren ka men Analysen zur Wählerwanderung dazu, wozu infas eine Software nutz te, mit der in den USA Verkehrsströme analysiert wurden. Die „Geographie“ drang immer stärker in die Wahlpro gnose ein. Im Jahr 1980 nutzte infas die britische Software icon, umdamit die statistischen Zahlentabellen gra

fisch zu visualisieren. Wenig später, genau im Jahr 1982, gab es dann die erste Darstellung von Wahlergebnis sen in Form von farblich kodierten Landkarten im deutschen Fernsehen. 1987 kamen dann erstmals anstatt zentralen Großrechnern vernetzte PCs zum Einsatz. Im Zuge unternehmerischer Ver werfungen kam es bei infas dann aber auch zu wirtschaftlichen He rausforderungen. Der Versuch, die modernen Methoden in die Sozial- und Wahlforschung auch auf die da mals aufkommende Marktforschung zu übertragen, war nur zum Teil er folgreich. Damalige Mitarbeiter wie Werner Tappert und Joachim Lutum machten sich aufgrund damaliger Insolvenzgeschehen selbständig, vor allem, weil sie an das Potenzial des Geomarketings glaubten. Übrigens ging aus dem infas-Nukleus auch das Unternehmen infas Geodaten GmbH hervor, das nach zwischenzeitlichem Verkauf später in die heutige Nexiga GmbH umbenannt wurde. Die infas Sozialforschung GmbH blieb allerdings erfolgreich und fir mierte ab 1998 wieder unter dem ursprünglichen Namen „infas Institut

Wann sich Bodenradar lohnt

Der IDS Stream Up von Terra-Digital im Einsatz. Das Gerät wird von einem Auto gezogen und verbindet die Vor teile von IDS Stream C und DS2000.

Der Spezialist Terra- Digital zeigt Anwen dungsbeispiele, bei denen die grabungs lose Identifikation von

dazu Ergebnisse ( je nach Bodenverhältnissen) von bis zu zwei Metern Messtiefe. Die Terra-Digital GmbH aus Hofheim am Taunus hat sich auf Leitungsortung und Bo densondierung mittels Bodenradar spezialisiert und deckt alle Wertschöpfungsbereiche von der Datenerfassung über die Auswertung bis hin zur Dokumentation ab. „Es gibt vielfältige Anwendungsfälle für die Ortungstechnologie“, sagt Wilhelm Dresselhaus, Geschäftsführer der Terra-Digital GmbH. Obwohl das Verfahren die einmalige Möglichkeit schafft, einen präzisen Plan des Untergrunds zu schaffen und damit einen wirklich vollständigen Digitalen Zwilling des gesamten Planungsraums zu erzeugen, hat es noch nicht die Verbreitung gefunden, die ihm gebühren würde. Es kann damit La serscanning, Mobile Mapping, klassische Ver messung oder Photogrammmetrie ergänzen. Die notwendigenWerkzeuge aus der CAD- und GIS-Welt stehen ohnehin zur Verfügung, die Überführung der Radardaten in die 3D-Mo dellierung ist heute bereits Standard. Breitbandausbau: Klare Rechnung Die Potenziale des Bodenradars sind groß. Nicht nur die Technik fasziniert, sondern der

wirtschaftliche Hebel. Dies kann man am Beispiel von Trassenplanung beim Breitband ausbau erläutern. Vor dem Hintergrund des Marktdrucks und des schleppenden Ausbaus hat sich Micro-Tren ching als Verlegemethode etabliert. Dabei wird versiegelte Fläche, vor allem Straßen, per Fräse aufgeschlitzt und dort die neue Leitung verlegt. Ein kostengünstiges, schnelles Verfahren, das aber hohe Risiken mit sich bringt und daher eine saubere Planung benötigt. Also auch eine umfas sende Bestandsdatenerfassung im Untergrund, um Schäden an Fremdleitungen zu vermeiden. „Hier kann Mobile Mapping und die daraus generierten Orthofotos in der Kombination mit einer Bodenradarbefahrung Abhilfe schaffen“, sagt Dresselhaus. Das Ergebnis ist eine ober- wie unterflurige georeferenzierte 3D-Darstellung des Bauum feldes und der Leitungen im Baugrund. „Damit lässt sich sehr präzise die neue Trasse planen, weil die örtlichen Gegebenheiten mit einer Ge nauigkeit vonwenigen Zentimetern sichtbar sind und selbst die unsichtbaren Leitungen in ihrer Lage und Tiefe dargestellt werden können“, so der Geschäftsführer. Mit einem solchen Digitalen Zwilling –

Wenn die Tiefenlage der bestehenden Lei tungen und das Risiko des Micro-Trenching bekannt sind, können die verantwortlichen Stellen in den Gemeinden leicht überzeugt werden, um das kostengünstigere und schnel lere Fräsen einzusetzen. An dieser Stelle besitzt Terra-Digital viele Erfahrungen. Ein Beispiel hat etwa gezeigt, dass bei einem Glasfaser- ausbauprojekt mit einer Trassenlänge von rund 120 Kilometern aufgrund dieser Maßnahmen der Anteil des Fräsens um 30 Prozent gesteigert werden konnte. „Das hat zu einer siebenstel ligen Einsparung geführt. Die Kosten für die Befahrung betrugen lediglich 24 Prozent der Einsparungen“, so Dresselhaus. Beispiel Leitungsstörungen Ein weiteres Beispiel sind Störungen an Lei tungsnetzen, bei denen naturgemäß Zeitdruck herrscht. Was aber, wenn bei einer akuten Störung Leitungspläne nicht vollständig sind, Fehler auftreten oder die Planungen gar über haupt nicht vorhanden sind. Dann waren früher Suchgrabungen alternativlos. Ein Bodenradar, welches sofort vor Ort eine Auswertung durchführt und gezielte Hinweise auf die gesuchte Leitung gibt, spart im Ver gleich viel Zeit und Geld. „Der Business-Case für ein überregionales Leitungsnetz hat gezeigt, dass pro Jahr mehrere Millionen Euro für er folglose Suchgrabungen ausgegeben werden“, so Dresselhaus. Erfolglose Suchgrabungen will niemand. Sie auf ein Minimum zu reduzieren, ist eine Folge des Bodenradars. „Die Ausgaben von einmalig wenigen zehntausend Euro rechnen sich damit in kürzester Zeit“, so Dresselhaus. Für solche Art Rechnungen benötigt man keine komplexe Betriebswissenschaft. „Wichtig ist nur, dass alle Kosten in die Modellrechnungen eingepreist werden, bisher habe man nur auf die reinen Verlegekosten geschaut“, weiß der Unternehmensgründer. „Wie man aus zahl reichen anderen Beispielen weiß, sickert auf dieser Ebene das Wissen um die neue Technik erst langsam durch. Aber zunehmend haben die Planer auch den Untergrund auf dem Ra dar“, schmunzelt Dresselhaus. (sg)

I n den Untergrund schauen und Lei tungsnetze identifizieren, ohne Auf grabungen zu machen, das ist das Aufgabengebiet des Georadars, das auch unter der englischen Bezeich nung Ground Penetration Radar (GPR) bekannt ist. Das Werkzeug kommt immer dann zum Einsatz, wenn eine Grabung zu teuer ist, zu lange dauert oder wenn das Risiko für einen Leitungsschaden gesenkt werden soll. Ein Bodenradar liefert unterirdischen Leitungen via Radar wirtschaftlich besonders interessant ist.

www.infas.de

Menno Smid ist diplomierter Soziologe. Er gibt seit 1995 die Richtung der größten Holding-Tochter (infas Institut für angewandte Sozialwissen schaft GmbH) vor und führt sie in das multimediale Zeitalter.

Vier Fragen an Menno Smid, CEO der infas Holding AG und Geschäfts führer des infas Instituts. INTERVIEW

ist digital und sie muss agil sein und sehr situationsspezifisch mit besonde ren Daten von Subgruppen agieren. Differenzierte Daten in interessanten Subgruppen sind das Kapital der zukünftigen Marktforschung gepaart mit interpretativer Expertise über die Entwicklung der Märkte selbst. Das „War um“ bei Kaufentscheidungen ist nach wie vor eine zentrale Frage, die nur mit Befragungen beantwortet werden kann. Und hier sehe ich große Chancen auch für die angesprochen statistischen Modelle. Es gibt derzeit eine große Diskussion rund um die rein internetba sierte Wahlforschung, bei der auch Small Area Methoden eine Rolle spielen. Wie sehen Sie das Potenzial von SMA für das Thema? Es gibt in den Wahlforschungsdaten ein ganz zentrales Problem: die Rück- erinnerung der Menschen ist im Hinblick auf die letzte Wahl stets stark fehler behaftet. Wenn Sie die Menschen in guten Zufallsstichproben fragen, was sie bei der letzten Wahl gewählt haben und es mit dem tatsächlichen Ergebnis vergleichen, finden sie dramatische Abweichungen. Diese Rückerinnerung ist aber für die Wahlvorhersage – und das ist immer noch ein zentrales Anliegen der Parteien, zu verstehen, wo sie in der Wählergunst stehen – ein Funda mentalproblem, das auch nicht durch eine internetbasierte Wahlforschung gelöst werden kann. Aus einem einfachen Grund: die internetbasier te Forschung kann keine Zufallsstichproben zu ihrer Grundlage

Welchen Einfluss haben geobasierte Methoden wie Mikrogeographie oder Small Area Methoden auf heutige Markt-, Wahl- und Sozial forschung?

Untergrund inklusive – können zum Beispiel die unterschiedlichen Straßen-/Gehwegs beläge gemessen und Gestattungsverträge frühzeitig beantragt werden, um das ef fektivste Verlegever fahren einzusetzen. Überraschungen bei der Bauausführung werden weitestgehend vermieden.

Vielleicht ist es sinnvoll zunächst auf ein aktuelles Problem in der Markt- und Sozialforschung hinzuwei sen, um die Bedeutung insbesondre von Small Area Methoden besser einzuordnen. Einerseits benötigen Politik und Wirtschaft immer genauere regionalisierte Informationen aber auch detaillierte Informationen von Subgruppen, bei spielsweise in der Armutsforschung. Andererseits stehen diesem zunehmenden Bedarf an detaillierten Informati onen überwiegend unveränderte, aber auch zunehmend reduzierte Budgets, vor allem in der Marktforschung, gegenüber. Die Feingliedrigkeit dieser Bedarfe kann mit klassischen Methoden, die allesamt auf direkten Schätzern basieren, nur mit großem Aufwand und einem hohen relativen Standardfehler befriedigt werden. Hier ist die Gruppe der Methoden, die auf indirekten Schät zern basieren im Vorteil und können eine Lösung sein. Allerdings setzt die Anwendung solcher Small Area Estimators gute Kenntnisse in der Statistik und gute regionalisierte und in Subgruppen valide Daten voraus. Auch wenn Fortschritte bei der Güte und dem Zugang regionalisierter Daten zu konstatieren sind, benötigt man

Foto: infas Institut für angewandte Sozialwissenschaf t GmbH

dann noch entsprechend ausgebildete Statistiker. Und die sind Mangelware.

Wie umgekehrt kann das Geomarketings von den heutigen Methoden in der Markt- und Sozialforschung profitieren? Indem die regionalisierten Daten angereichert und kom biniert werden mit Daten aus der Markt- und Sozialfor schung. Und dann muss der steinige Weg der Anwen dung indirekter Schätzer für relevante Fragestellungen gegangen werden. Der Aufwand lohnt sich! Die Digitalisierung hat die Marktforschung in den letzten 10 Jahren stark verän-dert. Wie können moderne GIS-Methoden hier unterstützen? Die Digitalisierung hat die Marktforschung nicht nur ver ändert, sondern fast bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt. Die klassische Marktforschung existiert nicht mehr. Sie

machen. Die Ergebnisse sind also noch schlechter als in der klassischen Vorgehensweise. Das ist der Stand der Forschung und auch ein Dilemma der Wahlforschung. Aber immerhin lässt sich dann trefflich in den Medien über die manchmal sehr unterschiedlichen Ergeb nisse spekulieren und das ist möglicherweise auch ein Beitrag zur Meinungsbildung der Wählerinnen und Wähler, die am entscheidenden Tag der Wahl dann doch anders agieren als vorhergesagt. Neuer dings schön nachvollziehbar bei den Zwischen wahlen in den USA. (sg)

Der IDS Stream C im Einsatz. Er besitzt ein Array von 34 Antennen.

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