BayernDach Magazin 5-2017

Aus Mediensicht NACHWUCHS

ANFANG OKTOBER HATTE EINE JOURNALISTIN DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG IN EINEM KOMMENTAR ZUM LEHRLINGSMANGEL IM HANDWERK POSITION BEZOGEN: WEGJAMMERN GEHT NICHT, TITELT SIE IHREN KOMMENTAR. Alljährlich würden sich Handwerker aller Gewerke im Herbst zu Wort melden, weil viele Lehrstellen un- besetzt bleiben. Schuld sei wohl die Jugend, die lie- ber studiere, zu faul oder sich zu fein fürs Handwerk sei. Die Journalistin hält den demografischen Wan- del für die Ursache – und den könne niemand ein- fach wegjammern. Zu unchristlich seien außerdem die Arbeitszeiten, die

lich sein, wenn sich mehrere Betriebe die Ausbildung eines Anwärters teilen. Und beim Thema Migranten kam inzwischen auch bei den Politikern die Ernüchterung an. Die sprach- liche und berufliche Integration ist aufwändiger und zeitintensiver als erhofft. Zudem hat sich gezeigt, dass es gerade in Bayern oft nicht leicht ist für inte- ressierte Jugendliche und Ausbildungsbetriebe, die Ausbildungserlaubnis zu erhalten. Auch die Zahl der Praktika wird nicht von den Be- trieben begrenzt, sondern eher von der Bereitschaft, überhaupt ein Praktikum im Dachdeckerhandwerk zu absolvieren. Und leider auch von vielen Schulen, die zur Berufs-Info dann doch lieber die Anbieter

Lehrlingsvergütung so gering, dass sich der Azubi keine eigene Wohnung leisten könne, zu we- nig angesehen der Handwerks- beruf und zu schlecht die Kar- rierechancen. Ihre Forderung: Betriebe sollten mehr bezahlen, dafür mögli- cherweise entweder ihre Preise aufschlagen oder auf Gewinn

von Büroberufen einladen als den Dachdecker von nebenan. Kommentare wie der Beschrie- bene helfen dem Handwerk ebenso wenig wie Jammern. Allerdings macht es den Hand- werksberuf weder für Schulab- gänger noch für deren Eltern attraktiv, wenn das Handwerk selbst keine Gelegenheit auslässt,

Wenn sich das Handwerk öffentlich beklagt, wird es wohl kaum zum Ausbildungsmagneten.

verzichten, weniger auf die Schulnoten schauen, Praktika und Betriebswohnungen anbieten. Ja, so- gar Lehrlings-Sharing müsse möglich sein. Und au- ßerdem gäbe es ja noch die Migranten. Die Journalistin hat vollkommen Recht – was die Schulnoten betrifft. Ansonsten klaffen Schluchten zwischen Wünschen und Realisierbarkeit. Welcher Auszubildende, der vielleicht mit 14 oder 15 Jahren von der Schule kommt, wohnt alleine? Schon der Abschluss eines Mietvertrags würde scheitern. Abgesehen davon können sich auch Azubis anderer Branchen finanziell kaum eine eigene Wohnung leis- ten. Lehrlings-Sharing? Jeder Betrieb bildet in der Hoff- nung aus, sich damit seine eigenen Fachkräfte von morgen heranzuziehen. Und die würde er wohl nur ungerne mit anderen Mitbewerbern teilen. Darüber hinaus dürfte es von der Vertragsgestaltung und der Genehmigung der Handwerkskammern kaum mög-

den Medienvertretern mitzuteilen, dass eigentlich kaum noch ein Auftrag lukrativ ist. Da wird alleror- ten über nicht mehr realisierbare Stundensätze, über Gewinnmargen, die praktisch nicht mehr existent sind und über rückläufige Neubauzahlen geklagt. Auch wenn dies alles oder zumindest teilweise den Tatsachen entspricht: Der Leser der Tageszeitung, der diese Informationen als Nachbericht von In- nungsversammlungen etc. bekommt, wird nichts da- ran ändern. Er wird sich aber gründlich überlegen, ob das Handwerk wirklich die richtige Branche für die Ausbildung seiner Kinder und deren Zukunfts- aussichten ist. Dagegen voller Stolz zu zeigen, was man (frau) er- reicht hat im Handwerk – und wenn es der Sportwa- gen oder große SUV ist – weckt dagegen eher den Wunsch: Das will ich auch schaffen. Oder wie es El- tern ausdrücken: Jawoll, mein Kind soll es mal besser haben.

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