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LIV-REPORT
Vorab
den
exakten
Kostenplan,
nach
Änderungen
zeitnah
die
Neuberech-
nung.
So
rationell
kann
Bauen
werden.
Das Building Information Mode-
ling BIM kann gerade die Planungs-
und Bauabläufe optimieren. Das
heißt aber nicht zwingend, dass Pro-
jekte künftig schneller realisiert wer-
den.
Schon heute sind sich viele Experten si-
cher: BIM wird das Werkzeug der Zukunft in
der Baubranche sein. Die Angst von Archi-
tekten, sie könnten durch den Computer er-
setzt werden, ist unbegründet. Denn BIM ist
keine „künstliche Intelligenz“ oder „künstli-
che Kreativität“. BIM ist ein „Instrument“,
um Planungs- und Bauabläufe für alle Betei-
ligten transparenter zu machen und um Pla-
nungsfehler zu vermeiden. BIM ist also keine
Software, sondern eine „integrale Planungs-
und Arbeitsmethodik“, wie es das Bauforum
Österreich beschreibt.
Ein funktionierendes BIM ist gleichzeitig
eines der wichtigsten Kommunikationsmittel.
Werden auch nur in einem Teilbereich oder
an einem Bauteil Änderungen vorgenommen,
wird das komplette Projekt neu berechnet.
Und das – je nach Änderung – in den Berei-
chen Energie, Statik, Zeit und Kosten.
Die vollständige Digitalisierung der Pla-
nungs- und Baudaten erlaubt zudem frühzei-
tig dreidimensionale Ansichten des Gesamt-
objekts oder seiner Teilbereiche - selbst nach
Änderungen in der Planung oder beim Bau-
ablauf.
Ein Beispiel: Während des Bauablaufs
wird entschieden, dass einige Änderungen an
der Dachkonstruktion vorgenommen werden
müssen. Diese Änderungen werden unmittel-
bar im BIM digitalisiert, berechnet und allen
Beteiligten, vom Planer über den Auftragge-
ber bis zu den betroffenen Handwerkern und
Folgegewerken sowie dem Betreiber zur Ver-
fügung gestellt.
Die Desaster bei Großprojekten wie dem
Berliner Flughafen oder der Elbphilharmonie
in Hamburg gaben Bundesminister Alexander
Dobrindt den Anstoß, 2014 eine „Reform-
kommission Großprojekte“ ins Leben zu ru-
fen. „Erst digital, dann real bauen“ lautet der
Grundsatz.
In seinem Kern ist BIM eine Erstellung
von dreidimensionalen Modellen eines Bau-
werks. Da auch Zeit und Kosten dargestellt
werden, wird von einem fünfdimensionalen
Modell gesprochen. Diese Modelle beinhalten
auch material- und umweltrelevante Daten.
Dazu gehören Materialeigenschaften, Lebens-
dauer, Brand- und Schallschutzverhalten. All
diese Daten werden zusätzlich mit den geo-
metrischen Informationen, also dem Ent-
wurf, verknüpft.
Im Stufenplan Digitales Planen und Bau-
en des Bundesministeriums für Verkehr und
digitale Infrastuktur BMVI lautet die exakte
Definition:
„Building Information Modeling bezeich-
net eine kooperative Arbeitsmethodik, mit
der auf der Grundlage digitaler Modelle eines
Bauwerks die für seinen Lebenszyklus rele-
vanten Informationen und Daten konsistent
erfasst, verwaltet und in einer transparenten
Kommunikation zwischen den Beteiligten
ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung
übergeben werden.“
Ziel ist es, eine höhere Planungs- und
Kostensicherheit zu erreichen und die Kos-
ten für den gesamten Lebenszyklus eines
Bauwerks zu optimieren. Damit soll nicht nur
ein permanentes Controlling ermöglicht wer-
den. Bereits bei der Ausschreibung solcher
Projekte soll BIM helfen, mehr als heute
noch üblich Qualitätskriterien bei der Verga-
be zugrunde zu legen. Es soll künftig mehr
Wert auf das wirtschaftlichste Angebot, nicht
auf das billigste Angebot gelegt
werden.
Insider sind über diese von
insgesamt zehn Kernempfeh-
lungen der Reformkommission
allerdings etwas erstaunt: Ist
doch nicht erst seit gestern in
der VOB/A im §16 (6) nachzu-
lesen: „Bei der Beurteilung der
Angemessenheit sind die Wirt-
schaftlichkeit des Bauverfahrens
(...) zu berücksichtigen“.
Ab Mitte 2017 sollen in
steigender Anzahl von Projek-
ten die BIM-Mindestanforde-
rungen des Leistungsniveaus 1
eingesetzt werden. Endziel des
Stufenplans ist auf jeden Fall,
ab Ende 2020 bei neu zu pla-
nenden Projekten der Verkehrs-
infrastruktur des Bundes dieses
Leistungsniveau 1 umzusetzen.
Das Leistungsniveau 1 be-
schreibt exakt die Daten, die Prozesse und
die Qualifikationen, die zu erbringen sind.
Dazu gehören u. a. Auftrags-Informations-
Anforderungen (AIA) ebenso wie ein BIM-
Abwicklungsplan (BAP) und die geforderte
BIM-Kompetenz.
BIM wird kommen. Darüber dürften
kaum Zweifel bestehen. Die Projekte des
BMVI machen den Anfang. Planen und Bau-
en wird transparenter. Teure Nachträge kön-
nen vermieden werden. Nur wenn von An-
fang an klar ist, was ein Projekt kostet, kann
auch objektiv darüber entschieden werden.
Und das auch auf das Risiko hin, dass man-
ches Großprojekt an seiner Akzeptanz in der
Bevölkerung scheitern wird, wenn die tat-
sächlichen Kosten im Voraus bekannt sind.
In einer im Mai 2015 veröffentlichten Studie
der Hertie School of Gouvernance GmbH
wurden 170 solcher Projekte unter die Lupe
genommen:
„Für abgeschlossene Projekte (n=119)
beträgt die durchschnittliche Kostensteige-
rung pro Projekt 73 %.“. Und weiter: „Insge-
samt sind die 170 Infrastrukturprojekte in
Deutschland um 59 Milliarden Euro teurer
als geplant – statt 141 werden sie mindestens
200 Milliarden Euro kosten“.
Es gibt viel zu tun. Dann aber könnte
BIM zum „Quantensprung“ im Bau werden.
Immer alles im Griff
BIM mehr als nur ein Rationalisierungswerkzeug
20 Jahre aktuell
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