SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2016
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SCHWEIZERISCHER GEMEINDEVERBAND
ZumTod von Ehrenpräsident
Toni Cantieni
Am 23. April ist Toni Cantieni, der Ehrenpräsident des Schweizerischen
Gemeindeverbands (SGV), im Alter von 88 Jahren gestorben. Er hat wesentlich
dazu beigetragen, dass der SGV zu einer wichtigen politischen Kraft wurde.
Toni Cantieni wurde im Juni 1987 an der
Generalversammlung in Bern als Nach-
folger von Erwin Freiburghaus zum Prä-
sidenten des SGV gewählt. Er war ab
1965 Mitglied des SGV-Vorstands, ab
1980 Vizepräsident des SGV. Nach seiner
Demission ernannte ihn die Generalver-
sammlung 1995 in Bern zum Ehrenprä-
sidenten. Der Bündner war auch viele
Jahre nach seiner aktiven Zeit als regel-
mässiger Gast der Generalversammlun-
gen vielen bekannt.
Gemeindepräsident vonVaz/Obervaz
Cantieni wurde am 14. Mai 1928 auf der
Lenzerheide in der GemeindeVaz/Ober-
vaz als Sohn eines Landwirts und einer
Bäuerin geboren. Er besuchte von 1945
bis 1949 das Lehrerseminar in Chur und
erwarb 1953 an der Universität Frei-
burg das Sekundarlehrerpatent. Bis 1962
wirkte er als Lehrer inVaz/Obervaz, Chur
und Tiefencastel.
Bereits im Alter von 34 Jahren über-
nahm Cantieni das Amt des Gemein-
depräsidenten von Vaz/Obervaz. Die
Bündner Gemeinde stand Anfang der
1960er-Jahre vor einer grossen touristi-
schen Entwicklung und war mit verschie-
densten Herausforderungen konfron-
tiert. Mit Umsicht und Ausdauer, so das
«Bündner Tagblatt» 2013, habe Can-
tieni, der von 1963 bis 1973 auch dem
Grossen Rat angehörte, die erforderli-
chen Massnahmen eingeleitet. So war
er beispielsweise auch Mitbegründer
der Bergbahnen Danis AG, die er von
1977 bis 1993 führte.
Von 1963 bis 1973 war Cantieni für die
CVP im Grossen Rat und von 1971 bis
1987 als Vertreter der Bündner CVP Mit-
glied des Nationalrats. In seiner Funk-
tion als Bundesparlamentarier war er
ausserdem mehrere Jahre Mitglied der
Parlamentarischen Versammlung des
Europarates. Cantieni präsidierte auch
die CVP Graubünden und habe es, wie
das «BünderTagblatt» anlässlich seines
85. Geburtstags feststellte, verstanden,
zwischen den bisweilen divergierenden
Meinungen zu vermitteln. Cantieni sei
«eine grosse Stütze, ein wohlwollender
Ratgeber und ein beispielhafter Kollege»
gewesen und habe sich sehr stark zu-
gunsten der Bergbevölkerung engagiert,
wurde alt Nationalrat Dumeni Colum-
berg zitiert.
Der SGV-Ehrenpräsident setzte sich stark
für den Erhalt der romanischen Sprache
ein. Von 1984 bis 1992 präsidierte er un-
ter anderem die romanische Sprach-
organisation Lia Rumantscha. Als Mit-
initiant und Präsident der Pro Svizra
Rumantscha war er wesentlich an der
Gründung der romanischen Tageszei-
tung «La Quotidiana» beteiligt. Nach
seiner Pensionierung gab Cantieni zwei
Bücher mit Erzählungen und Gedichten
in Obervazer Romanisch heraus.
Gemeindeartikel in der Verfassung
An seiner letzten Generalversamm-
lung, die im Rahmen der Suisse Public
stattfand, die damals noch Kommunal-
fachmesse Gemeinde 95 hiess, wurde
Cantieni vom SGV für seine grossen
Verdienste geehrt. «Toni Cantieni hat we-
sentlich dazu beigetragen, dass der Ver-
band zu einem Spitzenverband unseres
Landes heranwachsen konnte. Er hat
auch tatkräftig bei der Schaffung und
Konsolidierung der einzelnen Dienstleis-
tungsbetriebe desVerbands mitgewirkt»,
schrieb die «Schweizer Gemeinde» in
ihrem Bericht. Unter Cantienis Führung
hat der SGV Anfang der 1990er-Jahre
seine politischeTätigkeit intensiviert. Ein
erster Schritt war die Gründung der Par-
lamentarischen Gruppe «Kommunalpo-
litik», die der SGV heute zusammen mit
dem Schweizerischen Städteverband
(SSV) betreut. In Cantienis Amtszeit fie-
len aber auch die für die Gemeinden
sehr wichtigenArbeiten um die Nachfüh-
rung der Bundesverfassung. Zusammen
mit dem SSV gelang es, den «Gemein-
deartikel» (Art. 50) in der Bundesverfas-
sung zu verankern und die Stellung der
Gemeinden im Bundesstaat aufzuwer-
ten.
«Grenzüberschreitende Ausstrahlung»
Als Mitglied der ParlamentarischenVer-
sammlung des Europarats hatte Can-
tieni oft eine europäische Sicht; so
setzte er sich beispielsweise für die Un-
terzeichnung der Charta der kommuna-
len Selbstverwaltung des Europarates
oder für Partnerschaften mit Gemeinden
in Osteuropa ein. In seinem Rückblick auf
das 40-jährige Bestehen des SGV schrieb
Cantieni imVorwort des Jahresberichts:
«Die politische Ausstrahlungskraft der
Gemeinden und Städte muss aber
grenzüberschreitend sein. Kommunale,
kantonale und Staatsgrenzen sollen
keine Barrieren sichtbar werden lassen.
Angesichts der Notlage unzähliger Län-
der und der anhaltenden Missachtung
der Menschenrechte ist es unsere Pflicht,
unseren Beitrag zur Linderung von Not
und Elend zu leisten. Die angestrebte
Partnerschaft mit Gemeinden in Osteu-
ropa soll ein erster Schritt sein.»
Steff Schneider
Toni Cantieni, Ehrenpräsident
Bild: zvg
des Schweizerischen Gemeindeverbands.