Table of Contents Table of Contents
Previous Page  11 / 56 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 11 / 56 Next Page
Page Background

SCHWEIZER GEMEINDE 5 l 2016

11

POLITIK

möglich zu stellen. Sie hätten sich lau-

fend weiterentwickelt und verfügten

heute über vielfältigeAngebotspaletten.

«Die Initiative stellt im erläuterten Para-

digmenwechsel einen Schritt zurück dar,

indem Elemente wie Gewinnstreben

und Lohnpolitik auf die Zeit zurückge-

setzt werden, als beispielsweise die

PTT noch einTeil der Bundesverwaltung

war.» Der Schritt zurück sei jedoch nicht

vollständig: Die geöffneten Märkte wür-

den nicht wieder monopolisiert, und die

Swisscom würde auch nicht wieder ver-

staatlicht. Neu müsste hingegen die

Grundversorgung bereits auf Gesetzes-

stufe im Einzelnen definiert werden, was

nur sporadische und stark verzögerte

Weiterentwicklungen erlauben würde.

Die Studie zeigt, dass das Anliegen

«Kein Gewinnstreben» von den betrof-

fenen Unternehmen eine neue Hand-

lungsmaxime erfordert. Die Unterneh-

men können statt des Gewinns ihren

Umsatz bzw. ihr Budget maximieren

oder ihre Kosten minimieren. Wird der

Umsatz maximiert, bestehen

geringe Anreize zu Effizienz-

steigerungen durch Kostenre-

duktion, und die Qualität der

Grundversorgung sinkt. Wer-

den die Kosten minimiert, be-

stehen geringe Anreize, die

Qualität bzw. den Umfang der

Grundversorgung weiterzu-

entwickeln. «In beiden mögli-

chen Verhaltensmaximen be-

steht die Gefahr einer Bürokratisierung

der betroffenen Unternehmen, verbun-

den mit ineffizienter Produktion und ho-

hen Kosten», schreiben die Autoren.

Dadurch werde die Wettbewerbsfähig-

keit der betroffenen Unternehmen be-

einträchtigt und der Abgeltungsbedarf

für Leistungen der Grundversorgung

steige. Gewinne würden kurzfristig zu

Preissenkungen führen, denn etwaige

Gewinne sollen über eineVerbesserung

des Preis-Leistungs-Verhältnisses abge-

baut werden. Ohne Gewinn, so die Au-

toren der Studie, würde aber auch der

Unternehmenswert der Unternehmen

beeinträchtigt. Dies mit der Folge, dass

sich private Investoren zurückziehen

würden und es für die Unternehmen

schwieriger würde, Kapital zu erhalten.

Die private Erbringung von Grundver-

sorgungsleistungen werde grundsätz-

lich in Frage gestellt.

Bürokratisierung und Schwächung

Die Autoren der Studie sind überzeugt,

dass die Initiative neben den unterneh-

merischen Auswirkungen generell eine

Bürokratisierung der Unternehmen, tie-

fere Einnahmen der öffentlichen Hand

und eine Schwächung der Grundversor-

gung zur Folge hat.

Durch die beiden Anliegen «Keine Divi-

denden» und «Keine Steuern» würden

wesentliche Quellen zur Finanzierung

staatlicher Tätigkeit versiegen. Die Initia-

tive verbietet den betroffenen Unterneh-

men das Gewinnstreben als Handlungs-

maxime imBereich der Grundversorgung

des Bundes. Das hätte erheb-

liche direkte und indirekte

negative Folgen für den Fi-

nanzhaushalt der öffentlichen

Hand. Gemäss Studie belau-

fen sich die direkten jährlichen

Mindereinnahmen der öffent-

lichen Hand auf ca. 850 Milli-

onen Franken. Die Initiative

hätte eine deutliche Lücke in

der Staatskasse zur Folge und

der Staat müsste entweder mit einem

Leistungsabbau oder Steuererhöhun-

gen reagieren.

Aufgrund der Forderung «Lohnanpas-

sungen» müssten die Kaderlöhne nach

unten korrigiert werden. Dies hätte Kos-

tensenkungen und tiefere Lohnsummen

in den drei direkt betroffenen Bundesun-

ternehmen zur Folge. Allerdings wären

die Kosteneinsparungen gemessen an

der Lohnsumme gering (2% bei der Post,

2,5% bei der Swisscom und 1,5% bei den

SBB). Als Nachteil der Lohnanpassun-

gen würden die betroffenen Unterneh-

men auf dem Arbeitsmarkt weniger

kompetitiv und es würde schwieriger,

qualifizierte und motivierte Mitarbei-

tende einzustellen bzw. zu halten, heisst

es in der Studie.

Folgen für den sozialen Zusammenhalt

Die Autoren haben sich auch mit der

Frage auseinander gesetzt, welchen

Einfluss ein hoher Standard der Grund-

versorgung für den sozialen Zusam-

menhalt des Landes hat. Sie sind über-

zeugt, dass die Initiative zu einem

Investitionsrückgang in den Bereichen

der Grundversorgung des Bundes führt.

Der darauf folgende Leistungsabbau

würde voraussichtlich zuerst die kosten-

intensivsten Bereiche treffen. So könne

es beispielsweise zu einer Ausdünnung

des Poststellennetzes kommen. Betrof-

fen wären als erstes Zugangspunkte in

dünner besiedelten Gebieten, was die

Rolle der postalischen Zugangspunkte in

der Förderung des inneren Zusammen-

haltes einschränken würde, da sie diese

Funktion gerade in ländlichen, wenig

besiedelten Gebieten entfalten. Auch im

Bahnsektor würde der Abbau die Quali-

tät auf Bahnstrecken betreffen, die we-

nig genutzt werden. Das sei, so die Au-

toren der Studie, negativ für den inneren

Zusammenhalt, weil Bewohner von ab-

gelegenen Regionen noch stärker von

anderen Regionen abgeschnitten wür-

den.

DieAutoren kommen zum Schluss, dass

die betroffenen Unternehmen durch die

Volksinitiative ihre Wettbewerbsfähig-

keit einbüssen würden: «Gerade diese

ist heute zentral und hauptverantwort-

lich für die Erfolgsgeschichte der Grund-

versorgung in der Schweiz.»

Steff Schneider

Download Studie:

www.tinyurl.com/studie-service-public

Die Initiative

würde das

Gegenteil

dessen

bewirken,

was sie

beabsichtigt.

fast 60 Prozent zugenommen.

Bild: SBB AG