GOLF TIME
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2-2016
5
EDITOR’S
INTRO
COVERBOY
So, wie er daherkommt, ist er alles andere als verrückt: Er raucht
nicht, er rührt keinen Tropfen Alkohol an, er watschelt mit bis oben hin zuge-
knöpftem Poloshirt über die Fairways, rettet sich mit stoischer Ruhe aus brenzligen
Situationen und praktiziert den christlichen Glauben durch gelebte Nächstenliebe.
Dennoch: Normal ist er nicht, der Texaner Gerry Lester Watson, kurz „Bubba“
gerufen, der zweifache Masters-Sieger (2012 & 2014) und derzeit die Nummer 4 der
Weltrangliste. Nein, normal ist der inzwischen 37-Jährige nicht, und das ist auch
gut so. Farblose Typen laufen genug in der Szene herum.
Es muss ja nicht gerade ein pinkfarbener PING-Schläger sein, um explizit aus
der Rolle zu tanzen. Aber wenn er in blauer Latzhose und nacktem Oberkörper in
dem Musik-Video „Oh Oh Oh“ der „Golf Boys“ herumhüpft, spätestens dann
weiß man, dass der Junge anders gestrickt ist. Er sagt, was er denkt, er denkt, was
ihm gefällt, und ihm gefällt, was er macht. In Interviews überrascht er durch
unorthodoxe Antworten, auf dem Golfplatz brilliert er durch unorthodoxe Schläge,
und im wirklichen Leben verblüfft er durch unorthodoxes Auftreten.
So ist das nun einmal mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten: Wo Genie
zu finden ist, da gibt es auch Wahnsinn. Es ist kein Geheimnis, dass Watson
wunter ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom) leidet.
Keine Angst, die Krankheit ist unter Künstlern und Sportlern weit
verbreitet, Genies wie Einstein, Shakespeare oder Mozart, aber
auch der früh verstorbene Payne Stewart hatten ADHS.
So ist vielleicht zu erklären, dass der Linkshänder, der nie
eine Trainerstunde im klassischen Sinne bekommen hat, zu
den ganz Großen der Golfwelt zählt. Und so ist vielleicht auch
zu verstehen, dass dem zweifachen Masters Champion der
„Spaß am Golf“ wichtiger ist als das grüne Jackett.
Zum jüngsten Interview haben wir Bubba Watson in New
York getroffen, und auch da waren seine Antworten unorthodox
wie eh und je: „Die meisten kennen mich nur aus dem Fernsehen...
in Wirklichkeit bin ich eine noch viel größere Show“ (Cover-Story ab Seite 28).
Dass ein Genie auch wahnsinnig normal sein kann, beweist Bubbas Antwort auf
das Thema „US-Niederlagen und Ryder Cup“: „Es wäre schön, wenn Europa etwas
weniger knausrig sein könnte und uns irgendwann mal wieder gewinnen lässt...“
In diesem Sinne,
Ihr
Genie
und Wahnsinn
OSKAR BRUNNTHALER
Chefredakteur
»Wichtiger als ein
drittes Green Jacket
ist BubbaWatson
einfach der „Spaß
amGolf“ – die beste
Voraussetzung für
einen dritten
Masters-Sieg«