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GOLF TIME
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4-2017
www.golftime.deGÖTZ SCHMIEDEHAUSEN
Seit 2011 Mitarbeiter bei
GOLF TIME. Vertritt die These,
dass Golfer ab einem gewissen
Grad des Wahnsinns auch ohne
bewusstseinserweiternde
Substanzen in den Genuss von
Träumen kommen können, die
dem Kopf von Salvador Dalí
entsprungen sein könnten.
GÖTZ
ZITAT
E
igenartiges Gefühl in der Magen-
gegend. Irgendetwas zwischen flau
und das Fischcurry vom Inder
bereitet sich auf seine Reinkarna-
tion vor. Bei den Probeschwüngen vor dem
Turnierstart scheint Bewegung in die Sache
zu kommen. Nicht gut.
Ist das überhaupt der richtige Golfplatz? Das
Fairway wirkt vom Abschlag so beengt wie
meine Kehle, in der ein Kloß von der Größe
eines Golfballs zu stecken scheint. Hoffent-
lich ist es kein teures Modell. Habe Angst zu
schlucken.
Ich melke den Griff meines Drivers mit
Hingabe. Sergio García würde weinen vor
Glück. Vielleicht kaufe ich mir mal eine Kuh.
Das würde meiner Grifftechnik sicher gut-
tun.
Hastig packe ich den Driver weg. Das Fair-
way weist nun die Enge eines Bleistiftstriches
auf. Ich erwürge erst mein Holz 3, dann
läuft das Eisen 5 blau an. Ich frage mich, was
so ein Putter vom Tee zu leisten imstande
ist? Verwerfe den Gedanken. Die Getränke-
preise im Clubhaus sind nicht von schlechten
Eltern.
Sind das Urlauber, die sich da im Sand-
hindernis um die besten Liegeplätze balgen?
Was heißt da Sandhindernis? Das ist ein
Strand. Und ganz bestimmt kein kleiner.
Ich habe ein Handtuch an meiner Golftasche
befestigt. Wenn ich jetzt loslaufe, schaffe ich
es vielleicht, mir noch vor den Engländern
einen guten Platz zu sichern.
Warum redet niemand mehr mit mir? Ach
richtig, beim Abschlag müssen alle schwei-
gen. Etikette. Sehr wichtig. Beim Blick in
die Runde kann ich den Alterungsprozess
meiner Mitspieler beobachten. Aus dem
jungenMannwird ein älterer, gebeugterHerr.
Trotzdem bewegt er sich nicht. Die Dame
neben ihm wagt nicht einmal zu blinzeln.
Seit Stunden, seit Tagen, seit Jahren. Ich bin
tief beeindruckt.
Plötzlich fliegt mein Ball schnurgerade
davon und zerteilt das Fairway wie ein heißes
Messer eine Kugel Vanilleeis. Dabei kann
ich mich an keinen Schlag erinnern. Die
Wolken am eben noch tristen, grauen Him-
mel reißen auf. Gleißende Sonnenstrahlen
schießen auf uns herab wie Laserblitze im
Krieg der Sterne. Möge die Macht mit mir
sein. Tausende Zuschauer johlen entlang der
Absperrseile. Mein Schläger, mein Schwung,
mein Ball, der Platz, das Loch – wir sind
alle eins. Ich habe den Zielcomputer ausge-
schaltet. Obi Wan hat es mir befohlen.
Ein Birdie-Gewitter bricht über mich herein.
Auf meiner Scorekarte tummelt sich mehr
Federvieh als im Weltvogelpark Walsrode.
Die Geschichtsbücher müssen umgeschrieben
werden. Breaking 70? Also bitte! Breaking
60? Alter Hut! Breaking 50! So schaut es mal
aus!
Wo ist ein Mitarbeiter von Guinness, wenn
man ihn braucht? Auch der Speedgolf-
Rekord wird heute gebrochen. 18 Loch in
gefühlten 60 Sekunden. Usain Bolt platzt
vor Neid.
Ich wache schweißgebadet auf. Durch meinen
Kopf schwirren vereinzelte Wortfetzen. Ich
erinnere mich an eine Bruttorede, die
live auf n-tv übertragen wurde. Der Wecker
zeigt 5 Uhr 48 an. In vier Stunden schlage
ich beim Monatspreis ab. Mein Magen
rumort schon wieder. Dabei hatte ich gar
kein Fischcurry …
GT
Das passiert alles
nur in meinemKopf
»Ich melke den
Griff meines Drivers
mit Hingabe.
Sergio García würde
weinen vor Glück.
Vielleicht kaufe ich
mir mal eine Kuh.
Das würde meiner
Grifftechnik sicher
guttun«