GOLF TIME 6/2018 als E-Paper

GÖTZ ZITAT

Handicap: komplette Beratungsresistenz

I ch kannte mal einen lustigen Typen, der ge- rade erst seine Liebe zum Golfsport entdeckt hatte. Er erinnerte mich immer an Fonzy, den coolen Jungen aus der Serie „Happy Days“. Nach seiner Platzreifeprüfung kaufte sich dieser Fonzy ein gefittetes Schlägerset, welches ihm sein Golf- lehrer ans Herz gelegt hatte. Der Driver stammte von einer der Firmen, deren Keulen nur auf dem Papier mit zehn Grad Loft und Stiff-Schaft aus- gewiesen werden, die in Wirklichkeit jedoch mit 13 Grad und einem entspannten Regular-Flex daher- kommen. Die Eisen sahen zwar potthässlich aus, aber die massigen Schlägerköpfe mit den breiten Sohlen sorgten dafür, dass dem begeisterten Golf- anfänger viele der Fehler verziehen wurden, die ein Neugolfer eben so zu machen pflegt. Schon bald stellten sich erste Erfolgserlebnisse ein. Dank seiner Sportlichkeit ballerte Fonzy seine Drives trotz seines Anfängerschwungs bis an die 200 Meter-Marke und seine „großkopfer- ten“ Eisen sorgten dafür, dass er anschließend so manches Grün traf. Nach nur einer Saison spielte Fonzy ein solides Handicap 20, ein weiteres halbes Jahr später benötigte er selten mehr als 90 Schläge für eine Runde. Dann jedoch verdrehten dem durch und durch golfbegeisterten Fonzy nicht eine, sondern gleich 14 Schönheiten den Kopf. Noch nie hatten die Augen des jungen Mannes derart schlanke und zarte Gestalten erblickt wie diese Schläger, die ein japanischer Meister geschmiedet hatte. Schlag- artig war es um Fonzy geschehen. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an diese metall- gewordenen Kunstwerke. Und obwohl seine Bälle noch immer lang und gerade flogen, verspürte er bei jedem Griff nach seinen klobigen Schlagwerk- zeugen einen Anflug von Ekel. Nicht lange nach dieser Begegnung überrreichte der Postmann Fonzy ein schweres Paket. Mit klopfendem Herzen öffnete er die Verpackung und sofort verschlug es ihm beim Anblick des Inhaltes den Atem. Die aus einem Stück ge- hauenen Eisenköpfe wirkten zerbrechlich und ehrfurchtgebietend zugleich. Der neue Dri- ver hatte acht Grad Loft und sein Schaft war so

unbeugsam wie die Samurai, aus deren Land die edlenWaffen stammten. Voller Freude bewunderte Fonzy schließlich seinen neuen Bulls-Eye-Putter mit dem winzigen Kopf und dem mikroskopisch kleinen roten Punkt als Zielhilfe. Stolz präsentierte Fonzy mir seine Schätze vor der Runde, die er für kaum 2.000 Euro auf eBay ersteigert hatte. Dass sein erster Drive des Tages selbst dann einen Zwergdackel erschlagen hätte, wenn dieser flach auf dem Fairway gekauert wäre, schien Fonzy gar nicht wahrzunehmen. Auch als das beeindruckend große Grasschnitzel, geschla- gen von seinem hauchdünnen Eisen 5, weiter flog als der Ball, tat dies seiner Begeisterung keinen Abbruch. Auf den folgenden 18 Bahnen musste ich schließlich mehr Fremdschäm-Momente erleiden als bei einem „Bauer sucht Frau“-Fern- sehmarathon. Denn Fonzy wurde trotz seines mitleiderregenden Rumgehackes nicht müde, die Rasse und Klasse seiner neuen Schläger zu lob- preisen. Wenn ihm dann wirklich mal ein halb- wegs gelungener Schlag rausgerutscht war, hielt er mir postwendend triumphierend grinsend sei- nen Zauberstab unter die Nase. In seinen Augen blitzte dabei eine Form von Wahnsinn auf, die eigentlich nur fanatischen Sektenmitgliedern und Selbstmordattentätern vorbehalten sein sollte. Noch zwei- oder dreimal gingen wir gemeinsam auf die Runde. Natürlich spielte Fonzy weiterhin diese völlig humorlosen Blade-Eisen und den wohl fehlerunverzeihendsten Driver, der je gebaut wurde. Ich quasselte mir den Mund fusselig und wies ihn darauf hin, dass die Schlägerköpfe nicht für einen Handicap-16-Spieler mit zwei Jahren Golferfahrung konzipiert worden waren. Zudem gäbe es Schäfte, die mehr Flexibilität als ein han- delsübliches Stück Bahngleis aufweisen würden. Doch keine Chance. Seit einigen Wochen ist Fonzy aus dem Club verschwunden. Gerüchte besagen, dass die Greenkeeper ihn davongejagt hätten. Mir ist es egal, denn ich bin verliebt. In meinen neuen Driver. Der wurde nach einem Personal Fitting individuell für mich gebaut. Der richtige Schaft, das perfekte Kopfgewicht und eine Schlagfläche, die meinen chronischen Slice begradigen kann. Ach ja, schön ist er auch noch! Gt

Götz SchmiedehauSen Die in diesem Beitrag porträtierte Person ist rein fiktiver Natur. Sollten Sie sich doch in irgendeiner Form wiedererkennen, dann nur so viel: „Schmeiß endlich dieses nutzlose Altmetall weg, sonst spiele ich nie wieder Golf mit dir!“ »Stolz präsentierte mir Fonzy seine Schätze, die er für kaum 2.000 Euro auf eBay ersteigert hatte. Dass sein erster Drive des Tages selbst dann einen Zwergdackel erschlagen hätte, wenn dieser flach auf demFairway gekauert wäre, schien er gar nicht wahrzunehmen«

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