CellitinnenForum_04_20

TITELTHEMA

Demenz und das Zuhause-Gefühl

Zu Hause bleiben oder in eine Senioren- einrichtung umziehen – das ist für Menschen mit Demenz und ihre Familien eine schwere Entscheidung. F rau M. lebte bis gestern noch in ihrem Haus in ei- nem Bonner Stadtteil. Sie hat eine Demenz, die sich seit drei Monaten deutlich verschlim- mert. Trotz der Unterstützung ei- nes ambulanten Pflegedienstes verbringt sie viel Zeit alleine, kann sich nicht mehr selbst beschäfti- gen, trinkt und isst zu wenig. Mit ih- rem Sohn Max entschied sie, dass sie nicht mehr Zuhause leben kann. Heute ist Frau M. in ein Senioren- haus eingezogen. Sie ist aufgeregt und bewegt sich unsicher in ihrem neuen Zimmer. Für demenzbetrof- fene Menschen gleicht ein Umzug aus ihrer gewohnten Umgebung einer ‚Entwurzelung‘. Oft hat sich der Bewegungsradius aufgrund der Demenz deutlich verkleinert, so dass nur die direkte Umgebung, das Haus oder der Garten genutzt werden konnten. Aufgrund der kognitiven Einbußen wiegt ein Umzug umso mehr – es ist das Verlassen der persönlichen Hei-

mat. Drei Monate später: Frau M. fühlt sich wohl in ihrem Zimmer, das mit persönlichen Gegenstän- den und Bildern eingerichtet ist. Sie sitzt in ihrem Ohrensessel und schaut Fotos im Familienalbum an. Das Erinnern von schönen Erlebnis- sen sorgt für Sicherheit. Mit Hilfe der Fotos kommt sie leicht in eine gute Stimmung. Eine überschaubare Gruppe von zehn Mitbewohnern und der gemütliche Raum haben ihr das Ankommen erleichtert. Aufgabe der Mitarbeiter ist es, eine positive Atmosphäre und Kontaktmomente zu schaffen, die dem Menschen vermitteln, angenommen zu sein.

Oft weiß man nicht, in welchen Gedanken oder Gefühlen sich der Mensch gerade befindet, beson- ders dann, wenn es um krisenhafte Situationen geht. Dann ist es wich- tig, Anknüpfungspunkte zu nutzen, um über Musik, Sprichwörter und vor allem Humor einen Kontaktmo- ment zu initiieren. Es sind tatsäch- lich oft ‚nur‘ die einfachen Dinge, wie ein freundlicher Blick, die dem Demenzbetroffenen das Gefühl des Angenommenseins vermitteln. Wenn es Menschen gibt, die über ihre Präsenz und kreative Ideen für Beschäftigung sorgen, kann sich ein Zuhause-Gefühl entwickeln. (T.N.)

CellitinnenForum 04 | 2020 19

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