CellitinnenForum_04_20

KOMPETENZ

P rominente Menschen wie Albert Einstein und Charles de Gaulle sind an einem Bauchaortenaneurysma verstor- ben“, weiß Dr. Thomas Nowroth, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirur- gie am St.Vinzenz-Hospital in Köln- Nippes. Auch heute noch ist die innere Blutung bei durchbroche- nem Aneurysma der Hauptschlag- ader eine sehr häufige Todesursa- che in Europa und den USA. Bei einem Bauchaortenaneurysma ist die Bauchschlagader über drei Zentimeter und mehr erweitert. Zumeist sind ältere Menschen be- troffen: „Die Wahrscheinlichkeit liegt für den über 65-Jährigen bei 2,7 Prozent und für den über 75-Jähri- gen bei bis zu 5–7 Prozent. Männer sind neunmal häufiger als Frauen betroffen“, erläutert Nowroth. Da die Betroffenen in der Regel keine Beschwerden haben, wer- den über 80 Prozent der Bauch­ aortenaneurysmen als Zufalls­ befund bei einem Bauchultraschall zur Abklärung anderer Erkrankun- gen entdeckt. Aus diesem Grunde

empfiehlt die Fachgesellschaft DGG (Deutsche Gesellschaft für Gefäß- medizin) flächendeckende Ultra- schall-Screening-Untersuchungen bei über 65-jährigen Männern. Sollte der Durchmesser des Aneurysmas bereits 5,5 Zentimeter überschritten haben oder werden Beschwerden beobachtet, so ist eine zeitnahe Ausschaltung des Aneurysmas anzuraten.Neben der herkömmlichen offenen Operation, welche schon seit über 60 Jahren erfolgreich durchgeführt wird, gibt es mittlerweile die Möglichkeit der minimal-invasiven Stentimplantati- on. Eine solche Stentimplantation ist dann möglich, wenn bestimm- te anatomische Voraussetzungen gegeben sind. Dank der Fortschrit- te der modernen Medizin können mittlerweile fast 70 Prozent aller Aneurysmapatienten mit einem Stentverfahren und damit ohne offene Operation versorgt wer- den. Weil kein Bauchschnitt mehr notwendig ist, sinken die Risiken und die Verweildauer in der Klinik. Zum Abschluss dieses mini- mal-invasiven Eingriffs wird das

Punktionsloch in der Wand der Leistenschlagadern in geeigneten Fällen durch spezielle Gefäßnähte verschlossen. Durch diese perku- tanen Verschlusssysteme ist es möglich, die komplette Stentim- plantation in die Hauptschlagader nur durch Punktion beider Leis- tenschlagadern durchzuführen, ohne überhaupt einen Hautschnitt durchführen zu müssen. „Nicht zuletzt dadurch“, so be- tont Nowroth, „ist durch dieses minimal-invasive Verfahren der Patientenkomfort deutlich erhöht.“ Auch sei eine normale körperliche Belastbarkeit zeitnah wieder mög- lich. Studien haben ähnlich gute Ergebnisse für beide Methoden in einem Beobachtungszeitraum von 15 Jahren gezeigt, so dass dieses moderne minimal-invasive Stent- verfahren gegenüber der offenen Operation sich als ein ebenbürti- ges Verfahren darstellt. Auf eine Besonderheit des Stent- verfahrens muss aber abschlie- ßend noch hingewiesen werden. „Bei den Verlaufskontrollen sind häufiger CT-Nachuntersuchungen notwendig als nach der offenen Operation, um mögliche Undich- tigkeiten des Aortenstents zu er- fassen. Diese können in einigen Fällen im weiteren Verlauf zu- sätzliche Katheterbehandlungen notwendig werden lassen. Dadurch kann für den Patienten eine höhere Strahlenbelastung gegenüber dem herkömmlichen offen-operativen Verfahren entstehen.“ (K.M.)

Grafik: GettyImages/medicalstocks

Aneurysmagröße

Rupturrisiko pro Jahr

Zusammenhang zwischen Quer- durchmesser und Riss-Risiko/Jahr bei Vorliegen eines Bauch- Aortenaneurysmas (modifiziert nach Debus/Gross-Fengels 2012)

< 4 cm 4–4,9 cm 5–5,9 cm 6–6,9 cm 7–7,9 cm > 8 cm

 0,3%  1,5%

10 % 23 % 33 % 50 %

CellitinnenForum 04 | 2020 45

Made with FlippingBook - Online magazine maker