Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 4/2017

MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG

Freiraum öffnet den eigenen Weg zur Veränderung Reiz → Raum → Reaktion : MI gibt uns den benötigten Zugang zum förderlichen Ge- staltungsraum des Veränderungsprozesses. Die Entwicklung patienteneigener Ziele auf Grundlage von DARN & RULE wird quasi „katalysiert“. Durch die von Empathie geprägte Haltung und den konstruktiven Umgang mit auftretenden Widerständen geleiten wir den Patienten in Richtung der zu ihm passenden Veränderung ( → Change Talk ): Er selbst steckt sich das Ziel (Selbstverpflichtung), gemeinsam bestimmen wir den Weg. ABBILDUNG 3: Reiz → Reaktion : ImMedikationsprozess wiegt jeder Patient die Pro- und Kontra-Positionen permanent ab. Hemmende „Kurzschlüsse“ im Gesprächsverlauf resul- tieren aus starken Reizen, auf die der Patient schnell mit Widerstand reagieren kann. Der Prozess wird abgebrochen und die förderliche Verhaltensänderung bleibt aus. Ergebnis belastendender Kontakt und Frustrationserlebnisse auf beiden Seiten.

Empower – Ticket zur Genesung

Für eine erfolgreiche Therapie muss der Patient selbst das Ruder in die Hand neh- men und sich auf den Weg machen, wir geleiten ihn dabei. Wenn der Patient selbst laut darüber nachdenkt, was zu ihm passt und sagt, dass er Schritte unternehmen möchte, ist das das Signal für uns, Optio- nen anzubieten und mit ihm darüber ins Gespräch kommen. Wir sind hier bildlich gesprochen der Reiseberater und statten ihn mit den für ihn passenden Reisemate- rialien aus. Er wählt aus und entscheidet und wir sprechen von einer Selbstver- pflichtung (vgl. Abb. 4). Ich unterhalte mich unter Maßgabe von RULE mit dem Patienten und stelle Fra- gen (Understand) mit dem Ziel, ganz bestimmte Informationen zu erhalten (Listen). Dabei interessiert mich insbe- sondere, welche Wünsche ( D esire), Fähig- keiten ( A bility), Argumente ( R eason) und Bedürfnisse ( N eed) mit einer Heilung für den Patienten (bewusst oder unbewusst) in Zusammenhang stehen. Ein großer Vorteil ist an dieser Stelle, dass Sie den Patienten aus dem Apothe- kenalltag möglicherweise schon gut ken- nen. Diese Kenntnis individueller Fakten, Eigenschaften und Vorlieben erleichtert es uns, für den Patienten die entscheidenden DARN -Aspekte mit der wünschenswerten Verhaltensänderung zu verknüpfen. So gelingt es leichter, Therapievariationen auszuarbeiten und alternative Wege vor- zuschlagen (gegebenenfalls in Absprache mit dem Arzt oder anderen Therapiebetei- ligten), die für den Patienten gut annehm- bar sind und ebenfalls zum Ziel führen. Hier verdeutlicht sich ebenfalls die Stärke der Medikationsanalyse als kontinuierli- cher Prozess: Wir können von Termin zu Termin den Patienten besser kennenler- nen, Anknüpfungspunkte entdecken und darauf aufbauen, den Change Talk mit Hil- fe von DARN hervorlocken und bis hin zu Selbstverpflichtung und konkreten Schrit- ten weiter entwickeln (vgl. Abb. 5). Veränderungsmotivation – Auf der Suche nach DARN

Veränderungs- bereitschaft

Reaktion hohe Eigenmotivation, wenige/gelöste Widerstände, offener für die eigene Entwicklung, begründete Zuversicht, flüssigere Kommunikation

+10

+5

Reiz

0

demotiviert, belastende Kommunikation, hohe Widerstände, eine gesundheitsförderliche Veränderung bleibt aus

-5

Reaktion

-10

Zeit

mitinspiriert von der Logotherapie / Viktor Frankl sowie Hinnerk Polenski

Motive des Patienten ( → DARN ) heraus- hören. Zuhören verschafft den Raum, aus dem heraus sich eine Verhaltensänderung erreichen lässt. Ohne diese Raumgabe lau- fen Prozesse nicht selten so ab: Frühzeitig wird viel gesprochen, Gesprochenes ist nicht annehmbar und wird „zerredet“, die Stimmung leidet, der Patient (und auch der Apotheker) geht zügig in den Widerstand und dasmögliche Ziel wird ebenso verfehlt wie der an sich offene Weg. Raumgabe er- möglicht den Zutritt zu neuen, konstruk- tiven Ebenen im gemeinsamen Aufstieg (Abb. 3).

Listen – Zuhören 2.0

Für gewöhnlich sind die Rollen klar verteilt: Wenn der Patient uns in einer gesundheit- lichen Fragestellung konsultiert, teilen wir unser Wissen mit, beraten den Pati- enten und er hört uns zu. Im Unterschied dazu sind wir im Falle einer angestrebten Verhaltensänderung des Patienten auf Auskünfte vom Patienten angewiesen. Zuhören ist eine Kunst, die nicht allein im Stellen der richtigen Fragen und dem Abwarten einer Antwort besteht. Im Rah- men des MI wollen wir insbesondere die

DARN • D esire: • A bility: • R eason:

Wunsch heraushören (will, würde, wünschte) Fähigkeiten ausleben, wiedererlangen (könnte) greifbare/konkrete Argumente (bräuchte, würde wenn) Bedürfnisse, Notwendigkeiten (sollte, muss, sollte mal wirklich)

Diskrepanzen wahrnehmen

• N eed:

In der weiteren Unterhaltung (möglicher- weise mit zeitlichem Abstand) zeige ich

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