Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 4/2017

MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG

• Zuhören , um eine Atmosphäre des Re- spekts und Miteinanders zu schaffen sowie dem Ratsuchenden zu signali- sieren, dass zum Erreichen seiner Ziele ein maßgeschneidertes Hilfsangebot gemacht werden soll ( RULE ) • Fragen , um herauszufinden, wie die Gesundheit des Patienten mit seinen Motiven verknüpft ist und welche The- rapieoptionen zu ihm passen ( DARN ) • Informieren , um verschiedene Mög- lichkeiten aufzuzeigen, aus denen der Patient wählen darf ( Change Talk ) Fragen, Informieren und Zuhören tauchen wie bereits erwähnt in den Kommunika- tionsstilen in unterschiedlicher Gewich- tung auf. Die zugrundeliegende Intention prägt die Frage oder Aussage und bewirkt, dass entweder im Sinne des Folgens, Ge- leitens oder Lenkens gearbeitet wird: „Wie oft rauchen Sie?“ (Lenken) „Welche Art von Veränderung schwebt Ih- nen vor?“ (Geleiten) „Was hat Sie dazu gebracht, erneut über das Aufhören nachzudenken?“ (Folgen) Ähnlich verhält es sich mit dem Informieren: „Am besten Sie machen einen kalten Ent- zug!“ (Lenken) „Ein Pflaster entspräche ihrem Wunsch, die Kippen sofort los zu sein. Wenn Sie auf ihre Saunagänge nicht verzichten wollen, böte sich alternativ das Spray an – was halten Sie von diesen Optionen?“ (Geleiten) „Sie sind nicht der einzige, dem es schwer fällt. Einige, die nach so langer Zeit aufge- hört haben, waren von sich selbst über- rascht und berichten über eine ganz neue Lebensqualität.“ (Folgen) Die Intention macht den Stil Und selbstverständlich auch mit dem Zuhören: „Dass Sie mir das so beschreiben zeigt, Sie sind bereit für eine weitere Reduktion der Pflasterstärke.“ (Leiten) „Sie machen sich Sorgen, dass es zu schnell gehen könnte? Was würde Ihnen helfen diese Sorgen zu reduzieren?“ (Geleiten) „Ich freue mich, dass ihre Familie es so po- sitiv aufgenommen hat. Was haben Sie noch gesagt?“ (Folgen)

Jeder Kommunikationsstil sendet eine eigene Botschaft an den Patienten: • Folgen will Informationen gewinnen, ist unaufdringlich und signalisiert dem Patienten die Akzeptanz gegenüber seiner Position. Es herrscht keinerlei Zwang und der Patient bestimmt das Tempo. Besonders geeignet ist der Stil für das Überbringen einer schlechten Nachricht oder für den Beistand in Trauer oder Leid. • Geleiten will den Patienten zu dem für ihn persönlich passendsten Lösungs- weg verhelfen, es ist unaufdringliche Lösungshilfe, indem es passende Ent- scheidungsmöglichkeiten erarbeitet und anbietet, vergleichbar mit der Ar- beit eines Tutors oder Reiseberaters. • Lenken will Sicherheit gewährleisten, indem klare Ansagen gemacht werden, was bei einer entsprechenden Erwar- tungshaltung auf Seiten des Patienten (und dem Willen sich an den gegebe- nen Rat zu halten) mitunter der kürzes- te Weg zum Ziel sein und in Notsituati- onen das Überleben sichern kann. Alle drei Stile sind im Alltag wichtig, da sie es uns ermöglichen, angepasst an die Si- tuation auf unterschiedliche Art und Wei- se zu helfen. Ein jeder Stil hat somit seine Berechtigung in der Patientenversorgung. Die motivierende Gesprächsführung ver- feinert das Konzept des geleitenden Kom- munikationsstils. Dabei rückt das MI be- stimmte Punkte außerhalb des Geleitens in den Fokus: • MI ist immer konkret zielorientiert . Mit einer bestimmten Verhaltensänderung im Sinn leitet der Helfer den Patienten sanft dazu an, darüber nachzudenken, warum und wie dieses Ziel verfolgt werden kann. • MI richtet besonderes Augenmerk auf die Ausdrucksweise des Patienten und will Change Talk hervorlocken. • MI beinhaltet den strategischen Ein- satz therapeutischer Methoden , um zusätzlich auf die Verhaltensänderung hinzuwirken. Der geleitende Kommunikationsstil

die Hintergründe seiner Motivation. Erst einmal nur hören. Gemäß der empirisch ermittelten Faustformel werden Patien- ten im Schnitt nach 20 Sekunden vom Profi unterbrochen (vgl. Abb. 3). Sprechen können wir anschließend immer noch. Wann immer wir diese Motive ( DARN ) heraushören, verstärken und spiegeln wir sie. Aufgrund der Formulierung seiner Wünsche erkennt der Patient die Diskre- panz in seinem Verhalten und ist bereit, sich von unserem Rat zur ersten Stufe von Change Talk geleiten zu lassen, der Selbst- verpflichtung . Es handelt sich um die Ab- sichtserklärung des Patienten, etwas zu ändern, was er auch schon konkret be- nennen kann. Wenn der Patient schließ- lich davon berichtet, was er getan hat und davon berichtet, was er aus der Selbstver- pflichtung heraus umgesetzt hat, ist die zweite Stufe erreicht ( konkrete Schritte ). Daraus resultiert letztlich die nachhaltige, intrinsische Verhaltensänderung und wir sind einen großen Schritt weiter im Medi- kations- oder Heilungsprozess (vgl. Abb. 4 und Comic C). Um vorhandene praktische Erfahrung zu nutzen und in das Erlernen der MI mit einzubeziehen, ist es nützlich, sich drei im Gesundheitswesen (und auch im persönli- chen Alltag) zentrale Kommunikationssti- le ins Bewusstsein zu rufen: Folgen, Gelei- ten und Lenken. Jeder der drei hat sein eigenes Ein- satzgebiet in der Verfolgung bestimmter Ziele. In der richtigen Mischung führen sie zum übergeordneten Ziel. Es ist sinnvoll, in diesem Zusammenhang von „Stil“ zu sprechen, denn mit zunehmender MI-Pra- xis entsteht ein bestimmtes Gefühl der Leichtigkeit, da Sie mit dem Patienten we- niger Kämpfe austragen. Das ist vergleich- bar mit einer Tanzhaltung. Im MI wird in diesem Kontext gerne davon gesprochen, dass wir nicht „ringen“ sondern „tanzen“ wollen. Die Stile nutzen stets eine Mischung der drei Fertigkeiten Zuhören, Geleiten und Lenken, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung. Folgen nutzt schwerpunkt- mäßig das Zuhören, Geleiten wird von einem ausgewogenen Verhältnis der drei geprägt und Lenken informiert den Pati- enten klipp, klar und direktiv. Nicht Ringen, sondern Tanzen

Der Kommunikationsfertigkeits-Mix des MI nutzt:

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