Blickpunkt Schule 5 2025
pflogenheiten der Gegenwart wieder geben. Eine fundierte Auseinander setzung mit den Normen der Ver gangenheit ist sinnvoll, aber ohne den üblichen Empörungsgestus. ? Das HMKB hat den Gebrauch des Genderns in Form von Sonderzeichen untersagt. Wie stehen Sie hierzu? Ich halte das für absolut hilfreich, weil das Gendern nicht zu den sprach lichen Veränderungen gehört, die naturwüchsig auf Grundlage eines veränderten Sprachgebrauchs ent standen sind. Es handelt sich vielmehr um das erzieherische Projekt einer kleinen Gruppe linker Akteure, die die Wirklichkeit im Sinne ihrer eigenen Ideologie transformieren möchten. Wirklichkeit wird dabei auch als Folge eines Sprechaktes verstanden. Wer die Sprache beherrsche, so die These, könne auch die Wirklichkeit in seinem Sinne gestalten. Zunächst folgten die sprachlichen Neuerungen einer Emanzipations agenda. Dass Frauen beim generischen Maskulinum unsichtbar gemacht wür den, geht auf feministische Sprach wissenschaftlerinnen wie Luise Pusch zurück. 1984 veröffentlichte die Lin guistin das Buch ‘Das Deutsche als Männersprache’. Ein Ergebnis der darauf folgenden Debatte war das ausdrückliche Benennen von weib- lichen und männlichen Personen im Sinne von »meine Damen und Herren«, »liebe Bürgerinnen und Bürger«. Eine zweite Zuspitzung erfolgte vor einigen Jahren im Zuge einer Infrage stellung der biologischen Zweige schlechtlichkeit. Die amerikanische Philosophin Judith Butler hatte in ihrer 1990 herausgegebenen Mono grafie ‘Gender Trouble’ versucht, Geschlecht als reinen Sprechakt, unabhängig von der Materialität des Körpers, zu definieren. Sie war zu nächst nicht sehr erfolgreich damit, weil es Widerspruch von Feministin nen gab, doch auf lange Sicht konnte sich ihre Botschaft durchsetzen. Die Sonderzeichen der ‘gendergerechten’ Sprache stehen jetzt allerdings nicht mehr im Dienste einer Sichtbar-
wird das Adjektiv ‘schwarz’, wenn es Menschen betrifft, mit großem S geschrieben, um die vermeintliche Opferperspektive schwarzer Men schen sichtbar zu machen. Weiß wird kursiv geschrieben, um eine angebliche Täterperspektive zu markieren. Da hinter steht die Auffassung, Weiße seien immer intrinsisch rassistisch und Schwarze seien stets Opfer einer ‘strukturell rassistischen’, weil von Weißen dominierten, Gesellschaft. Man kann solche politisch-kulturel len Kapriolen in einer Subkultur durchaus pflegen, aber die offizielle Sprache, die ja auch in der Schule ver mittelt wird, sollte frei von jedweden ideologischen Vorgaben sein. Das impliziert auch eine Absage an ein Laisser-faire. Wer zulässt, dass jeder so spricht und schreibt, wie er möchte, kann letztendlich keine Rechtschreib regeln mehr vorgeben. Was das für die Sprachkompetenzen junger Menschen bedeuten würde, liegt auf der Hand. ? Antisemitische Vorfälle an hessischen Schulen gibt es immer wieder. Was wünschen Sie sich in diesem Zusammenhang von Lehrerinnen und Lehrern? Was von der Politik? Lehrkräfte sollten in die Lage versetzt werden, gegenzuhalten und im Sinne der Aufklärung tätig zu werden. Ich weiß, dass dies sehr schwer ist, weil Antisemiten teilweise sehr aggressiv sind und es eine Reihe von beunruhi genden Vorfällen an Schulen gab. Dazu kommt aber auch, dass es dem päda gogischen Personal oft an profunden Kenntnissen über die Hintergründe von Judenhass und Antisemitismus sowie der Geschichte Israels mangelt. Wissen über den Holocaust allein reicht nicht mehr aus, weil ein großer Teil der anti semitischen Vorfälle im Kontext von israelbezogenem Antisemitismus steht. Hier können spezifische Fort- bildungen helfen. Wichtig wäre aber auch, dass Lehrkräfte mit den Proble men nicht alleine gelassen werden. Schulleitungen, Schulämter und Minis terien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und klare Richtlinien verabschieden und durchsetzen.
ZUR PERSON
Titelthema
machung des Weiblichen, sondern folgen der Butlerschen Sprechakt Ideologie, die in erster Linie auf die Abschaffung der biologischen Kate gorien ‘Mann’ und ‘Frau’ zielt. Im Begriff ‘gendergerecht’ wird deutlich, dass nicht gegenderte Sprache per se als ungerecht verstanden wird – und darum geht es im Kern. Die von Butler erfundene Gender-Ideologie soll als einzig legitime Form der Gerechtigkeit präsentiert und dadurch im Handeln vermittelt über die Sprache erzwun gen werden. Medizinisch und natur wissenschaftlich ist das gesamte Konstrukt unhaltbar. Die Politik ist daher gut beraten, wenn sie diesem Treiben endlich Einhalt gebieten würde. ? Diese Debatte weitet sich nun auf das gesprochene Wort aus. Müssen wir – die Befürworter und Gegner des Genderns mithilfe des sogenannten Glottisschlages – zweierlei Sprache aushalten? Oder sollte der Gesetzgeber für Beamtin nen und Beamte eine verbindliche Form vorgeben? Die Neuerfindung von Sprache hört nicht beim Gendern auf. Nahezu im Wochenrhythmus werden an den Uni versitäten neue Begriffe oder Schreib weisen präsentiert. Beispielsweise Prof. Dr. Susanne Schröter, Pro fessorin für ‘Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen’ an der Goethe-Universität Frank furt am Main, bei den Römerberg gesprächen im April 2014 in Frankfurt am Main. Foto: wikipedia
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