Blickpunkt Schule 5 2025

Leserbrief zum Artikel Weg durch ein ungerechtes Bildungssystem in Blickpunkt Schule 4/2025 | Seite 11

38 Leserbrief SCHULE 5|2025

Schwarz-Weiß-Malerei und kühne Unterstellungen Über ihren ‘Weg durch ein ungerechtes Bil dungssystem’ äußerte sich in der Blickpunkt Schule -Ausgabe (Themenheft Integration) Fatima Hussain, Master of Laws und Rechts anwältin. Dabei verengt jedoch Empörung ihre Sicht. In ihrem Beitrag greift Frau Hussain ein ge wichtiges Thema auf: die Bildungsgerechtig keit. Wer aber differenzierte, sachgerecht kritische Einlassungen erwartet hat, wird ent täuscht. Was man zu lesen bekommt, ist eine Schwarz-Weiß-Malerei. Generell unstrittig ist, dass Bildungspolitik gerecht sein muss. Jeder hat das Recht, sei nen Bildungs- und Berufsweg frei zu wählen. Diese Wahlmöglichkeiten werden bestimmt von zahlreichen Faktoren: von Familie und Er ziehung, von Bildungserwartungen, von ange borenen Anlagen, von persönlichen Vorlieben bei der Lebensführung, auch von Zufällen des Lebens, von Traditionen und Kulturen. Zum Beispiel tun sich gerade stark muslimisch ge prägte Schüler teils schwer mit der Akzeptanz weiblicher Lehrkräfte, was die Unterrichtung belastet und den Lernerfolg mindert. Aus all dem ergeben sich ungleiche Start- und Entwicklungschancen. Gleichheit stellt der Staat durch eine Schulpflicht her, die je dem Individuum eine Grundbildung ermög- lichen soll. Was es daraus macht, liegt in sei ner und der Verantwortung der Eltern. Schule kann den Einfluss des Elternhauses, der so zialen Um- und Mitwelt und die damit ver bundene Ungleichheit nicht maßgeblich zu rückdrängen. Ohne die Mitwirkung der Eltern am Bildungserfolg ihrer Kinder wird es schwer, wobei natürlich die Bildungspolitik flankierend unterstützen sollte. In einer freien (!) Gesellschaft leben wir mit diesen Effekten. Frau Hussain ist ja das beste Beispiel: Ihr Elternhaus ist – laut eigener Aussage – akademisch geprägt, auch wenn der Vater den Lebensunterhalt für die Familie als Taxi fahrer verdient. Dass aus den vielfältigen Chancen unglei che Karrieren erwachsen, ist eine Binsenweis heit. Individuelle Zukunftsprognosen lassen sich nicht generell stellen, das individuelle

Schicksal kann jeder selbst mitgestalten, man ist nicht dessen passives Opfer. Fakt ist: Der Zusammenhang von Schulleis tung bzw. Bildungserfolgen und sozialem Hintergrund ist bekannt und ein weltweites Phänomen, illusorisch ist ein Bildungssystem ganz ohne soziale Bildungsungleichheiten. Eine Anmerkung zu ‘Ungleichheitsstudien‘: Ihnen haftet immer eine gewisse Rechthabe rei an. Sie entschuldigen oft das mangelnde Engagement und Interesse der Erziehungs berechtigten und aufseiten der Schüler. Wenn die Schreiberin glaubt, gerade das deutsche Bildungssystem als ‘ungerecht‘ brandmarken zu müssen, kann man über diese Etikettierung nur den Kopf schütteln. Sie ver steigt sich sogar zu der Feststellung, unser Bil dungssystem sortiere Talente nach der Her kunft. Diese Aussage ist nicht nachvollziehbar und zudem eine eklatante Beleidigung für jede engagierte Lehrkraft. In der Schule freuen wir uns über jedes Talent, eröffnen Chancen, för dern die Entfaltung von Leistungspotenzialen, der soziale Hintergrund bestimmt keineswegs das Bildungsangebot. Auch dafür gibt es Bei spiele! Vielmehr lauten die Schlüsselworte für den individuellen Bildungserfolg: Anstren gungsbereitschaft und Eigenverantwortung, auch hinsichtlich der Annahme von Hilfestel lung. Anstrengungsbereitschaft, Begabungen und Intelligenz, sorgende Eltern, gute Schulen bilden zusammen die Basis für den Lernerfolg. Zudem besticht unser Bildungssystem durch seine soziale Durchlässigkeit. Verwie sen sei hier auf die Vielfalt der Bildungswege. Es gibt nämlich viele Wege zu den unter schiedlichen schulischen Abschlüssen und zur Studienberechtigung. Kurzum: Der Staat muss ein leistungsfähi ges, breit gefächertes Bildungswesen vorhal ten, das Talente optimal fördert (Bring schuld), die Adressaten müssen die Chancen dann auch ergreifen (Holschuld). Dass die Bildungspolitik Mängel aufweist und von den Verantwortlichen nicht immer engagiert be arbeitet wird, ist leider zu beklagen, aber kein Ausdruck für ein gezielt ungerechtes System! Frau Hussain möchte man zurufen: »Si tacuisses, philosophus mansisses!« Reinhard Schwab, OStR a.D. | ehemaliger hphv-Landesvorsitzender

Foto: L.Klauser|AdobeStock

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