GOLF TIME 4/2019

TIME OUT

Handicap „Ready Golf“

M

eine Knie kann ich vergessen, das Kreuz macht wieder Bekanntschaft mit den aus-

sich, wenn sie die Übertragung beenden und die Führenden nicht mehr zeigen können: „Sorry, aber da müssen halt die Jungs schneller spielen, unsere Sendezeit ist jetzt zu Ende!“ Da frage ich mich, was nach der nächsten Novellierung geschehen wird: dann nämlich, wenn die Score-Karten nach jeder Runde, aber auch wirklich nach jedem kleinsten Privatausflug über den Golfplatz, im Club-Sekretariat abgegeben werden müssen (es wird dann aus den besten acht Ergebnissen der

ufernden Bandscheiben, der einstige Tennis-Arm ist jetzt der Golfer-Ellen- bogen und die Schultern gehören längst zu meinen Dauer-Baustellen. Seit „Ready Golf“ das Spiel beschleu- nigen sollte, bin ich ein körperliches Wrack: Beim Droppen vorgebeugt in Hocke den Ball wieder ins Spiel bringen bedarf spezieller Übungen im Fitness- Studio. Die Fahne zigmal raus und wie-

KuNST Regelkonformes Droppen aus der Sicht des Cartoonisten

der rein – weil der eine mit, der andere ohne Stock putten will – hat meine Ellenbogen und Schultern ruiniert; und die Diskussion, wer nun drankomme, mündet meist in totaler Verwirrung: Wer denn nun? Als vor über einem Jahr die zweifellos durchdachte Aktion „Ready Golf“ vom DGV propagiert wurde, war ich skeptisch: Haben doch jene, die Golf als sportlichen Wettstreit verstehen, immer schon „Ready Golf“ ge- spielt. Seit diesem Jahr nun praktiziert, haben sich aber die schlimmsten Befürchtungen bestätigt! Die Älteren akzeptieren einfach diese Neuerungen nicht, speziell wenn es um „die Ehre“ beim Abschlag geht. Und selbst bei der jüngeren Garde herrscht Uneinigkeit, wenn es um die Reihenfolge der weiteren Schläge geht: „Bist du jetzt dran oder schlage ich … ?“ bzw. „Putte ich jetzt oder du …?“ Schade, dass Bemühungen, das Spiel zu beschleunigen, eher das Gegenteil bewirken. Blicken wir über den Tellerrand hinaus zu den Pros, dann drängt sich die Frage auf: „Haben die denn jemals schon etwas von ‚Ready Golf‘ gehört, gelesen, gesagt bekommen? Über fünf Stunden pro Runde sind die Regel, und selbst die Sky-Moderatoren entschuldigen

letzten 20 Runden das aktuelle Handicap errechnet). Nicht nur in den USA seit Jahren völlig normal, werden wir hier in Old Europe unser Wunder erleben. Der Hintergedanke: ein ehrliches und dem tatsäch- lichen Leistungsniveau entsprechendes Handicap. Tatsächlich wird der Manipulation Tür und Tor geöffnet (geben wir halt kurz einmal eine Par-Runde, gespielt mit dem Spezl, ab, dann passt das Handicap wieder …). Jetzt muss ich aber zum Doktor, um meine Weh- wehchen wegspritzen zu lassen. Aber die Standard-Frage bleibt: „Fahne raus oder rein?“ Antwort: „Raus natür- lich, oder wart’, nein, lass sie doch lieber drinnen … “ Fazit: Da haben kluge Köpfe mächtig lang gegrübelt, um das Golfspiel zu beschleunigen, die Spielzeit zu verkürzen, und haben nicht bedacht, dass Golfer eine eigene Spezies von Mensch sind: solche, die immer schon alles richtig gemacht haben. Und solche, die Neuerungen prinzipiell ablehnen. Schade – „Ready Golf“, das neue Handicap.

oSKar brUnnthalEr ob@golftime.de

Die nächste

erscheint am 5. August 2019

Cartoon: Christian Husung

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GOLF TIME | 4-2019

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