CF_04_2022

THEMA

Die mäeutische Bewohnerbe sprechung MBB wird einberufen, wenn der neue Bewohner etwa sechs Wochen im Seniorenhaus ist. „Zwei Wochen vorher halten alle Mitarbeiter im Beobachtungs bogen ihre individuellen Eindrücke fest“, beschreibt Petra Swindt, Ko ordinatorin Sozial-Kulturelle-Be treuung (SKB) in Bad Münstereifel, das Prinzip. „Dann tragen wir alle Puzzlesteine zusammen, gemäß dem Zwiebelprinzip von außen nach innen: Wie ist die äußere Erscheinung, die Art, wie jemand kommuniziert, wie zeigen sich ty pisches Verhalten und persönliche Vorlieben? Wie ging die Lebensge schichte? Wobei weniger Zahlen und Fakten eine Rolle spielen, als die Art, wie der alte Mensch sein Leben empfindet, wie viel Zufrie denheit und Erfüllung gefühlt da ist, und wieviel Entbehrung und Leid heute noch spürbar sind. Nicht zu letzt:Weiß der Bewohner, wo er ist, und welche Position nimmt er dazu ein? Hat er Kontakte, was vermisst er oder sie? Wie wird Entspannung gelebt, gibt es einen tragfähigen Glauben? Wir möchten ein mög lichst genaues Bild des neuen Be wohners erhalten.“ Ihre Kollegin Nicole Maier aus dem Seniorenhaus St. Maria, Köln, er lebt die Wirkung der MBB als äu ßerst hilfreich: „Angehörige wissen es zu schätzen, wenn sie über Ge wohnheiten und Bedürfnisse ihrer Verwandten berichten können, um im multiprofessionellen Team zu

einer individuellen Umgangsemp fehlung für den Bewohner beizu tragen. Hiervon profitieren alle Be teiligten. Das aktive Zugehen auf Angehörige kommt bei vielen gut an und schafft ein Gefühl des Mit einanders.“ WIR HABEN VERSTÄNDNIS FÜR DAS VERHALTEN DER ANGEHÖRIGEN Hinter jedem Verhalten verbirgt sich eine tiefere ‚Schicht‘, die mit der Situation im Seniorenhaus nicht direkt zu tun hat: Manche An gehörige empfinden Schuldgefüh le, Unzulänglichkeit, Ohnmacht, weil sie die Mutter oder den Vater nicht versorgen können oder die demenzielle Veränderung nicht ak zeptieren. Auch die Familie muss die Veränderung erst begreifen,

Ängste aushalten und nicht zuletzt die Vorurteile der Umwelt, dass man seine Eltern ins Heim ge bracht hat. Die Mitarbeiter möch ten den Angehörigen viel Zeit für die schönen Stunden miteinander ermöglichen. ZUSAMMEN POLITISCHE VERBESSERUNGEN ERREICHEN Dagmar Esser, Seniorenhauslei terin in Niederzier, setzt auf die öffentliche Wirkung: „Bei den auf erlegten Corona-Maßnahmen gibt es reichlich Konfliktpotential wie das Einschränken der Kontak te. Wir brauchen die Solidarität seitens der Angehörigen, um als Anwälte der Bewohner und Mitar beiter gemeinsam an die Öffent lichkeit zu gehen.“ (M.A.)

Foto: Getty Images

CellitinnenForum 04 | 2022

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