Blickpunkt Schule 4/2023

Kommentar zur Podiumsdiskussion »Sie haben die Wahl: Bildungspolitik im Vergleich«

Klartext

12500 neue Lehrerinnen und Lehrer werden auf Plakaten in ganz Hessen propagiert. Angesichts akutem Fach kräftemangel nicht nur im Lehrerberuf stellt sich natürlich die Frage, welche bislang verborgenen Ressourcen die hessische SPD im Falle eines Wahlsie ges nutzen möchte. Licht ins Dunkel brachte nicht nur in diesem Bereich die Podiumsdiskussion: »Sie haben die Wahl: Bildungspolitik im Vergleich.« Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz (CDU) sowie sein Kontrahent, Ge neralsekretär und bildungspolitischer Sprecher der hessischen SPD, Chris toph Degen, stellten sich im Rahmen der Veranstaltung der ‘Arbeitsgemein schaft für Bildung der SPD in Wiesba den’ den Fragen von Moderatorin An gela Weck (Stadtelternbeirat Wiesba den) sowie den Fragen aus dem Publi kum zu ‘Fachkräfte- und Lehrerman gel’, ‘Digitalisierung und Schule’ sowie ‘Ganztag’ im gut besuchten Friedrich Naumann-Saal Wiesbaden. Angespro chen auf die Frage nach dem Lehrer mangel antwortete Degen, dass man nicht mehr so streng in erstem oder zweitem Staatsexamen denken dürfe. Neben einem Bachelor und Master im Lehramt forderte er unter anderem längerfristige Beschäftigungsmöglich keiten für Lehrende an Schulen, die le diglich mit TV-H-Verträgen beschäf tigt seien. Auch wenn diese über keine entsprechende Lehrbefähigung ver fügten, überzeugten einige über einen längeren Zeitraum hinweg als Lehrper sonen. Als Beispiel wurden unter an derem Vertretungslehrkräfte im Fach Musik von ihm benannt. Auf die Frage des Publikums, ob das lange Lehr amtsstudium nicht seine Berechtigung habe, da die Anforderungen an Lehr kräfte zunehmend gestiegen seien, entgegnete Degen, dass die erwähn ten TV-H-Kräfte auch jetzt schon vor den Klassen stünden. Eine Entfristung empfinde er vor diesem Hintergrund als angemessen. Gekoppelt werden solle dies aber natürlich mit entspre chenden Qualifikationsmöglichkeiten.

telt werden soll, bleibt ebenso das Geheimnis des Bildungspolitikers. Bis lang gibt es in Hessen unter anderem bereits das Programm ‘Quereinstieg in den hessischen Schuldienst’, das Lehrkräften ohne erstes Staatsexa men unter bestimmten fachlichen Vo raussetzungen eine Entfristung bzw. Verbeamtung ermöglicht. Dieses Ver fahren hat sich in Hessen bewährt. Setzt man die Messlatte allerdings tiefer an, riskiert man, das Lehramts studium zu entwerten. Zudem kann es nicht im Interesse der Schülerinnen und Schüler sein, dauerhaft von Lehr kräften ohne entsprechende Lehrbe fähigung unterrichtet zu werden. So stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, was mit den genann ten Lehrkräften passiert, wenn keine Mangelsituation mehr besteht. Es sei die Frage erlaubt, ob sich Christoph Degen auch von einem Chirurgen ohne Medizinstudium, aber sehr guten handwerklichen Fähigkeiten operieren lassen würde. Warum lassen wir also zu, dass unsere Kinder und Jugendli chen, die unsere Zukunft darstellen, von ungelerntem Personal unterrich tet werden? Wenn uns die soziale Ge rechtigkeit im Bildungswesen am Her zen liegt, sollten wir nur qualifizierten Lehrkräften unsere Kinder anvertrau en. Insofern beruhigt es, dass sich Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz zum Erhalt der Staatsexamina bekannte. Interessant auch Degens Kommen tar zu aktuellen Plänen des Bundes, die Finanzierung des Digitalpakts un ter Umständen einzustellen. Hierzu erörterte Degen, der Bund müsse sich angesichts der schwierigen Haushalts lage auf seine Kernaufgaben konzen trieren, während die Digitalisierung in der Zuständigkeit des Landes (genau genommen ist sie Aufgabe des Schul trägers und nicht des Landes) liege. Die Rückfrage, ob nicht unter den ak tuellen Umständen die Digitalisierung zu den ersten Prioritäten gehören müsse, ließ er unbeantwortet.

von SEBASTIAN KRÄMER Kreisvorsitzender des hphv-Kreisverbandes Offenbach

Bezüglich der Lehrerausbildung wur den von ihm unter anderem Kenntnis se im Bereich der ‘Inklusion’ als Kern kompetenzen benannt. Die Bereiche ‘Fachlichkeit’ und ‘sprachliche Kompe tenzen’, fehlten allerdings in der Auf zählung des studierten Förderschul lehrers. Vor dem Hintergrund einer Schüler schaft, die zunehmend über einen DAZ-Hintergrund verfügt, verwundert dies doch sehr. Immerhin besuchen 25 Prozent der Kinder vor dem Grund schulbesuch einen sogenannten ‘Vor laufkurs’, da sie nicht über die nötigen sprachlichen Fähigkeiten für den Pri marbereich verfügen. An dieser Stelle ist die Frage angebracht, warum dieser Punkt in der Aufzählung Degens gänz lich fehlt. Fordert die hessische SPD doch »bessere Schulen und gleiche Bildungschancen«. Es bleibt das Ge heimnis der hessischen sozialdemo kratischen Bildungspolitik, wie man dies ohne eine entsprechende Schwer punktsetzung im sprachlichen Bereich schaffen möchte. Die Förderung der Bildungssprache und Kenntnisse im DAZ-Bereich sind für alle Fächer und Schulformen unabdingbar, möchte man Kindern aus bildungsfernen Haushalten zumindest annähernd gleiche Bildungschancen gewähren. Dabei ist eine entsprechende Förde rung bildungssprachlicher Fähigkeiten nicht nur im Falle eines Migrationshin tergrundes notwendig. Sie stellt eine Notwendigkeit für alle Schülerinnen und Schüler dar, die diese nicht durch ihr (familiäres Umfeld) vermittelt be kommen. Wie dies TV-H-Kräften in einem be rufsbegleitenden ‘Crashkurs’ vermit

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