Blickpunkt Schule 4/2023
Editorial
Bild: Kevin S./AdobeStock
Wie die Zeit vergeht …
I m November 2019 begann auf der Vertreterversammlung in Mor schen meine – an einigen Vorgän gern gemessen – relativ kurze, aber ereignisreiche und intensive Amtszeit. Diese war geprägt durch verbands- interne sowie politische Turbulenzen: Dispute rund um die letzten Personal ratswahlen, einen zwischenzeitlich unvollständigen Vorstand, vor allem aber mussten wir notwendigerweise auf die Corona-Pandemie und die Folgen des russischen Angriffskriegs reagieren – bislang einzigartige, zu gespitzte Situationen! Hier waren be hutsame Abwägungen vorzunehmen, die sicher nicht alle zufriedenstellten, die aber unseren Verband auf Kurs halten sollten. Neben alledem galt es, den hphv bildungspolitisch zu profilieren in ei ner Zeit der Erregungskultur im eige nen Lande und der Wirrnisse allge meiner Nivellierungen. Das betrifft die Schulpolitik wie auch die allgemeine Sicht auf den Lehrerberuf, der bei Lichte betrachtet doch sehr unter schiedliche Belastungsdimensionen bereithält. Nicht überraschend muss ten bei der Einebnung der Eingangs besoldung sachgerechte Argumente hinter moralisch-emotionalen zu rückstehen. Dieses dicke Brett der Be
zuweisenden Polarisierungen, Zuspit zungen sowie ‘Fanatismen‘ (Stichwort Wokeness, Gendern etc.), aber auch die vielfältigen Verdrängungskünste so mancher Politiker. All diese Entwicklungen ließen und lassen den Kompass unserer gymna sialen Positionen regelrecht flattern. In unzähligen Statements und Ge sprächen erhoben wir die Stimme. Die gymnasiale Bildung muss dafür Sorge tragen, dass besonders die geistigen Potenziale der jungen Men schen ausgebildet und weiterentwi ckelt werden, die dann in Forschung, Wissenschaft, Politik zum Tragen kommen. Aber auch kulturelle Maßstäbe sollten gesetzt werden. Mit einer solchen Zielvorstellung fühle ich mich zuweilen wie ein Rufer in der Wüste. An den Philosophen Ernst Bloch und sein ‘Prinzip Hoffnung’ anknüp fend, wage ich jedoch eine Ermuti gung: Man sollte »ins Gelingen ver liebt (sein) statt ins Scheitern«. Ich danke für das Vertrauen, den Zuspruch, die Unterstützung, die ich für meine Arbeit erfahren habe. Sie war mir meist eine Freude, aber immer eine Ehre! Nun ist es Zeit zu gehen … Ihr Reinhard Schwab
von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
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soldungsfairness muss weiterhin intensiv bearbeitet werden. Das nachgerade ‘dystopische‘ Ziel ‘Einheitsschule für alle statt freier Schulwahl’ wird nach wie vor von sich progressiv verstehenden ‘Experten‘ mit missionarischem Eifer herbeige redet. Wäre man Zyniker, könnte man hier eine Lust am Untergang ver muten. Der Blick auf empirische Befunde wie auch auf erfahrbare Realitäten vor Ort offenbart unbarmherzig eine ero dierende Bildungsqualität. Und ja: Ein allgemeiner Kulturverlust sowie eine zunehmende Erosion des Leistungs prinzips machen der Institution Schu le schwer zu schaffen. Fatal ist in die ser Lage, dass sich die administrativen Belastungen neben unserer Kernauf gabe, dem Unterrichten, scheinbar unaufhaltsam türmen. Nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich sind die dem Zeitgeist zu
SCHULE
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