Effekte der medizinischen Kur

Im ersten Referat wurde vom Philosophen P. Kampits von der Univ. Wien die Frage aufgeworfen, was der Begriff Gesundheit bedeutet. Die wohl allge- mein bekannte Definition der WHO ist so umfassend, dass bei praktischer Anwendung dieser Definition die meisten Menschen als krank und nur wenige als gesund beurteilt werden können. Andererseits kommt in dieser Defini- tion aber auch zum Ausdruck, dass Gesundheit nicht allein mit medizinisch- physiologischen Kriterien zu erfassen ist, sondern wie auch ihr Gegenbegriff Krankheit eine existentielle Dimension aufweist. Gesundheit und Krankheit sind Grundphänomene des Lebens, sie haben den Charakter von anthropolo- gischen Konstanten und lassen sich daher sowohl deskriptiv als auch normativ beschreiben und untersuchen. Die Bewertung von Gesundheit unterliegt einem historischenWandel. Daraus ergeben sich Konsequenzen diagnostisch therapeutischer Art die wesentlich sind für das Selbstverständnis des ärztlichen Handelns, für das Gesundheitswesen und für die individuelle Lebensführung. Wird Gesundheit als organisches und psychisches Funktionieren verstanden, ergeben sich daraus andere Richtlinien für das ärztliche Handeln, als in einem Gesundheitsbegriff umfassender Art. Ein ausschließlich am Biologischen oder an der Empirie orientiertes Modell der Gesundheit führt zu einer paternalistischen Auffassung des Arzt-Patienten- Verhältnisses, während ein wert- und kulturbezogenes Konzept eher eine aktive Rolle des Patienten verlangt. Das Ziel medizinischer Praxis, das von Anfang an als Heilung von Krank- heiten und Wiederherstellung der Gesundheit interpretiert wurde, hat sich in den letzten Jahrzehnten auch auf die Erhaltung von Gesundheit verschoben. Therapie bedeutete jedoch auch in früheren Epochen nicht nur die Überwin- dung von Krankheit, sondern auch Gesunderhaltung, Prävention und Rehabi- litation, auch Beistand bei chronischen Erkrankungen und – wenn auch nicht immer – Beistand beim Sterben. Medizinhistoriker haben darauf hingewiesen, dass Gesundheit bereits bei den Griechen im Rahmen einer anthropologischen und kosmologischen Dimension gesehen wurde. Harmonie und Einklang mit der Natur wurde als oberstes Ziel der Heilkunst angesehen, Gesundheit stellt einen Einklang zwischen den verschiedenen Kräften der Natur dar. Krankheit ist Disharmonie. Die Diätetik besteht aus folgenden Bereichen: Licht und Luft, Essen und Trin- ken, Bewegung und Ruhe, Schlafen undWachen, Ausscheidung und Affekte. Der Arzt hat sich primär dieser Wechselwirkungen in seiner Therapie zu bedienen, erst sekundär setzen Medikamente und als ultima ratio chirurgische Eingriffe ein.

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