Lernentwicklung und Beratung - Anleitung

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L E R N E N T W I C K L U N G U N D B E R A T U N G RECHTSCHREIB- ANALYSE und BERATUNG Graf Orthos

1. Schritt: Lernstandsanalyse Was können die Schülerinnen und Schüler?

Für Lehrerinnen und Lehrer, die neu in eine Klasse kommen (z. B. Klasse 1 oder Klasse 5), ist es hilfreich zu erfahren, welche Kompetenzen die einzelnen Schüler(innen) bereits mitbringen.

In der psychologischen Forschung wurden im letzten Jahrhundert viele Bedin- gungen formuliert, die für das Lernen günstig oder hinderlich sind. Auch die Neurobiologie hat in den letzten Jahrzehnten viele interessante Forschungser- gebnisse zum Verständnis dafür beigesteuert, wie das Lernen im Gehirn funk- tioniert. Dennoch muss die Frage Wie lernen Kinder? auch nach unzähligen Untersu- chungen, Experimenten und Feldforschungen im Bereich der Pädagogischen Psychologie letztendlich unbeantwortet bleiben. Wir wissen nicht, wie Kinder lernen – erst recht nicht, wie ein einzelner Schüler oder eine einzelne Schülerin lernt, und schon gar nicht, wie sie in einem bestimmten Fach (z. B. Rechtschrei- ben) oder einer bestimmten Situation lernen (z. B. heute, Montag, dritte Stunde nach der großen Pause). Sicher sagen lässt sich nur: Das Gehirn lernt immer. Darüber hinaus können für das zielgerichtete, bewusste Lernen höchstens all- gemeine Bedingungen beschrieben werden, die für das Lernen förderlich bzw. hinderlich sind. Nicht die Lehrer(innen), sondern allenfalls die einzelnen Schüler(innen) kön- nen für sich herausfinden, unter welchen Bedingungen und mit welchen Me- thoden, Übungen und Materialien sie gut lernen können. Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe, l günstige Lernbedingungen zu schaffen, l zu beobachten, wie die einzelnen Schüler(innen) ihr Lernen gestalten und or- ganisieren, l in der Praxis bewährte Methoden, Übungen und Materialien bereitzustellen, l mit den einzelnen Schüler(inne)n zu besprechen, wie und mit welchen Metho- den und Übungen sie ihr Lernen effizient gestalten können. Die Analyse der Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler ist kein aufwendi- ger Prozess, in dem verschiedene Testverfahren mit den Schüler(inne)n durch- geführt werden. Hierfür nutzen Lehrerinnen und Lehrer ihre Erfahrung, Intuition und Beobachtung. Dabei ist es unerlässlich, die allgemein und fachspezifisch förderlichen und die das Lernen behindernden Bedingungen zu kennen. Ohne dieses Wissen ist eine fachlich fundierte Beratung der Schüler(innen) nicht möglich. 1 Die Erforschung der Bedingungen, die zu Rechtschreibschwierigkeiten führen können, hat bislang keine eindeutigen Ergebnisse gebracht. Ne- ben allgemeinen Aussagen (Rechtschreibschwierigkeiten kommen in allen auf Laut-Buchstaben-Beziehungen beruhenden Schriftsprachen vor, kom- men bei Jungen häufiger vor als bei Mädchen) sind es vor allem zwei Bedingungen, die zu Rechtschreibschwierigkeiten führen können (aber nicht zwangsläufig müssen) 2 : 1) Schwierigkeiten in der Motorik, insbesondere der motorischen Koordi- nation

Wie lernen Kinder? ( Lern standsanalyse, Teil 1)

1 Weiterführende fachspezifische Hinweise zum Lesen- und Schreibenlernen in: Sommer-Stumpenhorst, Norbert: Rechtschreiben lernen mit Modellwörtern, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin 2006.

Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechtschreibens

2 Weiterführende Hinweise zum Bereich Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten in: Sommer-Stumpenhorst, Norbert: Lese- und Recht­ schreibschwierigkeiten vorbeugen und überwinden, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin 2006.

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