Lernentwicklung und Beratung - Anleitung

1

L E R N E N T W I C K L U N G U N D B E R A T U N G RECHTSCHREIB- ANALYSE und BERATUNG Graf Orthos

Die Inhalte des Lernfeldes „Rechtschreiben“ werden einerseits durch die Ord- nung der Rechtschreibung 3 und andererseits durch die in den Lehrplänen vorgegebenen Kompetenzerwartungen 4 bestimmt. Ein fachlich fundierter Un- terricht und die Lernstandsanalyse der einzelnen Schüler(innen) müssen sich hierauf beziehen. Besondere Schwierigkeiten können entstehen, wenn die Lehrpläne Deutsch in einem Bundesland a) nur eine grobe Orientierung bieten (z. B. Kompetenzerwartung Ende der Schuleingangsphase, Ende Klasse 4, Ende Klasse 6). Einerseits wird mit diesen allgemeinen Formulierungen in den Lehrplänen die Erfahrung berücksichtigt, dass der Zeitraum, in dem Schüler(innen) et- was lernen, groß ist und dass alle Lerngruppen heterogen sind, also nie- mals alle Schüler(innen) einer Lerngruppe das Gleiche zur gleichen Zeit lernen. Andererseits wird dadurch der Unterricht insofern erschwert, als die Lehrer(innen) keinen direkten Vergleichsmaßstab haben (z. B. „Im ersten Halbjahr lernen Schüler(innen) die Wortart kennen, im zweiten Halbjahr die Ableitung von Wörtern.“). Das erschwert insbesondere die Leistungsbewer- tung. b) einem ganz bestimmten oder gar keinem Ordnungskonzept folgen (z. B. Stufenmodell, Fehlervermeidungskonzept, Grund- oder Klassenwortschatz). Die Rechtschreibung, so wie wir sie heute kennen, hat sich über Jahrhun- derte hinweg entwickelt. In den Jahren 1901, 1998 und 2006 wurden die Prinzipien der deutschen Rechtschreibung von einer Expertenkommission in einem „Regelwerk der deutschen Rechtschreibung“ festgeschrieben. Hier wurden Regeln aufgeschrieben, die Klarheit darüber verschaffen sollen, wie ein Wort im Zweifelsfall zu schreiben ist. Qualitativer Entwicklungsprozess Schüler(innen) lernen die Rechtschreibung in einem qualitativen Entwick- lungsprozess und nicht Regel für Regel: Sie nähern sich in ihrer Schreibung Schritt für Schritt an die orthografisch korrekte Schreibung an. Die Kompe- tenzerwartungen der Lehrpläne beschreiben daher Entwicklungsschritte, die von den Schüler(inne)n am Ende eines bestimmten Zeitraumes (z. B. Ende der Schuleingangsphase, Ende Klasse 4) vollzogen sein sollten. Wir spre- chen deshalb auch von „angemessener Rechtschreibung“. Kein Erwachsener kennt die Regeln der deutschen Rechtschreibung voll- ständig und kann sie umfassend anwenden. Das sollte auch nicht von Schülerinnen und Schülern erwartet werden. Die Regeln der deutschen Rechtschreibung sind ein „Nachschlagewerk“ und keine Anleitung für den Unterricht oder eine Definition von Lernschritten. Das gesamte Feld der Rechtschreibung muss daher für den Unterricht und zur Beschreibung von Lernschritten neu und anders geordnet werden. Zurzeit besteht unter den Sprachwissenschaftlern und -didaktikern eine große Übereinstimmung da- rin, dass der Rechtschreiberwerb in einem Stufenmodell 5 dargestellt werden kann. In beiden Fällen bietet die Ordnung der Rechtschreibung, wie sie im Konzept der Rechtschreibwerkstatt beschrieben wird, eine differenzierte bzw. ergänzen- de Orientierung für die qualitative Analyse der Rechtschreibkompetenz und die Planung der individuellen Lernwege der Schüler(innen) und beantwortet damit die Frage, wo „auf dem Weg zur normgerechten Schreibung die Schü- lerin oder der Schüler steht“ 6 (Lernstandsanalyse).

Wo steht das Kind in seiner Lernentwicklung? (Lern stand sanalyse, Teil 2)

3 Eine kurze Zusammenfassung findet sich im Heft „Qualitative Textanalyse“ (Kapitel 1).

4 Die Lehrpläne der einzelnen Bundesländer sowie die Vereinbarungen der Kultusminister- konferenz zu Bildungsstandards stehen auf der Internetseite der Kultusministerkonferenz:

http://www.kmk.org/dokumentation/ rechtsvorschriften-und-lehrplaene-der- laender/uebersicht-lehrplaene.html

5 Von verschiedenen Autoren wurden in der Ver­ gangenheit Stufenmodelle des Rechtschreiber- werbs formuliert, z. B. von: Günther, Klaus B. (1984); Frith, Uta (1985); Scheerer-Neumann, Gerheid (1987); Spitta, Gudrun (1989); Valtin, Renate (2000). Diese Stufenmodelle unterschei- den sich zwar im Detail, können jedoch bei den meisten auf die Laut-, Wort- und Satz- oder Kontextebene zurückgeführt werden. Im Konzept der Rechtschreibwerkstatt wird das Modell der „Ordnung der Rechtschreibung“ als eine Wei- terentwicklung der Stufenmodelle verstanden. Zusätzlich zu den Lernebenen (Stufen) wurde der qualitative Aspekt in dieses Modell mit ein- bezogen.

6 Lehrplan Deutsch für die Grundschule in NRW, Seite 36.

6

Made with FlippingBook flipbook maker