forumpoenale_2_2008

RECHTSPRECHUNG

85

der Einsatz des GPS-Gerätes zu Ermittlungszwecken war nicht geregelt. Die kantonalen Behörden behalfen sich da­ mit, dass sie Art. 134 aStPO/FR (Überwachungsmassnah­ men) analog anwendeten. Doch auch diese Regelung wur­ de nicht eingehalten: Weder wurde die Massnahme durch einen Untersuchungsrichter angeordnet noch wurde sie durch das Zwangsmassnahmengericht bewilligt. Indem das Bundesgericht diese Verfehlungen lediglich als «formelle Mängel» bezeichnet, bagatellisiert es die Schwere der Ge­ setzesverstösse durch die Untersuchungsbehörden. Die Frage, ob ein Gesetzesverstoss zur Unverwertbarkeit des so erbrachten Beweises führen soll, kann nicht ohne ei­ nen Blick auf die Grundsätze des Grundrechtsschutzes be­ antwortet werden. Gemäss Art. 36 BV bedarf jeder Grund­ rechtseingriff einer hinreichend klaren und bestimmten Grundlage in einem Rechtssatz. Die Norm muss so präzise formuliert sein, dass die Rechtsunterworfenen ihr Verhalten danach richten bzw. die Folgen eines bestimmten Verhaltens vorhersehen können; die wesentlichen Wertungen müssen sich der Norm selber entnehmen lassen (Kiener/Kälin, Grundrechte, Bern 2007, 87). Schwere Eingriffe müssen in einem Gesetz im formellen Sinn geregelt sein. Überwa­ chungsmassnahmen wie heimliches Belauschen, optisches Auskundschaften privater Räumlichkeiten oder Telefon­ überwachungen stellen schwere Eingriffe in Art. 10 und 13 BV dar (Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, 128, 135 f.) Auch Art. 8 Abs. 2 EMRK sieht ausdrücklich vor, dass Eingriffe in das Recht auf Achtung des Privat- und Fami­ lienlebens nur zulässig sind, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft not­ wendig ist, etwa für die Gewährleistung der nationalen oder öffentlichen Sicherheit. Die Rechtsprechung des Europäi­ schen Gerichtshofes für Menschenrechte stellt strenge An­ forderungen an die gesetzliche Grundlage und verbietet Ana­ logieschlüsse; jede Massnahme muss separat und konkret geregelt sein (vgl. statt vieler EGMR v. 24.4.1990, Kruslin v. France, Series A Nr. 176-A, § 34; EGMR v. 30.7.1998, Va- lenzuela Contreras v. Spain, Reports 1998-V, § 57). Die An­ ordnung durch einen Untersuchungsrichter bzw. die Geneh­ migung durch ein Zwangsmassnahmengericht gewährleistet im rechtsstaatlich überaus heiklen Bereich der geheimen Überwachungsmassnahmen eine Überprüfung durch einen unabhängigen Richter. Solche Massnahmen verhindern, dass die Behörden willkürlich handeln und nehmen somit einen wichtigen Stellenwert im Rahmen des Grundrechtsschutzes ein (vgl. EGMR v. 25.3.1998, Kopp v. Switzerland , Reports 1998-II., § 72; EGMR, Kruslin v. France, § 20, EGMR v. 2.11.2006, Volokhy v. Ukraine, Nr. 23543/02, § 53; Mül­ ler, 136). Konsequent sieht jetzt das BÜPF in Art. 7 Abs. 4 auch vor, dass sämtliche Ergebnisse vernichtet werden müs­ sen, wenn eine Bewilligung nicht eingeholt oder verweigert wurde. Dass dieselbe Regelung nicht auf alle geheimen Über­ wachungsmassnahmen angewendet werden soll, erscheint

nicht sachgemäss: Es führt zur willkürlichen Ungleichbe­ handlung von eidgenössisch und kantonal geregelten Über­ wachungsmassnahmen, die für den Bürger nicht verständ­ lich ist. Im Übrigen kennt auch das BVE eine entsprechende Regelung, Art. 18 Abs. 5 BVE. Art. 280 Abs. 4 Eidg. StPO sieht nun die analoge Anwendung mindestens für alle tech­ nischen Überwachungen vor. Es wäre wünschenswert gewe­ sen, dass das oberste Gericht dieses neue Rechtsverständnis bezüglich der Bedeutung der gerichtlichen Genehmigung im Sinne einer «Vorwirkung» der Eidg. StPO übernommen und ein absolutes Beweisverwertungsverbot ausgesprochen hät­ te. Diese Lösung wäre auch besser mit dem anwendbaren kantonalen Recht vereinbar gewesen, das vorsieht, dass kei­ ne Beweise verwendet werden dürfen, die die menschliche Würde oder Grundprinzipien des Rechts (wozu gemäss Ma­ terialien auch die persönliche Freiheit gehört) verletzen (Art. 73 StPO/FR). Die Tatsache, dass ein Eingriff ohne gesetzli­ che Grundlage erfolgte bzw. die richterliche Genehmigung nicht eingeholt wurde, stellt für sich alleine bereits einen schweren Eingriff in die verfassungsmässigen Rechte dar, ohne dass die Schwere und die Umstände des Eingriffs be­ rücksichtigt werden müssen. Eine Abwägung im Sinne der Verhältnismässigkeit nach Art. 36 Abs. 3 BV muss nicht mehr erfolgen, da die Einschränkung bereits aufgrund eines Ver­ stosses gegen Art. 36 Abs. 1 BV unzulässig war. II. In der Rechtsprechung findet sich wiederholt der Hin­ weis, ein Beweismittel sei nicht von vornherein illegal, wenn es auch auf rechtmässigemWeg hätte beschafft werden kön­ nen. Die Konsequenz ist, dass das betreffende Beweismittel der Abwägung zugänglich ist und verwertet werden darf, wenn das öffentliche Interesse überwiegt. Auch im vorliegen­ den Fall findet sich dieser Hinweis (E. 3.5.1.). Doch gerade hier zeigt sich, dass dieses Argument ein Urteilsbaustein ohne dogmatischen Wert ist, der vom Bundesgericht jeweils auto­ matisch übernommen wird. Denn die GPS-Überwachung war durchaus von vornherein illegal: Es bestand keine gesetzliche Grundlage und aufgrund des Analogieverbotes, das der EGMR für Einschränkungen von Art. 8 EMRK statuiert hat, wäre die Massnahme auch nicht legal gewesen, wenn die rich­ terliche Genehmigung eingeholt worden wäre. Problematisch ist das Argument aber auch, weil damit über den Gesetzes­ verstoss der Behörden hinweggesehen wird. Entscheidend aus grundrechtlicher Sicht ist nicht, dass eine Bewilligung hätte eingeholt werden können, sondern dass sie im vorliegenden Fall nicht eingeholt wurde (vgl. auch Fornito, Beweisverbo­ te im schweizerischen Strafprozess, St. Gallen 2000, 273). Ein weiteres Argument für die Normierung absoluter Be­ weisverwertungsverbote etwa bei nicht erfolgter richterlicher Genehmigung, findet sich in der Abwägungslehre selber: Sie ist teilweise geradezu willkürlich (so sogar das Bundesgericht im Urteil v. 30.4.2007, 6A.113/2006, E. 6.2.4). Praktisch im­ mer fällt die Interessenabwägung zugunsten der Strafverfol­ gung und zulasten des Beschuldigten aus (eine Ausnahme bil­ det BGE 130 I 126, wo aber sowohl die Begründung als auch

forum poenale

2/2008

Made with