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JURISPRUDENCE

praktikable Kriterien für die Entscheidung fehlen). Kann man dies bei einer Interessenabwägung Mord – illegale Telefon­ überwachung noch nachvollziehen (BGE 109 Ia 244), wird es schon schwieriger, wenn sich eine illegale Videoüberwa­ chung und eine Brandstiftung gegenüber stehen (BGE 131 I 272). Kriterien, wann eine schwere Tat vorliegt, sind in der Rechtsprechung keine ersichtlich. Im vorliegenden Urteil wird nun bereits eine Diebstahlserie mit geringer Beute als genügend schwer eingestuft. Dies erstaunt auch, weil das Bundesgericht im gleichen Fall in einer staatsrechtlichen Be­ schwerde gegen die U-Haft des Beschwerdeführers die De­ likte noch ganz anders eingeschätzt hatte: «Hinzu kommt, dass die Einbrüche in Autos mit relativ geringer Beute nicht als schwere Straftaten im Sinn von Art. 100 lit. c StPO/FR zu qualifizieren sind, selbst wenn sie wiederholt getätigt wur­ den und nicht verharmlost werden sollten.» (BGer, Urteil v. 21.3. 2005, 1P.153/2005, E. 4.4). Auf der anderen Seite werden die Interessen des Beschul­ digten im Gegensatz zu denen der Strafverfolgung regel­ mässig als gering eingestuft. Im vorliegenden Fall heisst es, der Eingriff in die Privatsphäre sei nur «sehr minim» ausge­ fallen und nicht mit einer Telefonabhörung, E-Mail-Überwa­ chung oder Video-Überwachung von Privaträumen zu ver­ gleichen. Die Überwachung aller Autofahrten eines Menschen ermöglicht jedoch genaue Einsicht in seinen Tagesablauf: Geht er zur Arbeit und wann, wo kauft er ein, besucht er ei­ nen Arzt oder Psychiater, geht er ins Haus eines Freundes, in ein Bordell oder zu einer heimlichen Geliebten? – all das kann der Staat mit einer GPS-Überwachung herausfinden. Die Massnahme dauerte zudem zwei Monate. Da kann wohl kaum von einem «sehr minimen Eingriff» die Rede sein. Dass sich dahinter aber eigentlich eine ganz andere Argumentati­ onslinie versteckt, wird an folgender Aussage deutlich: «Das blosse Interesse eines mutmasslichen Straftäters, dass eigene Delikte, zu denen er ein Fahrzeug verwendet, möglichst un­ entdeckt bleiben, ist hingegen nicht schutzwürdig.» (E. 3.5.4, ähnlich schon BGE 109 Ia 244, 247, E. 2 b). Will heissen: Wer sich kriminell verhält, verspielt sein Recht auf Privat­ sphäre. Eine solch radikale Sichtweise kennt unsere Rechts­ ordnung aber nicht.Vielmehr sind Zwangsmassnahmen auch bei mutmasslich Kriminellen nur nach dem Massstab des Art. 36 BV zulässig. Als Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit lässt beispielsweise das BÜPF eine Telefonüberwachung nur zu, wenn ein Delikt aus dem De­ liktskatalog in Betracht kommt. Besonders heikel ist diese Argumentation jedoch, weil so die Unschuldsvermutung aus­ gehebelt wird: Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt jeder als unschuldig und die Argumentation, es müsse ein Beweis­ mittel zugelassen werden, weil der Beschuldigte sich krimi­ nell verhalten habe, setzt das Urteil, das ja erst kraft dieses Beweismittels gefällt werden soll, schon voraus.

Nr. 18 Tribunal fédéral, I re Cour de droit public, arrêt du 2 avril 2007 dans la cause A. contre Ministère public de la Confédération – 1B_29/2007

Art. 1, 5 LFIS: notions d’investigation secrète et d’agent infiltré. L’investigation secrète n’englobe pas la collaboration spontanée de particuliers fournissant des informations aux autorités péna­ les. L’existence d’un rapport de travail et l’intensité de l’interven­ tion caractérisent la notion d’agent infiltré. Ne revêt pas cette qua­ lité celui qui se limite à un bref contact et ne recourt pas à une identité d’emprunt (c.6.1). Il appartient au juge du fond de se pro­ noncer sur la question de l’exploitation de preuves administrées de manière prétendument illégale (c.6.4). (Résumé de la rédac­ tion) Art. 1, 5 BVE: Begriffe der verdeckten Ermittlung und des verdeckten Ermittlers. Die verdeckte Ermittlung beinhaltet nicht die spontane Mitarbeit von Privatpersonen, welche den Strafbehörden Informationen zu­ kommen lassen. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die Intensität des Eingreifens kennzeichnen den Begriff des verdeck­ ten Ermittlers.Wer sich auf einen kurzen Kontakt beschränkt und nicht unter einer Legende auftritt hat diese Eigenschaft nicht (E.6.1). Es ist Aufgabe des Sachrichters zu entscheiden, ob angeb­ lich rechtswidrig erhobene Beweismittel verwertet werden dürfen. (E.6.4). (Regeste der Schriftleitung) Art. 1, 5 LFIM: concetti dell’inchiesta mascherata e dell’agente infiltrato. L’inchiesta mascherata non si estende alla collaborazione sponta­ nea di privati che fanno pervenire informazioni alle autorità pe­ nali. Il concetto di agente infiltrato è caratterizzato dall’esistenza di un rapporto di lavoro e dall’intensità dell’intervento. Chi si limita ad un breve contatto e non dispone di un’identità fittizia non possiede questa qualità (consid. 6.1). Incombe al giudice di merito di decidere se si possono utilizzare mezzi di prova che si presume siano stati raccolti illecitamente (consid. 6.4). (Regesto a cura della Direzione della rivista) Faits: En octobre 2005, une société belge propose à C. de louer un espace publicitaire dans un guide. Agissant pour son commerce de vins, C. conclut un contrat de deux ans et s’acquitte à ce titre de la somme de 27 900 francs. Un an plus tard, C. reçoit un fax d’un organisme dénommé D. l’informant qu’il est débiteur de 69 750 francs et qu’il a probable­ ment été victime de facturations abusives. Pour pouvoir être rem­ boursé, il est invité à verser 23 250 francs sur un «compte séques­ tre». Convaincu d’avoir à faire à un organisme étatique officiel, C. fait virer la somme requise à D. Au cours des deux mois qui sui­ vent, des personnes prétendant agir au nom de D. amènent C. à ef­ fectuer de nouveaux versements pour un total de près de 2,5 mil­ lions de francs. En décembre 2006, C. dénonce les faits précités aux autorités valaisannes. Ayant accepté de collaborer à l’enquête, il exécute les instructions d’un certain X. et rencontre dans un hôtel genevois le

Luzia Vetterli, Mlaw, wissenschaftliche Assistentin, Univer­ sität Luzern n

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