forumpoenale_2_2008

94

JURISPRUDENCE

handlung gegen die sexuelle Integrität, welcher sich gegen den Einsprecher richtete, ist denn auch nicht mehr als leich­ ter Fall einzustufen, weder juristisch noch persönlich für den Einsprecher und seine Familie selber. Dass im vorliegenden Fall ein Verfahren betreffend Widerhandlung gegen die se­ xuelle Integrität sowie eines betreffend Tätlichkeit geführt wurde, wobei das eine eingestellt wurde, das andere in ei­ ner Erziehungsverfügung endete, trägt für die gesetzlichen Vertreter des Einsprechers nicht zur Vereinfachung der Si­ tuation bei. Gerade was die verletzten persönlichen Rechte sowie die Genugtuung des Einsprechers betrifft, ist die recht­ liche Lage für einen juristischen Laien nicht von Grund auf klar und bedarf eines rechtlichen Beistandes. Aus diesem Grund sind den gesetzlichen Vertretern des Einsprechers die durch das Verfahren entstandenen Kosten für die Verteidi­ gung im Umfang von Fr. 5467.80 zu ersetzen. Weiter sind die geltend gemachten Fr. 161.90 für Barauslagen ausgewie­ sen […] und zu ersetzen. Die vom gesetzlichen Vertreter des Einsprechers geltend gemachte Entschädigung für ausgefal­ lene und in der Freizeit nachgeholte Arbeitszeit ist nicht aus­ gewiesen. Insbesondere wurde vom gesetzlichen Vertreter des Einsprechers nicht dargelegt, weshalb er keinen An­ spruch gegenüber der Gemeinde XY. als Arbeitgeberin auf eine Freistellung während der Arbeitszeit für familiäre Ver­ pflichtungen haben soll. […] n

me Belastung des Jugendlichen darin bestand, alleine auf sich und ohne elterlichen oder rechtlichen Beistand gestellt zu sein und sich in der Unsicherheit zu befinden, wie es wohl weitergeht. Auch wusste der Einsprecher, dass man am nächsten Tag in die Ferien fahren wolle, es wurde ihm je­ doch durch die Behörden im Auftrag der Eltern nicht aus­ gerichtet, dass man am nächsten Tag zusammen in die Fe­ rien fahre. Angesichts der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche auf Strafverfahren besonders empfindlich re­ agieren, ist dem Umstand der grossen Belastung bei der Be­ messung der Genugtuung ebenfalls grosses Gewicht beizu­ messen. Schliesslich ist zu beachten, dass der Einsprecher dadurch, dass die Angelegenheit zum Schul- und Dorfge­ spräch gemacht wurde, noch während einer geraumen Zeit nach dem Vorfall Demütigungen und dadurch erhebliche psychische Belastungen erlitt. Obwohl der Fall insofern kei­ ne weitere Aufmerksamkeit auf sich zog, als er nicht Ein­ gang in die Presse fand, wurde der Einsprecher doch von Mitschülern gehänselt und von Dorfbewohnern abgestem­ pelt. Gemäss den Eltern des Einsprechers hat dieser seit dem Vorfall grosse Ängste, Panikattacken, Albträume und brau­ che viel mehr Zuwendung, als früher. Es ist davon auszuge­ hen, dass sowohl das Erlebte wie auch die Folgen davon sich in schwerer Weise auf den Einsprecher ausgewirkt haben. Unter den gegebenen Umständen ist dem Einsprecher in teilweiser Gutheissung der Einsprache eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 2000.– zuzusprechen. 3. Schadenersatz […] 3.3 § 367 Abs. 4 i.V.m. 43 Abs. 1 und 2 StPO sehen vor, dass dem Angeschuldigten im Falle der Einstellung des Ver­ fahrens eine Entschädigung für die durch die Untersuchung verursachten Kosten und Umtriebe zugesprochen werden kann, wenn diesem keine Kosten auferlegt werden und er die Untersuchung nicht durch leichtfertiges oder verwerfli­ ches Benehmen erschwert oder verursacht hat. Zu entschä­ digen sind wesentliche Kosten und Umtriebe. Zu den we­ sentlichen Kosten sind die Kosten der Verteidigung zu zählen. Handelt es sich sachlich und persönlich nicht um ei­ nen leichten Fall, so ist der Beizug eines Anwaltes immer ge­ rechtfertigt. Dies ist mit Ausnahme von Bagatelldelikten bei Verbrechen und Vergehen wohl zumeist der Fall. Zu vergü­ ten sind die Verteidigerkosten nach Anwaltstarif, wobei der Aufwand für die Verteidigung und die Wichtigkeit der Sa­ che in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen müssen (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N 1218 ff.). 3.4 Vorliegend wurden demAngeschuldigten keine Kos­ ten auferlegt, auch hat er die Untersuchung weder erschwert noch verursacht. Ausserdem handelt es sich nicht mehr um ein Bagatelldelikt. Es war den Eltern des Einsprechers, die sich selber als juristische Laien bezeichnen, nicht zuzumu­ ten, das Strafverfahren gegen ihren Sohn alleine und ohne rechtlichen Beistand zu bestreiten. Der Vorwurf der Wider­

3. Kernstrafrecht

Droit pénal primaire

3.1 Schwerpunkt Allgemeiner Teil Accent sur la partie générale

Nr. 23 Bundesgericht, I. öffentlich-rechtliche Abteilung, Urteil vom 4. September 2007 i.S. X. gegen Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, Verwal- tungsgericht des Kantons Luzern − 1C_4/2007

Art. 17, 18 StGB, Art. 16c SVG: Notstand, Führerausweisentzug. Die Bestimmungen zum Notstand gemäss Art. 17 f. StGB sind bei einem Warnungsentzug sinngemäss anwendbar (E.2.2). Das Inte­ resse des Fahrzeugführers, wegen einer schweren Durchfallerkran­ kung möglichst rasch eine Toilette aufzusuchen, rechtfertigt eine massive Geschwindigkeitsüberschreitung nicht. Bei erheblichen Ge­ schwindigkeitsüberschreitungen kommt eine Rechtfertigung durch Notstand oder Notstandshilfe allenfalls in Betracht, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Menschen in Frage steht (E.2.2). (Regeste der Schriftleitung)

forum poenale

2/2008

Made with