Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 2/2019

DR. JULIA PODLOGAR

Nahrungsergänzungsmittel Aktuelle Trends und wissenschaftliche Hintergründe

Im Vergleich zu Arzneimitteln ist der Handel mit Nahrungsergänzungsmit- teln (NEM) kaum reguliert. Für Nah- rungsergänzungsmittel besteht le- diglich eine Anzeigepflicht beim Bun- desamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), ein den Arzneimitteln vergleichbares behörd- liches Zulassungsverfahren existiert entgegen der Meinung vieler Konsu- menten nicht. Dies ergibt sich auch daraus, dass für NEM keine indikati- onsbezogenen Angaben gemacht werden dürfen; definitionsgemäß handelt es sich um Lebensmittel, die die Nahrung gesunder Personen er- gänzen sollen. Pharmakologische Wirkungen sind ausschließlich Arz- neimitteln vorbehalten. Dennoch suggeriert die Aufmachung vieler im Handel befindlicher Produkte arznei- mittelähnliche Eigenschaften; die re- gulatorischen Unterschiede sind für Laien kaum zu erfassen. Gesund- heitsbezogene Aussagen zu Lebens- mitteln inklusive Nahrungsergän- zungsmitteln sind jedoch nur erlaubt, wenn ein sogenannter „Health Claim“ von der Europäischen Lebensmittel- behörde EFSA genehmigt wurde. Die Liste der Health Claims ist eine Posi- tivliste: Was nicht ausdrücklich er- laubt ist, ist somit verboten. Bisher sind etwa 300 Health Claims geneh- migt worden. Im EU Register on Nut- rition and Health Claims, abrufbar unter ec.europa.eu/nuhclaims, sind neben den genehmigten auch alle abgelehnten Health Claims einzuse- hen. Dies kann bei der Beurteilung von Werbeversprechen hilfreich sein: Wenn die EFSA eine Behauptung mangels wissenschaftlicher Belege bereits ausdrücklich abgelehnt hat, sind entsprechende Aussagen umso unseriöser. Völlig unreguliert ist der Markt für soge- nannte Botanicals. Hierunter versteht man NEM mit Inhaltsstoffen, die weder Vitaminen noch Mineralstoffen zuzuord- nen sind und in der Nahrungsergänzungs- mittel-Richtlinie der EU als „sonstige Stoffe“ bezeichnet werden. Dies können

Dr. Julia Podlogar (Münster) ist Fachapothekerin für Arz- neimittelinformation und Klinische Pharmazie, Mitarbei- terin der Abteilung Arzneimittelinformation und Medika- tionsmanagement der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und Autorin der im DAV erschienenen Bücher „Wechsel- wirkungen zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln“ sowie „Vitamine – Mineralstoffe – Spurenelemente“.

Dr. Julia Podlogar

Neben Klassikern wie Multivitamin- präparaten, Magnesium, Calcium und Eisen werden in der Praxis zunehmend Produkte nachgefragt, die auch dem phar- mazeutischen Fachpersonal häufig nicht im Detail bekannt sind. Der vorliegende Artikel soll ausgewählte Beispiele derzeit „angesagter“ NEM vorstellen und die wis- senschaftliche Grundlage der erhofften Wirkung inklusive potenzieller Risiken beleuchten.

zum Beispiel Pflanzen, Pflanzenteile und -extrakte, Pilze, Algen oder Phytosterine sein. Für diesen Bereich gibt es anders als für Vitamine und Mineralstoffe kei- ne Positivliste, die alle erlaubten Zusätze aufführt. 1 Auch Health Claims werden für diesen Bereich derzeit nicht geprüft. Be- reits auf dem Markt befindliche Präpara- te genießen Bestandsschutz und dürfen solange weiter vertrieben werden, bis die zuständigen Lebensmittelüberwachungs- behörden der Länder ein bestimmtes Produkt im Rahmen einer Einzelfallent- scheidung zum Beispiel aufgrund unzu- lässiger Behauptungen verbietet und die Entscheidung – nach Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten seitens der Hersteller – rechtskräftig ist.

Roter Reis

Unter den Begriffen Roter Reis, Rotschim- melreis oder Angkak versteht man das Fer- mentationsprodukt von handelsüblichem Reis (Oryza sativa) mit Schimmelpilzen der

ABBILDUNG 1: Roter Reis

Foto: ©Hendraxu – stock.adobe.com

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 11

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