Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 2/2019

NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL

ABBILDUNG 4: Maca (Peru-Ginseng)

Geruchsbelastung durch den unweiger- lich entstehenden Schwefelwasserstoff soll man nach Angaben der Verfechter als positives Zeichen des einsetzenden Reini- gungseffekts werten und dankbar anneh- men. Selbstverständlich entbehrt diese Vorgehensweise jeder wissenschaftlichen Grundlage, es liegen keinerlei Studien vor und Schwefelwasserstoff ist darüber hin- aus bekanntermaßen toxisch. Ein Blick in einschlägige Internetforen lässt jedoch ahnen, dass die „Darmsanierung nach Dr. Probst“ relativ viel Zulauf erfährt – eine umfassende Aufklärung durch kompeten- te Fachleute tut also Not. Cyanobakterien der Gattung Spirulina werden als Flocken, Pulver und auch in Form von NEM vertrieben (Abb. 3). Her- vorgehoben wird vor allem der hohe Gehalt an Chlorophyll – ernährungsphy- siologisch völlig irrelevant – und Protein. Prozentual stimmt letzteres zwar, aber aufgrund der geringen absoluten Men- gen, die pro Tag zugeführt werden, fällt das zum Beispiel bei einem Proteinbedarf von durchschnittlich 63g bei einer 70 kg schweren Person kaum ins Gewicht. Im In- ternet kursieren vielfältige Versprechun- gen zu präventiven oder therapeutischen Wirkungen bei Schmerzen, erhöhten Blutfettwerten, Diabetes, Allergien, In- fektionen, Übergewicht, Krebs und vielem mehr. Nichts davon ist durch qualitativ hochwertige Humanstudien belegt. Die publizierten Arbeiten zum Thema sind unseriös oder weisen erhebliche metho- dische Mängel auf. Ein Antrag auf einen Health Claim, der Spirulina einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Blutzuckerspie- gels bescheinigen sollte, wurde von der EFSA abgelehnt. 14 Spirulina

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als Wirksamkeitsbelege geeignet. Völlig unklar sind außerdem die verantwortli- chen Inhaltsstoffe, auf die standardisiert werden könnte, die optimale Dosierung, mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen sowie langfristige Effekte auf Morbidität oder Mortalität. 16 Die auch als Peru-Ginseng bekannte Maca-Pflanze (Lepidium meyenii) wird in Südamerika als Nahrungsmittel angebaut, aber auch als Heilpflanze zur Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungs- fähigkeit verwendet (Abb. 4). NEM mit Maca, die meist die pulveri- sierte Knolle enthalten, werden vor allem als pflanzliche Potenzmittel angepriesen. Tatsächlich scheint ein gewisser Effekt auf den Hormonhaushalt und die Ge- schlechtsorgane zu bestehen, weshalb das Bundesinstitut für Risikobewertung es für nicht möglich hielt, gesundheitlich unbedenkliche obere Zufuhrgrenzen zu bestimmen. 17 Aussagekräftige Human- studien zur Wirksamkeit im beworbenen Einsatzgebiet oder gar zur Sicherheit der Anwendung existieren nicht. Zu beachten ist, dass „pflanzliche“ Mittel zur Potenzsteigerung häufig nicht deklarierte Beimischungen von PDE- 5-Hemmern enthalten, auf die ein even- tuell beobachteter Effekt im Zweifel sehr viel eher zurückzuführen ist als auf die pflanzlichen Inhaltsstoffe. Dies ist beson- ders bei gleichzeitiger Anwendung eines PDE-5-Hemmer-haltigen Arzneimittels und bei bestehenden Kontraindikationen gegen diese gefährlich. Neben der Verwendung als „pflanz- liches Potenzmittel“ wurde ein Maca

Spirulina-Präparate werden speziell für Veganer, denen eine bedarfsdeckende Versorgung mit Vitamin B 12 durch den voll- ständigen Verzicht auf tierische Produkte ohne Supplemente oder angereicherte Lebensmittel nicht möglich ist, als „natür- liche B 12 -Quelle“ beworben. Das enthalte- ne Vitamin-B12-Derivat ist jedoch für den Menschen nicht verwertbar; außerdem wird Vitamin B 12 für Supplemente, Arznei- mittel u. ä. synthetisch hergestellt und ist somit für Veganer unproblematisch. 15 In Ostasien werden Beeren, Rinde und Blätter des Amla-Baums traditionell bei verschiedensten Erkrankungen eingesetzt. Die Amla-Beere, auch Indische Stachel- beere genannt, wird in Form von Nah- rungsergänzungsmitteln als pflanzlicher, harmloser Cholesterinsenker angeboten. Aussagekräftige Studien zu Wirksam- keit und Sicherheit fehlen jedoch. Zwar finden sich bei der Literaturrecherche einige Humanstudien, allerdings weisen diese erhebliche methodische Mängel wie fehlende Verblindung und Rando- misierung, kurze Laufzeit oder geringe Probandenzahl auf und sind daher nicht Amla-Beeren

ABBILDUNG 3: Spirulina, Pulver und Tabletten

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