Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 2/2019

MATTHIAS BAUER

TABELLE 1:

von „dessert-/honigartig“ bis zum festen Riegel. Von vielen Patienten werden die OBD als „Astronautenkost“ bezeichnet. Um 1930 wurde erstmalig eine chemisch definierte, ernährungsphysiologisch kom- plette Nährlösung hergestellt, die eigent- lich für die Stoffwechseluntersuchung von Patienten konzipiert worden war. Da diese Ernährungslösungen keine Ballast- stoffe enthielten und fast rückstandslos verwertet wurden, waren sie für die Welt- raumforschung von Interesse und erhiel- ten die Bezeichnung „Astronautenkost“. Die heutigen OBD gab es in dieser Form natürlich nicht als „Astronautenkost“. Die OBD sind erhältlich mit einer Nähr- stoff-Standardformulierung („Standard- nahrung“) oder als krankheitsspezifische Nahrung. Im Gegensatz zu den vollbilanzierten, sind die teilbilanzierten OBD nicht als al- leinige Nahrungsquelle geeignet und ver- fügen über eine inkomplette oder unaus- gewogene Nährstoffzusammensetzung. Einige teilbilanzierte Diäten enthalten einzelne Nährstoffe in höherer Dosierung, zum Beispiel Antioxidantien. 6 Zudem exis- tiert eine Unterscheidung in hoch- und niedermolekulare Diäten. Erstere enthal- ten intakte Proteine, langkettige Triglyce- ride (LCT) und Kohlenhydrate, bevorzugt Maltodextrine. Synonym werden sie als „Formeldiät“, „Formuladiät“ oder ganz all- gemein als „Standardnahrung“ (s. Tab. 2) bezeichnet. Die Nährstoffrelation dieser Nahrungen entspricht im Wesentlichen der üblichen oralen Ernährung in Form der Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) oder der DGEM. Ein ausreichend funktionie- render Gastrointestinaltrakt ist Voraus- setzung. Hochmolekulare Diäten sind für die allermeisten Patienten geeignet. Sie

„Health-Claims-Verordnung“ für bilanzier- te Diäten nicht mehr erlaubt sind. Grund dafür ist, dass sich diese Informationen an Gesunde richten, bilanzierte Diäten aber für kranke Menschen bestimmt sind. Desweiteren enthält die delegierte Verordnung (EU) 2016/128 in Artikel 6 besondere Vorgaben zur Nährwertdekla- ration. Die Neuregelung des Rechts für diätetische Lebensmittel hat auch zum Ziel, den Zugang für zweifelhafte Gesund- heitsmittel in den Markt zu verhindern. Verschiedenste Produkte wurden immer wieder als angebliche, ergänzende bilan- zierte Diäten auf den Markt gebracht, ob- wohl sie dies nicht sind. Die Feststellung, ob ein Erzeugnis wirklich unter die Defini- tion einer bilanzierten Diät fällt, soll durch die neue Gesetzgebung vereinfacht wer- den. Nach wie vor bleibt die Beurteilung des Status eines bestimmten Produktes zunächst eine nationale Entscheidung. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und Bun- desinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM) haben bereits 2016 ein Positionspapier 3 erstellt, mit dem eine Einordnung der Produkte erleichtert wird. Es soll dabei helfen, „schwarze Schafe“ ausfindig zu machen, die zu Unrecht als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke auf den Markt kommen wollen. 4 Zusätzlich wird in der delegierten Ver- ordnung vorgegeben, dass die Behörde weitere Informationen zu dem Produkt verlangen kann. Vor Einführung dieser Verordnung, mussten die Hersteller das Inverkehrbringen einer bilanzierten Diät lediglich beim BVL anzeigen und ein Mus- teretikett einreichen. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungmedizin (DGEM) 5 kennt vollbilanzierte Diäten als orale bilanzierte Diäten (OBD) oder Sondennahrungen, die aufgrund der Zusammensetzung und der empfohlenen Tageszufuhrmengen als al- leinige Nahrungsquelle geeignet sind. ImStations- und ambulanten Bereichwird häufig von Trinknahrung gesprochen, weil die OBD entweder bereits flüssig oder in Form eines in Flüssigkeit auflösbaren Pulvers angeboten werden. Desweiteren gibt es heutzutage sogenannte konsis- tenzadaptierte OBD mit Konsistenzen Orale bilanzierte Diäten (OBD)

Indikationen für chemisch definierte Diäten

Intoleranz gegenüber den hochmolekularen OBD Resorptionsstörungen nach längerer Nahrungs- karenz Kurzdarm-Syndrom

TABELLE 2:

sind ballaststoffhaltig oder ohne Ballast- stoffe erhältlich. Die Energiedichte liegt zwischen 1 und 2,5 kcal/ml. Die nieder- molekularen oder chemisch definierten Diäten, die auch unter den Bezeichnun- gen „Peptid-Diät“ oder „Oligopeptid-Diät“ angeboten werden (s. Tab. 1), enthalten die Proteine teilhydrolysiert, vorwiegend als Peptide. Fette sind meist in Form von MCT-Fetten (mittelkettige Triglyceride) enthalten, um der beeinträchtigten Di- gestions- und Resorptionsleistung gerecht zu werden. Diese Diäten sind immer bal- laststofffrei und werden nur von wenigen Patienten benötigt. proteinreiche Standard-Diäten mit einem höheren Proteinanteil ab ca. 10 g/100 ml krankheitsspezifische bilanzierte Diäten für nephrologische, hepatologische, pulmonale und immunmodulierende Bedürfnisse fettfreie OBD Standardnahrungen normokalorische Standardnahrungen mit einer Energiedichte von 1 kcal/ml hochkalorische Standard-Diäten mit einer Energiedichte ab 1,5 kcal/ml

Indikationen für OBD

Wie eingangs erwähnt, kommen OBD als Ergänzung oder als Ersatz für eine Er- nährung mit normalen Lebensmitteln immer dann zum Einsatz, wenn deren

TABELLE 3:

Reihenfolge der Vorgehensweise 1.

Evaluation und konsequente Therapie der individuellen Ursachen

2. Ernährungsmodifikation (individuelle Wunschkost, Vermeiden von Lebensmitteln, die Unverträg- lichkeiten auslösen, Unterstützung bei Schluckbeschwerden und Demenz, Einsatz von Hilfsmitteln usw.) 3. Anreicherung der Nahrung, zum Beispiel mit hochwertigen Ölen, Rahm, Butter oder Spezialproduk- ten (Malto-Dextrin), zur Eiweißanreicherung Reib- und Frischkäse, Eigelb, Milch oder Spezialprodukt (Eiweißpulver) 4. krankheitsspezifische bilanzierte Diäten für nephrologische, hepatologische, pulmonale und immunmodulierende Bedürfnisse 5. Sondenernährung 6. Parenterale Ernährung

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 19

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