Blickpunkt Schule 5/2022
Wir sprechen nicht mehr die gleiche Sprache
Klartext
U m eines imVorhinein klarzu stellen: Wir sind uns ganz ge wiss alle einig in der Über zeugung, dass alle Menschen, egal welche Hautfarbe, welches Ge schlecht oder welche Religion sie ha ben, gleiche Rechte haben, dass nie mand diskriminiert werden darf, dass es unser Ziel sein sollte, an der weite ren Verwirklichung dieser Ideale täg lich zu arbeiten. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, mit welchen Mit teln wir diesen Weg zu verfolgen ge denken, und diesbezüglich kann es nicht nur den einen einzigen Weg ge ben und es kann und sollte auch Kritik geäußert werden dürfen. Im vorlie genden Fall geht es um die Sprache und deren Entwicklung, insbesondere seit Corona, und zwar generell in un serer Gesellschaft, aber auch und speziell an Schulen. Es ist klar, dass Diskussionen über Sprache ein großes Spaltpotenzial besitzen. Denn so wie eine Person redet, so tickt sie auch. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Art, wie jemand spricht, und der Art, wie jemand denkt und fühlt. Insofern kann die Kritik an einer Art, wie jemand spricht und sich aus drückt, sehr leicht in eine Kritk an der ganzen Person ausarten und tiefe Gräben in persönlichen Beziehungen aufreißen. Das aber sollte in jedem Fall vermieden werden. Es soll um die Sache gehen, nicht um persönliche Dinge. Der Genderstern (oder vergleich bare Zeichen wie der Doppelpunkt) ist an vielen Schulen auf demVormarsch. In offiziellen Verlautbarungen, in Rundmails an die Schulgemeinde, auf Homepages oder in internen Mittei lungen ist er allgegenwärtig gewor den. Vermutlich wird er in vielen Klas senzimmern auch schon ein Bestand teil der geschriebenen oder gar der gesprochenen Sprache geworden sein. Es wird bereits sogar von Schulen berichtet, in denen Schülerinnen und
Schüler von ihren Lehrkräften explizit zum Gebrauch des Gendersterns auf gefordert werden. Nicht mehr fern er scheint der Tag, an dem er auch in Klassenarbeiten, Klausuren oder Hausarbeiten, so wie bereits in einigen Bereichen der Universitäten, seinen Siegeszug angetreten haben wird. Doch dazu später mehr. An dieser Stelle sei zunächst einmal auf einige nüchterne, aber sehr be deutsame Fakten hingewiesen. Erstens: Der deutsche Recht schreibrat, der die Regeln zur deut schen Sprache festlegt (und eben nicht mehr der vielzitierte Duden), hat in einer Stellungnahme vom 23. März 2021 klipp und klar formuliert, dass er sich bis auf Weiteres nicht mit der Aufnahme des Gendersterns im amt lichen Regelwerk befassen werde. 1 Zweitens: Die Gesellschaft für deutsche Sprache (übrigens nicht zu verwechseln mit dem von manchen Kritikern als ’rechtslastig’ bezeichne ten ’Verein für deutsche Sprache’), die unter anderem den Deutschen Bun destag in allen sprachlichen Belangen berät und die von der Kultusminister konferenz finanziert wird, rät in ihren aktuellen ’Leitlinien für eine gender gerechte Sprache’ vom Genderstern ausdrücklich ab. 2 Nüchtern betrachtet bedeutet dies, dass der Genderstern im amtlichen Regelwerk nicht vorkommt und somit letztlich einen Verstoß gegen die gül tigen Orthografieregeln darstellt. Der hoch dekorierte Linguist Peter Eisenberg 3 sei hier zitiert: »Der Rat für deutsche Rechtschreibung, die staat lich bevollmächtigte Institution für die Normierung der Orthografie, hat im März 2021 (…) beschlossen, den Stern (…) nicht in die amtliche Regelung aufzunehmen. Eine Missachtung sei ner Beschlüsse im öffentlichen Dienst ist als Dienstpflichtverletzung zu wer ten, denn die gerade dort verbreitete Verwendung des Sterns, insbesondere
an Schulen, ignoriert die geltenden Regeln. Jeder Stern ist ein Orthogra fiefehler.« 4 Vertreter der Gendersprache wer den nun einwenden, das sei eine spießige und veraltete Ansicht. Sprache sei nun einmal nicht sta tisch, sondern immer ’dynamisch’ und ’im Wandel’. Heutzutage brau che man in der Gesellschaft eine Sprache, die »alle Menschen gleich welchen Geschlechts« anspricht. Niemand dürfe sich durch die Spra che ausgegrenzt fühlen. Oft be kommt man zu hören, dass derjeni ge, der sich dagegenstemme, die Zeichen der Zeit nicht erkannt habe, männlich dominierten Weltbildern nachhänge oder gar um seine alten »Privilegien als Mann« bange – und dergleichen mehr. Doch um einen ganz zentralen Punkt hier klarzustellen: Bei dem zu beobachtenden Umbau der Sprache handelt es sich mitnichten um einen ’natürlichen’ Sprachwandlungspro zess. Hier wandelt sich Sprache nicht, sondern sie wird gezielt gewandelt . Das ist ein gewaltiger Unterschied. In einem äußerst aufschlussreichen Artikel in der FAZ vom 16. Februar 2022 wird dies als »Sprachplanung im Großformat« in Form eines »his torisch einzigartigen technokrati schen Eingriffs« beschrieben. 5 Die Grammatik wird umgebaut, das Ge nussystem auf den Kopf gestellt, vo rangetrieben von Aktivisten und ih rem Umfeld, seit einigen Jahren aus gehend von bestimmten Bereichen der Hochschulen (mit den ursprüngli chen Anfängen in der feministischen Linguistik der Siebzigerjahre über Protagonistinnen wie Luise Pusch bis heute), von dort hineingetragen in die Medien, in bestimmte politische Gruppierungen und Parteien, bis hi nein in Verwaltungen und ähnliche Kommunen wie die Stadt Köln oder neuerdings auch Bonn geben Hun
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SCHULE
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