GOLF TIME 4/2023

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Gott hatte einen Plan für mich, und der ist offensichtlich viel größer, als ich es mir je mals hätte vorstellen können.“ Zu Beginn der U.S.-Open-Woche hatte er 18 von 21 Cuts dieser Saison geschafft, bei Weitem seine beständigste Leistung, und landete sechsmal in den Top 10. Im Mai gewann er die Wells Fargo Champi onship (und 3,6 Millionen U.S.-Dollar). Er beherzigte einen neuen mentalen Ansatz (von Mentaltrainerin Julie Elion), der ihm seiner Meinung nach geholfen habe, sich an den Wochenenden besser zu konzentrie ren. Eines der Dinge, zu denen Elion Clark ermutigte, war, in jedem Turnier drei Ziele zu verfolgen: 1. Genieße deine Zeit auf dem schönen Golfplatz. 2. Sei frech da draußen. 3. Erinnere dich an die ersten beiden Din ge. Und als er am U.S.-Open-Finalsonntag im letzten Flight mit Rickie Fowler die endlosen „Rickie“-Anfeuerungsrufe hör te, befolgte er genau Elions Ratschlag und blieb selbstbewusst. „Sie sagte: ‚Jedes Mal, wenn du jemanden ‚Rickie‘ rufen hörst, denk an deine Ziele, sei übermütig und zei ge ihnen, wer du bist“, sagte Clark. „Heute habe ich mich sicher mehr als 100 Mal an diese Ziele erinnert.“ EIN WÜRDIGES ENDE Clark stand also am 18. Abschlag und brauchte ein Par, um die 123. U.S. Open zu gewinnen. Eine der letzten Botschaften, die seine Mutter Lise ihrem Sohn mitgege ben hatte, war: „Spiel groß auf“, nicht nur beim Golf, sondern auch im Leben. Das war ihr Mantra. Am 18. Abschlag, als die Sonne langsam unterzugehen begann, schlug Clark einen starken Fade, fand aber noch die rechte Seite des Fairways. Sein Approach aus 180 Metern landete auf der Vorderseite des Grüns. Clark rollte seinen Birdieputt direkt zum Loch, der Tap-in zum Par war nur noch Formsache. Es war geschafft. Als der Ball im Loch ver schwand, ballte Clark die Faust und die Emotionen strömten aus ihm heraus. Er umarmte seinen Caddie und Freund John Ellis und vergrub dann schluchzend sei nen Kopf in seiner Kappe. Als Nächstes kamen seine Familienmitglieder. Er um armte sie alle, sie weinten: sein Bruder, sei ne Schwester, seine Freundin. Auch Fowler gratulierte ihm. „Deine Mutter war bei dir“, sagte er, „sie wäre sehr stolz.“ Clark widersprach nicht. „Meine Mutter war so positiv und ein großer Motivator in allem, was sie tat“, sagte Clark, die silberne U.S.- Open-Trophäe an seiner Seite. „Sie würde heute Freudentränen weinen. Sie nannte mich immer Wynner, als ich klein war, also würde sie jetzt wahrscheinlich einfach nur sagen: ‚Ich liebe dich, Wynner!‘“ GT

WYNNER SIEGT IN HOLLYWOOD

nem Schlag Vorsprung auf Rory McIlroy reichen sollte. Während für den Nordiren und Rickie Fowler, der am Finaltag mit ei ner 75 (+5) noch auf den geteilten fünften Platz zurückfiel, wieder einmal ein Major mit Tristesse endete, konnte Wyndham Clark wuchs in Denver, Colorado, auf, wo seine Mutter Lise ihn im Alter von drei Jahren mit dem Golfsport in Berührung brachte. Er lernte mit und von seinem Va ter Randall, spielte und trainierte im Cher ry Hills Country Club, gewann zwei High school-Staatsmeisterschaften und spielte College-Golf im Bundesstaat Oklahoma. Während seines ersten Jahres als Cowboy wurde bei seiner Mutter Brustkrebs diag nostiziert. Sie starb im Jahr 2013. Ihr Tod erschütterte Clark sowohl auf als auch abseits des Platzes. Er zerschmetterte die Schläger und gab inmitten so mancher Runde einfach auf. Er hatte Schwierigkei ten, sich zu konzentrieren. Clark wech selte dann, widerwillig, nach zwei Jahren nach Oregon. Im Jahr 2017 wurde er Profi, schaffte in seinen ersten beiden Jahren auf der PGA Tour zwei von acht Cuts und hat te in den letzten vier Jahren gemischte Er folge: 62 Prozent der Cuts und neun Top 10-Platzierungen, sein bestes Ergebnis war ein zweiter Platz bei der Bermuda Cham pionship 2020. Er fühlte sich ohne seine Mutter verloren und war frustriert, dass er nicht mit seinen Kollegen mithalten konn te, obwohl er wusste, dass er es könnte. Er schlug in seinem Auto auf Gegenstände ein und schrie. „Ich bin wirklich froh, dass ich da durchgehalten habe“, sagte Clark. „Und Clark sein Glück kaum fassen. MENTALE ACHTERBAHN

→ „Ich weiß, dass meine Mutter stolz auf mich wäre“, sagte Wyndham Clark, der jüngste Major-Champion des Golfsports, der im Los Angeles Count ry Club (LACC) die 123. Auflage der U.S. Open für sich entscheiden konnte. „Sie war immer stolz auf mich, egal wie es mir ging oder was ich machte. Ich wünschte nur, sie könnte hier sein und wir könnten das ge meinsam genießen.“ So ziemlich niemand hatte den 29-jährigen Clark vor den Toren Hollywoods angesichts der Starpower auf dem Leaderboard auf der Rechnung. Klar teilte er bei 10-unter-Par die 54-Loch-Füh rung mit Fanfavorit Rickie Fowler. Doch dahinter lag der nordirische Superstar Rory McIlroy nur einen Schlag zurück. Und auch Scottie Scheffler, die Nummer 1 der Welt, lauerte auf der Suche nach seinem zweiten großen Titel ebenso unmittelbar dahinter. Clark? Dies war erst sein siebter Start bei einem Major, sein bestes Ergebnis zuvor war ein geteilter 75. Platz. Niemand hätte gedacht, dass dessen Woche Stoff für ein Hollywood-Drehbuch sein könnte. Aber Wyndham schaffte am Finaltag eine solide Par-Runde, die für den Sieg mit ei sich seinen ersten Major-Titel. Rory McIlroy und Rickie Fowler haben erneut das Nachsehen. Von Markus Scheck Wyndham Clark gewinnt als Außenseiter die 123. Ausgabe der U.S. Open und sichert

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