Blickpunkt Schule 5/2020

Atemübungen Die Atmung ist ein Verbindungsglied zwischen Körper und Geist. Patanjali 9 beschreibt, dass der Übende durch die Ar- beit mit seinem Atem Zugang zu seinen Emotionen hat. Beim Ausatmen kann man die eigenen Gedanken beruhi- gen. Nur durch die Aktivierung der Bauchatmung, die über die Zwerchfellatmung funktioniert, wird Entspannung möglich, nicht über die Brustatmung. Viele Kinder und noch mehr Erwachsene verlieren schon früh die Kontrolle über die natürliche Bauchatmung. Diese Bewusstmachung ist eine meiner ersten Übungen im Kinderyoga. Auf der psychologischen Ebene verbessern sich bei den Kindern die Stimmung und die Vitalität, Aggressivität und Angst nehmen ab. Zufriedenheit stellt sich ein. Auf biologischer Ebene nehmen Cortisol- und Testoste- ronanteile ab. Weiterhin erreichen Kinder im Idealfall ihr gesundes Körpergewicht. Es wurde eine Zunahme von Kör- perfestigkeit und körperlicher Leistungsfähigkeit beobach- tet. Zudem wurde die Erholungsfähigkeit der Kinder am Parameter der Herzfrequenzvariabilität beobachtet. Auf psychologischer Ebene verbessern sich impulsive Verhaltensweisen, Hyperaktivität wird abgebaut und die Konzentration wird gesteigert. Es folgt die automatische Integration von erlernten Yogatechniken in den Alltag. Wissenschaftliche Untersuchungen zumYoga mit Kindern und Jugendlichen Um Kindern die Chance zu bieten, Yoga in ihren Alltag zu integrieren, sind Bildungseinrichtungen notwendig, die dieses Vorhaben unterstützen. Markus Stück arbeitete 1994 im Rahmen einer Dissertation an einem Zwei-Jahres- Projekt mit Mittelschülern einer Leipziger Schule. Er er- stellte ein Yogaprogramm, das er mit wissenschaftlichen Methoden untersuchte. In einer Tagung zu ’Yoga in der Schule’ in Essen stellte er die Ergebnisse seiner Forschung vor. Anhand seiner Dissertation ebnete er den Weg für eine öffentliche Diskussion über und die Akzeptanz zumThema Yoga in Institutionen wie Schulen. Weitere Personen, die sich demThema annahmen, waren Susanne Augenstein und Nicole Goldstein. 2002 entwickelten und evaluierten sie evidenzbasierte Kinderyogaprogramme für Grundschü- ler, unter anderem für hyperaktive Kinder. In einemmehr- jährigen Erprobungs-, Entwicklungs- und Evaluationszeit- raum wurden auch drei- bis sechsjährige Kinder in der For- schung berücksichtigt sowie Kinder aus Hauptschulen und Gymnasien. Seitdem bieten auch Kindergärten Yoga an. Um unmittelbare Beobachtungen durchführen zu kön- nen, wurden bei den Kindern vor und nach Yogaeinheiten Herzfrequenz und systolischer Blutdruck sowie Cortisol- und Immunglobulin-A-Spiegel im Organismus gemessen (Letzterer ist ein Antikörper zur Stärkung der Immunab- Anzustrebende Ziele imYoga mit Kindern und Jugendlichen

Literarische Quellen und Bezugnahme

wehr, der im entspannten Zustand vermehrt ausgeschüttet wird). Es wurde insgesamt eine zunehmende Balance im Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathi- kus beobachtet. 2011 wurde eine Stichprobe mit Kindern an der Universi- tät Leipzig im Rahmen der Diplomarbeit von Görbing und Ludwig 10 gemacht und eine zufriedenstellende Bilanz ge- zogen. Ein Beispiel: Bei der Messung der Herzfrequenz kann man die parasympathisch gesteuerte Entspannungs- fähigkeit von Menschen erkennen. Die langfristig beobach- teten Messungen der Herzfrequenzvariabilität in der Stich- probe ließen auf einen sogenannten Transfereffekt der kindlichen Entspannungsfähigkeit schließen. Mittlerweile wurde das Programm erweitert und als KOP (Körper-orientiertes Programm) bundesweit sowie in der Schweiz, in den Niederlanden und in Luxemburg verwen- det. Das Programm von Dr. Susanne Augenstein wird fort- laufend evaluiert. 11 Die meisten Forschungen zumThema Yoga mit Kindern wurden in Indien und in den USA erstellt und in Journalen veröffentlicht. 12 Erwähnenswert wäre hier meines Erachtens noch die Dissertation von Shannon Price 2008, die neben interes- santen Beobachtungen ihrer Arbeit auch ein von ihr entwi- ckeltes Ausbildungshandbuch für Lehrer anbietet. 13 Lehrkräfte im Blick: SYSRED – Das Netzwerk Schule Stück entwickelte 1994 bis 2006 ein integratives Belas- tungsbewältigungskonzept für Kita, Hort und Schule: 4. Stück, Markus (Hrsg.): Wissenschaftliche Grund- lagen zumYoga mit Kindern und Jugendlichen, aus: ’Neue Wege in Psychologie und Pädagogik, Buch 3’, Schibri Verlag, Uckerland OT Milow 2011. 1. Fessler, Norbert; Kaiser, Alexia: ’Entspannungs- training in der Schule’. Ergebnisse einer Bildungs- analyse in der Primarstufe. In: Viveka 53, Persön- lichkeit bilden. Eine Untersuchung von Prof. Dr. Norbert Fessler und Alexia Kaiser zur Verwendung von Entspannungstechniken in den bundesweiten Bildungslehrplänen der Primarstufe und die Bedeutung deren Implementierung mit besonde- rem Bezug auf Yoga, S. 7 bis 14. 2. Bahrmann, Anna Leena; Rechlin, Magdalena: ’Yoga macht Schule’. Ein Fortbildungskonzept für Pädagoginnen und Pädagogen. In Viveka 53, Persönlichkeit bilden, S. 15 bis 21. 3. Gurlitt, Cornelius: ’Man soll Denken lehren, nicht Gedachtes’, in: Becker-Oberender Cornelia; Sriram, R.: Yoga für Kinder und Jugendliche, Petersberg, Verlag Via Nova 2015.

Berichte aus der Praxis

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SCHULE

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