sic! 06/2017

Frank Bremer  |  Désirée Stebler

KG 19 . Dies geschieht praxisgemäss in der von denWettbewerbsbehörden heraus- gegebenen Entscheidsammlung «Recht und Politik des Wettbewerbs (RPW) » und auf der eigenen Internetseite 20 . Verfügungsanträge sind lediglich Entscheidentwürfe, welche die spätere Verfügung vorbereiten. Entsprechend stellt Art. 35 Abs. 1 GR-WEKO klar, dass Endverfügungen publiziert werden. Art. 48 Abs. 1 KG ermächtigt somit nicht zur Veröffentlichung von Verfügungsan­ trägen. Zu prüfen ist daher, ob eine Veröffent- lichung auf Art. 49 Abs. 1 KG als ge­ setzliche Grundlage gestützt werden könnte, wonach dieWettbewerbsbehör- den die Öffentlichkeit über ihre Tätig- keit orientieren. Nach der Rechtspre- chung fallenMedienmitteilungen, Pres- sekonferenzen oder die Beantwortung von Anfragen der Presse unter den Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 KG 21 . Art. 48 Abs. 1 KG ist in Bezug auf die Veröffentlichung von Verfügungen lex specialis zu Art. 49 Abs. 1 KG 22 . Nach 20 Siehe . Die RPW erscheint in unregelmässigen Abständen ein- schliesslich des Tätigkeitsberichtes des Preis- überwachers fünfmal pro Jahr. Die Wett­ bewerbsbehörden veröffentlichen die Ver­ fügungen regelmässig zunächst auf ihrer Internetseite, um nicht bis zur Herausgabe der RPW zuwarten zu müssen. Da mit den Verfahrensbeteiligten häufig Streit über Ab- deckungen bestimmter Textpassagen ins­ besondere zum Schutz von Geschäftsgeheim- nissen besteht, handelt es sich teilweise um vorläufige Publikationsversionen. 21 Vgl. BVGer vom 19. Dezember 2013, B-506/2010, E. 6.4.2. 22 Vgl. T. Nydegger/W. Nadig, in: M. Am- stutz /M. Reinert (Hg.), Kartellgesetz, Basel 2010, KG 48 N 9. 3. Art. 49 KG erlaubt keine personenbezogene Öffentlichkeitsarbeit 19 Vgl. BGer vom 26. Mai 2016, 2C_1065/2014, E. 4.4.2. (nicht publizierte Erwägung in BGE 142 II 268).

der hier vertretenen Auffassung ent­ faltet Art. 48 Abs. 1 KG aus gesetzessys- tematischen Gründen insoweit eine Sperrwirkung. Hierfür sprechen auch teleologi- sche Gründe. Da die WEKO durch den Verfügungsantrag in keiner Weise gebunden ist, kann die Verfügung er- heblich abweichen, was in der Praxis zwar selten der Fall ist, jedoch vor- kommt 23 . Der Verfügungsantrag gibt daher entgegen Art. 35 Abs. 2 GR-WEKO nicht notwendigerweise die Praxis der Wettbewerbsbehörden wieder 24 . Die gemäss Bundesgericht mit der Ver­ öffentlichung einer Verfügung verfolg- ten Zwecke, namentlich die Beeinflus- sung des Verhaltens der Unternehmen imWirtschaftsprozess, die Transparenz der Verwaltungsaktivitäten und die Information der mit Wirtschaftsfragen befassten kantonalen und Bundes­ behörden 25 , würden vor diesemHinter- grund nicht nur verfehlt, sondern sogar gefährdet werden. Art. 49 Abs. 1 KG bietet somit zwar keine Rechtsgrundlage für die Ver­ öffentlichung des Verfügungsantrags, erlaubt aber imRahmen der allgemeinen Informationstätigkeit der Wettbewerbs- behörden nicht personenbezogene Angaben zumVerfügungsantrag (siehe hinten V). 4. Art. 19 Abs. 1 bis DSG tritt wegen bereichsspezifischer Regelung des KG zurück Für eine entsprechende Informations- tätigkeit könnten sich dieWettbewerbs- behörden möglicherweise noch auf datenschutzrechtliche Bestimmungen 23 Vgl. bspw. RPW 2016, 652 ff. Rz. 85, «Flügel und Klaviere». 24 Zudem enthält der Verfügungsantrag noch nicht die Würdigung der Stellungnahmen und Anhörung der amVerfahren Beteiligten, sodass er auch inhaltlich unvollständig ist; vgl. Zirlick/Tagmann (Fn. 5), KG 30 N 6. 25 Vgl. BGE 142 II 268 E. 4.2.5.

berufen. Zu denken ist insbesondere an Art. 19 Abs. 1 bis DSG 26 . Danach dürfen Bundesorgane im Rahmen der behördlichen Information der Öffentlichkeit von Amtes wegen auch Personendaten bekannt geben, wenn diese im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stehen (lit. a) und an deren Bekanntgabe ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht (lit. b). Zu beachten ist aber, dass die kartellrechtlichen Bestimmungen zur Informationstätigkeit der Wettbewerbs- behörden bereichsspezifische Regelun- gen darstellen. Es ist daher fraglich, inwieweit den datenschutzrechtlich vorgesehenen Ermächtigungsnormen für die behördliche Informationstätig- keit daneben materiell noch eine eigen- ständige Bedeutung zukommt 27 . Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich die Lehre für eine restriktive Auslegung von Art. 19 Abs. 1 bis DSG aus- spricht 28 . 26 Es liesse sich argumentieren, dass bereits der Geltungsbereich des DSG nicht eröffnet sei, weil es sich bei einem kartellrechtlichen Sanktionsverfahren nach Art. 49a KG um ein hängiges Strafverfahren im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG handelt. Gemäss BGE 142 II 268 E. 4.2.5.2 stellt aber der Erlass einer Sanktionsverfügung kein Strafverfahren im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 BGÖ dar. Dies muss entsprechend auch für Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG gelten. Die vom Bundes­ gericht anerkannte «strafrechtsähnliche» Natur der Sanktionen nach Art. 49a KG (BGE 139 I 72 E. 4.4) wird damit indes zum blos­ sen Lippenbekenntnis. 27 Vgl. BGE 142 II 268 E. 6.3, 6.4.2; J. Ehrens­ perger, in: U. Maurer-Lambrou/G.P. Blechta (Hg.), Datenschutzgesetz, 3. Aufl., Basel 2014, DSG 19 N 36. 28 Y. Jöhri, in: D. Rosenthal /Y. Jöhri (Hg.), Handkommentar zum Datenschutzgesetz sowie weiteren ausgewählten Bestimmun- gen, Zürich 2008, DSG 19 bis N 65; R. Wat- ter/U. Kägi, Öffentliche Informationen über Verfahren und Entscheide in der Finanz- marktaufsicht – zwischen Transparenz und Pranger, AJP 2005, 49.

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