sic! 06/2017

3. Persönlichkeits- und Datenschutzrecht  |  Protection de la personnalité et protection des données

1.5 Auf die Beschwerde ist folglich einzutreten. […] 2.2 Die Vorinstanz beruft sich – wenn auch in anderem Zusammenhang – auf die rechtshängigen Beschwerden ge- gen die Publikationsverfügung. Folg- lich ist zu klären, ob der Ausnahme­ tatbestand von Art. 2 Abs. 2 lit. d DSG [recte: lit. c DSG] greift, gemäss wel- chem das DSG unter anderem keine Anwendung findet auf hängige ver- waltungsrechtliche Verfahren (mit Ausnahme erstinstanzlicher Verwal- tungsverfahren). Hintergrund dieser Ausnahmebe- stimmung ist, dass der Persönlichkeits- schutz durch die Spezialbestimmungen der entsprechenden Verfahren hinrei- chend gesichert und geregelt ist; es sol- len sich nicht zwei Gesetze mit zumTeil gleicher Zielrichtung überlagern (BGE 138 III 425 ff. E. 4.3). Voraussetzung für das Greifen der Ausnahmebestim- mung ist, dass der Schutz des Verfah- rensgesetzes gleichwertig demjenigen des DSG sei (U. Maurer-Lambrou/​ S. Kunz, Basler Kommentar zumDaten- schutzgesetz und Öffentlichkeitsgesetz, 3. Aufl., Basel 2014, DSG 2 N 27; a.M. Waldmann/Bickel, § 12 N 29, jedoch mit der Konzession, dass der daten- schutzrechtliche Persönlichkeitsschutz [nur] dann hintansteht, wenn die verfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Informationsrechte greifen [Wald- mann/Bickel, § 12 N 31]). Das Aus- kunftsrecht gemäss Art. 8 DSG und die Akteneinsichtsrechte des VwVG sind voneinander unabhängige Ansprüche, die hinsichtlich Voraussetzungen und Umfang nicht deckungsgleich sind, also je ihren eigenen Anwendungsbereich haben, so dass sie innerhalb ihres je­ weiligen Geltungsbereichs unabhängig voneinander geltend gemacht werden können (B. Waldmann/M. Oeschger, in: B. Waldmann/P. Weissenberger [Hg.], Praxiskommentar zum Verwal- tungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., Zürich 2016, VwVG 26 N 24 f.; Gramigna/​

ohne dass eine Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 2 DSG vorläge. Das DSG ist folglich anwendbar. […] 5. Zu prüfen bleibt, ob die Vor­ instanz die Auskunft zu Recht ein- schränkte. 5.1 Nach Art. 9 Abs. 1 DSG kann der Inhaber der Datensammlung die Aus- kunft verweigern, einschränken oder aufschieben (auch im Sinne eines Oberbegriffes als «Einschränkung» zu- sammengefasst, Gramigna/Maurer- Lambrou, DSG 9 N 10), soweit ein Ge- setz im formellen Sinn dies vorsieht (vgl. lit. a) oder es wegen überwiegen- der Interessen Dritter erforderlich ist (vgl. lit. b); ein Bundesorgan als In­ haber der Datensammlung kann die Auskunft einschränken, soweit es we- gen überwiegender öffentlicher In­ teressen, insbesondere der inneren oder äusseren Sicherheit der Eidgenos- senschaft, erforderlich ist (vgl. lit. a) oder die Auskunft den Zweck einer Strafuntersuchung oder eines anderen Untersuchungsverfahrens in Frage stellt (vgl. lit. b). Der Inhaber der Datensammlung muss den Grund der Einschränkung angeben, er ist auch beweispflichtig (Art. 9 Abs. 5 DSG; Gramigna/Maurer-Lambrou, DSG 9 N 11, 13; Widmer, N 5.43 f.). Die Einschränkung des Auskunfts- rechts erfordert eine Abwägung der Interessen im konkreten Einzelfall. Die gebotene Interessenabwägung kann dazu führen, dass der um Auskunft Er- suchende seine Interessen darlegen muss, obschon das Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG grundsätzlich (vorbehältlich des Rechtsmissbrauchs) ohne Nachweis eines Interesses geltend gemacht wer- den kann (vgl. BGE 138 III 425 ff. E. 5.4; Gramigna/Maurer-Lambrou, DSG 8 N 39, 42, DSG 9 N 9). In Betracht fällt der Anspruch der betroffenen Person einerseits, die entgegengesetzten Inte- ressen des Inhabers der Datensamm- lung anderseits; zu berücksichtigen ist auch die unterstützende und ergän-

Maurer-Lambrou, DSG 8 N 2; vgl. BGE 123 II 534 ff. E. 2.e). Wesentliche Un- terschiede der beiden Institute sind die Anspruchsträgerschaft und der Umfang der Einsicht: Auf das Akteneinsichts- recht kann sich berufen, wer einen durchsetzbaren Anspruch auf Verfah- rensteilnahme als Partei hat und es er- streckt sich auf sämtliche verfahrensbe- zogenen Akten in der Sache der betref- fenden Partei (Waldmann/Oeschger, VwVG 26 N 48, 58, 60); das Auskunfts- recht gemäss Art. 8 DSG demgegenüber steht grundsätzlich jeder Person zu, soweit es um die Frage geht, ob Daten bearbeitet werden (Art. 8 Abs. 1 DSG), resp. jeder betroffenen Person (d.h. je- der Person, über die Daten bearbeitet werden, Art. 3 lit. b DSG) bezüglich ei- ner Auskunft über die konkret bearbei- teten Daten (Art. 8 Abs. 2 DSG), es er- streckt sich aber ausschliesslich auf die eigenen Personendaten (Widmer, N 5.8 f.; Waldmann/Bickel, § 12 N 139). Die Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG erfordert von ihrem Zweck her die Hängigkeit eines Verfahrens «in dem Sinne, dass die Gel- tung der einschlägigen Verfahrensvor- schriften ausgelöst wird» (BGE 138 III 425 ff. E. 4.3; S. Gerschwiler, in: N. Passadelis /D. Rosenthal /H. Thür [Hg.], Datenschutzrecht, Basel 2015, N 3.37). Angesichts der nicht deckungs- gleichen Geltungsbereiche muss dies nicht nur – wie im zitierten Bundesge- richtsentscheid – in zeitlicher Hinsicht gelten, sondern auch in persönlicher: Zumal nicht verfahrensbeteiligte Dritte die entsprechenden Verfahrensrechte gerade nicht anrufen können, muss ih- nen die Berufung auf das datenschutz- rechtliche Auskunftsrecht auch bezüg- lich ihrer Personendaten möglich sein, welche im Zusammenhang mit einem Verfahren bearbeitet werden, das sei- nerseits beim BVGer hängig ist. 2.3 Zusammengefasst bearbeitet die Vorinstanz als Bundesorgan Personen- daten im Sinne von Art. 2 Abs. 1 DSG,

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