sic! 06/2017
«Kernkraftwerk» – Bundesverwaltungsgericht vom 14. Dezember 2016
barkeit des BGÖ auch ein relativ locke- rer Zusammenhang zu einer öffent lichen Aufgabe. Es bestehen denn auch keine Anhaltspunkte, dass der Prä sident der Vorinstanz rein privat ge- handelt hätte. Überdies haben die Beschwerdegegnerinnen die verlang- ten Angaben zunächst bei ihren Revi sionsgesellschaften beschafft und an- schliessend die Information ohne Wei- teres der Vorinstanz erteilt. 4.6 Die Dokumente mit Informatio- nen zur Rechnungslegung der Kern- kraftwerkbetreiberinnen stehen dem- nach in einem hinreichenden Zu sammenhang mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Sinn von Art. 5 Abs. 1 lit. c BGÖ, weshalb sie amtliche Dokumente darstellen, die Gegenstand eines Zugangsgesuchs sein können. 5. Die Vorinstanz geht mithin fälsch- licherweise davon aus, dass es sich nicht um amtliche Dokumente han- delt. Sie hat – für sie folgerichtig – nicht weiter geprüft, ob dem Zugangs- gesuch allenfalls Verweigerungsgründe entgegenstehen und sie hat die Be- schwerdegegnerinnen auch nicht kon- kret zu allfälligen Amtsgeheimnissen und anderen Geheimhaltungsinteres- sen angehört. Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das BVGer in der Sache selbst oder weist diese aus- nahmsweise mit verbindlichen Wei- sungen an die Vorinstanz zurück. Bei der Wahl zwischen den beiden Ent- scheidarten steht dem Gericht ein wei- ter Ermessensspielraum zu. Liegen sachliche Gründe vor, ist eine Rück- weisung regelmässig mit dem Unter suchungsgrundsatz und dem Prinzip eines einfachen und raschen Verfah- rens vereinbar. Zur Rückweisung führt insbesondere eine mangelhafte Ab klärung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz, die ohne eine aufwändi- gere Beweiserhebung nicht behoben werden kann. Die Vorinstanz ist mit den tatsächlichen Verhältnissen besser vertraut und darum im Allgemeinen
nung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung vom 21. Novem- ber 2012 [VASR, SR 221.432]). Ent- sprechende Informationen können daher nur dann als amtliche Doku- mente gelten, wenn sie eine öffentli- che Aufgabe betreffen. 4.5.4 Gemäss Art. 77 ff. KEG stellt die Vorinstanz einerseits die Finanzierung für die Stilllegung und den Abbruch von ausgedienten Kernanlagen sowie der Entsorgung der dabei entstehen- den Abfälle sicher, anderseits die Finanzierung für die Entsorgung der radioaktiven Betriebsabfälle und ab gebrannten Brennelemente nach Aus serbetriebnahme der Kernanlagen. Hierzu haben die Eigentümer von Kernanlagen Beiträge an die Vorins- tanz zu leisten. Die konkreten Auf gaben der Fonds bzw. deren Ver waltungskommission sind in Art. 23 SEFV umschrieben, diejenigen der Geschäftsstelle zudem in Art. 26 SEFV. Ferner finden sich neuerdings im Reg- lement des UVEK über die Organi sation, die Grundsätze und Ziele der Vermögensanlage sowie über den An- lagerahmen des Stilllegungsfonds und des Entsorgungsfonds für Kernanlagen vom 27. Januar 2016 (SR 732.179) weitere Einzelheiten zu den Aufgaben. 4.5.5 Es sind keine öffentlichen Auf- gaben der Vorinstanz ersichtlich, die unmittelbar die Rechnungslegung oder diesbezügliche Auskünfte der beitragspflichtigen Kernkraftwerkbe- treiberinnen betreffen. Dennoch be- trifft die Anfrage des Präsidenten der Vorinstanz den Umgang der Beschwer- degegnerinnen mit ihren öffentlich- rechtlichen Ansprüchen gegen den Fonds, sie steht also in einem gewissen Zusammenhang mit deren öffent lichen Aufgaben und nicht ausserhalb derselben. Da – wie erwähnt – der Geltungsbereich weit zu fassen ist und selbst freiwillig übermittelte Doku- mente dem Öffentlichkeitsprinzip unterstehen (Art. 7 Abs. 1 lit. h BGÖ e contrario), genügt für die Anwend
[Hg.], Datenschutzgesetz /Öffentlich- keitsgesetz, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2014, BGÖ 5 N 15). Zu prüfen ist daher, ob die Information im Zusam- menhang mit der Erfüllung einer öffent- lichen Aufgabe in diesem Sinn steht. 4.5.2 Auch die Gesetzessystematik spricht dafür, dass private Informatio- nen im Besitz einer Behörde amtliche Dokumente darstellen können: Die Definition des Begriffs amtliches Do- kument findet sich im 1. Abschnitt des BGÖ, das die allgemeinen Bestimmun- gen enthält und u.a. den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes definiert. Im 2. Abschnitt ist das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten normiert. Der dortige Art. 7 Abs. 1 lit. h BGÖ sieht als Ausnahmebestimmung vor, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben oder ver- weigert wird, wenn durch seine Gewährung Informationen vermittelt werden können, die der Behörde von Dritten freiwillig mitgeteilt worden sind und deren Geheimhaltung die Behörde zugesichert hat […]. Wären Informationen von Privaten tat sächlich bereits vom Geltungsbereich des BGÖ ausgenommen, wie dies von den Beschwerdeführenden vertreten wird, hätte der Gesetzgeber auf eine solche Ausnahmebestimmung verzich- ten können. Die Gesetzessystematik spricht vielmehr dafür, dass der Gel- tungsbereich des BGÖ weit zu fassen ist und den von einem Zugangsgesuch betroffenen Privatinteressen erst im Rahmen der gesetzlichen Ausnahme- bestimmungen sowie der Interessen- abwägung im Einzelfall Rechnung zu tragen ist. Schliesslich ergeben sich auch aus den übrigen Auslegungs elementen keine anderen Schlüsse (BVGer vom 9. Dezember 2013, A-2434/2013, E. 5.2.6). 4.5.3 Die Rechnungslegung und dies- bezügliche Informationen sind privat- rechtlicher Natur (vgl. Art. 957 ff. des Obligationenrechts und die Verord-
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