sic! 06/2017

«Reno» – Bundesverwaltungsgericht vom 15. Dezember 2016

«Reno» Bundesverwaltungsgericht vom 15. Dezember 2016 Schutzfähigkeit einer Marke trotz geografischen Gehalts

merksamkeit entgegen. Das Zeichen wird damit von einem nicht unerheb­ lichen Teil der massgeblichen Ver- kehrskreise entweder als unterschei- dungskräftige Bezeichnung «Rhein», als Personenname ohne erkennbaren Produktbezug oder als reine Fantasie- bezeichnung aufgefasst. Die Marke «Reno» eignet sich damit zur Unter- scheidung für die Dienstleistungen publicité; gestion et administration des affaires; services de commerce de détail et de gros […] von denjenigen anderer Unternehmen. 5.9 Im Ergebnis ist die Marke «Reno» aus der Beurteilungsperspektive der massgeblichen Verkehrskreise für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 originär hinreichend unter- scheidungskräftig und nicht dem Ge- meingut (Art. 2 lit. a MSchG) zuge­ hörig. Der im Zeichen enthaltene geo­ grafische Gehalt «Reno» ist trotz des objektiv möglichen Herkunftszusam- menhangs ungeeignet, auf der subjek- tiven Ebene einen unrichtigen Ein- druck über die Herkunft der Dienst- leistungen zu vermitteln, weil die Ortschaft im Inland als weitgehend unbekannt einzustufen ist. Eine Fehl- vorstellung der massgeblichen Ver- kehrskreise über den mit einer Her- kunftserwartung verknüpften Ort erscheint für die beanspruchten Dienstleistungen damit als ausge- schlossen, womit im Ergebnis auch der Gefährdungstatbestand der Irrefüh- rung (Art. 2 Bst. c MSchG i.V.m. Art. 47 ff. MSchG) entfällt. 6. Schliesslich ist zu prüfen, ob der Eintragung der IR-Marke «Reno» ein zwingendes Freihaltebedürfnis zu- gunsten weiterer Wettbewerbsteilneh- mer entgegensteht. 6.1 Unter Berufung auf die höchst- richterliche Rechtsprechung (BGE 117

MSchG 2 a, 2 c i.V.m. 47 I. Weist ein mehrdeutiges Zeichen zwar objektiv gesehen einen geografischen Gehalt auf, ist dieser aber in subjektiver Hin- sicht zu wenig geläufig, so ist es we- der beschreibend noch täuschend (E. 5.8, 5.9). MSchG 2 a i.V.m. 47 I. Ein Freihalte­ bedürfnis ist im Kontext der «Montparnasse»-Praxis auch dann zu verneinen, wenn die im Ursprungs- land eingetragene Marke während der Dauer des hiesigen Verfahrens wegen Nichtgebrauchs für ungültig erklärt wurde (E. 6). LPM 2 a, 2 c en rel. avec 47 I. Un signe comportant plusieurs significations n’est ni descriptif ni trompeur lorsque son contenu est objectivement de nature géographique, mais que ce dernier est subjectivement peu com- mun (consid. 5.8, 5.9) LPM 2 a en rel. avec 47 I. À la lumière de la pratique résultant de l’arrêt «Montparnasse», un signe ne fait pas l’objet d’un besoin absolu de libre disposition, même lorsque la marque enregistrée dans le pays d’origine a été déclarée nulle durant la durée de la procédure, aumotif qu’elle n’a pas été utilisée (consid. 6). Eine deutsche Hinterlegerin beantragte die Ausdehnung des Schutzes ihrer in- ternationalen Registrierung «Reno» auf die Schweiz. Die Marke beanspruchte Schutz in der Klasse 35, im Wesent­ lichen für Werbung, Büroarbeiten, Ge- schäftsführung und Unternehmensver- waltung sowie Detail- und Grosshandel für die Schuhbranche, inklusive Acces- Abteilung II; Gutheissung der Beschwerde; B-5228/2014

soires und Modeartikel. Das IGE erliess eine Schutzverweigerung: «Reno» werde als Hinweis auf die Stadt Reno im US-amerikanischen Bundesstaat Nevada verstanden, was einerseits be- schreibend und andererseits täuschend hinsichtlich der geografischen Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen sei. Dagegen erhob die Hinterlegerin Beschwerde. Das Bundesverwaltungs- gericht heisst die Beschwerde gut. Aus den Erwägungen: 5.8 Nach dem oben Ausgeführten ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass die Stadt Reno (Nevada) einem erheblichen Teil der massgeblichen Verkehrskreise bekannt ist. Die ange- sprochenen Dienstleistungsempfänger werden im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen damit auch nicht auf deren Herkunft aus Reno (Nevada) vertrauen. Für den als gering einzustufenden Teil der Perso- nen innerhalb der massgeblichen Ver- kehrskreise, welche die Stadt Reno (Nevada) tatsächlich kennen, entsteht durch den Gebrauch des Zeichens keine Irreführungsgefahr, weil die im Zusammenhang mit Schuhwaren er- brachten Dienstleistungen keine spezi- fische Produktnähe zu den typischer- weise in Reno angesiedelten Branchen aufweisen. Schliesslich sind Vertriebs- und Verteilzentren weltweit überall dort zu finden, wo eine entwickelte Wirtschaft vorhanden ist. Die Existenz von solchen Zentren ist für sich allein genommen zu wenig spezifisch, um auf der subjektiven Ebene eine ent- sprechende Herkunftserwartung aus- zulösen. Einer ortsbezogenen Fehlzu- rechnung stehen auch die besonderen Branchenkenntnisse der Dienstleis- tungsempfänger in Verbindung mit de- ren erhöhter markenbezogenen Auf-

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