GOLF TIME 6/2019

TRAINING | SPORTPHYSIO

DER WEG ZUM PERFEKTEN SCHWUNG PROBLEM POWER Die optimale Drehbewegung erfordert Wissen, Umdenken und Ausdauer. Aber keinen Krafteinsatz! DR. CHRISTIAN HAID Biomechaniker, Universitätsklinik Innsbruck

U nser willentlicher Krafteinsatz verhindert gutes Golf. Wir behin- dern damit die Drehbewegung des Schlägers. Kinder haben nicht viel Kraft, setzen den ganzen Körper ein und lassen sich nichts vorschreiben. Sie haben kein Problem mit Luftschlägen und drehen sich auch einmal im Kreis. Hauptsache sie spüren, wie ihre Bewegung Schwung er- zeugt. Irgendwann treffen sie dann den Ball und wir wundern uns, wie weit dieser fliegt. Nur als Kind kann man derart eine gute Schwungbewegung erlernen. Als Erwachse- ner steht uns Kraft zum Zuschlagen imWeg und mit ungestümen Ganzkörperbewegun- gen möchten wir uns auch nicht blamieren. Welchen Weg soll man nun wählen, um den Golfschwung zu erlernen? An dieser Stelle ein Vergleich aus der Schule. Manche Schüler machen in Mathematik alles intuitiv richtig, sie haben Spaß daran, üben, und einige werden dann Mathematik-

Da geht es uns wie im Leben, wenn wir später erkennen, dass manche Inhalte im schulischen Lernen eigentlich total logisch waren. Nur hat es uns keiner so erklärt. Die Einfachheit eines guten Golfschwungs lässt sich schwerlich niederschreiben, doch es funktioniert Information mit Vorfüh- rung und persönlicher Anleitung. Ich erlebe immer die Überraschung meiner Schüler, wenn sie mit Vortrag, Fühlen lernen und eigenem Üben anfangen, die Hintergründe des Golfschwungs zu verstehen. Mit diesem Wissen kann effizientes Lernen beginnen. Leichter niederschreiben lässt sich, warum wir mit unserem intuitiven Bewegungsver- halten nie richtig Golf erlernen. Drückt man uns einen Stock in die Hand, dann erwachen in uns Urinstinkte. Wir haben überlebt, weil wir notfalls zuge- schlagen haben, sei es, um uns zu wehren, oder um zu Nahrung zu gelangen. Dabei haben wir unsere Muskulatur effi- zient eingesetzt. Das machen wir, indem wir Muskeln vor- spannen und uns dann so bewegen, dass diese Mus- kelspannung möglichst lange erhalten bleibt. Man nennt das „exzent- rische Muskelspannung“. Der Schläger, sprich Stock, löst bei uns intuitives Zu- schlagen aus. Wir rufen unsere tief verwurzelten Bewegungsmuster ab. Wir denken nicht daran, einen Golf- schläger zu schwingen. Somit spannen wir nicht die Muskeln für die Drehbewegung vor, sondern die fürs Zuschlagen. Damit beginnen wir den Schwung schon falsch, der Rest ist nur der Versuch, zu ret- ten, was noch zu retten ist. Dafür viel Trai- ningszeit einzusetzen ist sicherlich nicht der beste Weg. Sich auf die optimierte Dreh- bewegung einzulassen erfordert Wissen, Umdenken und Ausdauer, aber am Schluss stehen eine elegante Schwungbewegung, hohe Präzision und schöne Schlagweiten. GT

lehrer. Sie haben gar nie kennengelernt, woran andere scheitern, ihnen ist vieles in den Schoß gefallen. Sie sind später gute Mathematiker, aber keine guten Lehrer. Ähnlich ist es im Sport. Hat jemand Golf als Kind erlernt, oder gehört er zu denen, die den Schwung intuitiv richtig machen, dann kennt er die Probleme anderer nicht. Vielleicht wird er Golf- lehrer, setzt im Schwung Kraft ein, spürt aber nicht, dass er dies ganz anders macht als der Schüler vor ihm. Er selbst mag ein guter Spieler sein, aber er weiß nicht so genau, was er eigentlich selbst macht. Und irgendetwas macht er selbst auch noch falsch, denn die meisten, die Golf unterrichten, hätten es gerne auf die Tour geschafft, aber dafür waren sie dann doch nicht gut genug. Man muss sich in der Biomechanik schon sehr gut aus- kennen, um die Effekte zu sehen, die einen guten Golfschwung ausmachen.

Oberflächlich angelernte Phy- sik und Anatomie helfen da nicht weiter. Am Schluss stellt sich heraus, dass ein guter Golfschwung nicht so schwierig ist.

Jugendliche lassen den Schläger richtig sausen.

Auf die körperliche Belastung wird dabei wenig Rücksicht genommen. Mit „etwas anderem Wissen“ können wir beides vereinen: gesunde Bewegungen und tolle Schlagweiten

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GOLF TIME | 6-2019

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