SCHWEIZER GEMEINDE 2 l 2015
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AKTUELL
politische Bildung in den Lehrplänen
und Massnahmen für eine bessere Ver-
einbarkeit von Politik, Beruf und Fami-
lie.»
Milizsystem geniesst Zustimmung
Andreas Müller, Vizedirektor von Ave-
nir Suisse und Verantwortlicher der
Studie, räumte an der Medienkonferenz
ein, dass der Vorschlag einige «heikle
Punkte» beinhalte. «Wir wollen jedoch
eine Grundsatzdiskussion in Gang brin-
gen − nicht nur über das Projekt Bür-
gerdienst, sondern auch über die Be-
deutung des Milizsystems und letztlich
auch über die Grundwerte und das
Staatsverständnis der Schweiz», sagte
er gegenüber der Schweizerischen De-
peschenagentur (sda). Laut
Müller befürworten 70 bis 80
Prozent der Schweizer Bevöl-
kerung das Milizsystem.
Diese grosse Zustimmung
korrespondiere jedoch nicht
mit der Bereitschaft, sich am
Staat zu beteiligen. Nur jede
fünfte Person engagierte
sich 2013 in institutioneller
Freiwilligenarbeit, unter die auch ein
Grossteil der politischen Miliztätigkeit
fällt. Noch genügend Rekrutierungspo-
tenzial besteht laut Avenir Suisse auf
Bundes- und Kantonsebene. Allerdings
sei in den eidgenössischen Räten ein
klarerTrend zur Professionalisierung zu
beobachten. Rund 50 Prozent der Bun-
desparlamentarier seien Vollzeitpoliti-
ker. Im Ständerat gebe es gar keine
reinen Milizparlamentarier mehr; im
Nationalrat sei der Anteil auf mittler-
weile 13 Prozent geschrumpft. Als
Gründe dafür nennt Avenir Suisse die
grössere Komplexität der zu bearbei-
tenden Dossiers und der höhere Zeit-
aufwand für die ständigen Kommissio-
nen.
«Keine abgehobenen Profipolitiker»
Am deutlichsten zeigen sich laut der Ave-
nir-Suisse-Studie die Grenzen des Miliz-
systems auf lokaler Ebene. Die nachlas-
sende Bereitschaft, neben
dem Beruf ein politisches
Amt zu übernehmen, sei ei-
nerseits auf die stark gestie-
gene Belastung von Kader-
leuten und KMU-Unterneh-
mern zurückzuführen. Zum
andern seien Firmen oft nicht
bereit, ihre Mitarbeiter für Mi-
lizämter freizustellen. Auf lo-
kaler Ebene sei in den letzten Jahren mit
zahlreichen kleinen Reformen versucht
worden, die Motivation zu steigern,
Amtsaufgaben auszulagern oder Rah-
menbedingungen attraktiver zu gestal-
ten, sagte Müller. Gebracht hätten diese
Reformen aber wenig.
Laut Müller geht es nicht darum, dass
die Schweiz durchwegs «nebenamtlich
betrieben» wird. Auf lokaler Ebene soll
jedoch nach Ansicht von Avenir Suisse
keine «abgehobene Classe politique aus
Profipolitikern» geben. «Wir wollen
keine Wutbürger, die als Zuschauer dem
Berufspolitiker gegenüberstehen, wie es
in den repräsentativen Systemen gang
und gäbe ist», sagt Avenir-Suisse-Direk-
tor Gerhard Schwarz.
pb/sda
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Auf
Bundesebene
sind
Milizpolitiker
die
Ausnahme.