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Kompa… was?

I

n diesem milden Winter herrschte emsiges

Treiben auf dem Platz. Nachts waren

die Sauen unterwegs und am Tag die

Senioren, deren sportliche Herausforde-

rung darin bestand, die wenigen Flächen

zu treffen, die nicht von Wildschweinen

aufgebrochen waren. Mit roten Backen saßen sie

dann im Clubhaus, um die in deutschen Club-

häusern üblichen niveauvollen Gespräche zu

pflegen. Beim Punsch lauschten wir Jüngeren,

wenn die Generation Ü80 von Hogans Geheimnis,

„Plus fours“ und dem innovativen Golfplatz-

Design eines Bernhard von Limburger schwärmte.

Nach dem Punsch, wenn die alten Herren in

vagen Erinnerungen nach dem Heimweg

stocherten, machten wir uns an die Arbeit. Die

Mitarbeiter des „Golftherapeutischen Pflege-

dienstes“ (GTP) Schunk, Janzen und ich, schoben

die Sessel zusammen, während Clubsekretärin

Helga die Agenda verteilte. Dass wir wegen der

Änderungen im Vorgabensystem keinen Regel-

abend bräuchten, war schnell geklärt. Was unter

„wirre Ideen des DGV“ in einem Leitz-Ordner

abgeheftet lag, war in Bauernburg ohnehin weder

wahrgenommen, geschweige denn verstanden

worden. Bei uns ist es wie in der Medizin: Neues

setzt sich erst in der nächsten Generation durch –

sofern es sich bis dahin bewährt hat. Für ein

Rückrudern auf den Wissensstand unserer Mit-

glieder bedurfte es keines Regelabends. Seit das

Leder-Wedge gesellschaftsfähig ist und die Addi-

tion von acht Schlägen fünf ergibt, sind kleinka-

rierte Regelkundler ohnehin verpönt.

Für unser Club-Leben ist die jährliche Kom-

patibilitätsliste sowieso viel wichtiger! Um ein

Hauen und Stechen auf dem Platz zu vermeiden,

werden die Flights unter Berücksichtigung per-

sönlicher Sympathien und Aversionen eingeteilt.

Als wissenschaftliche Grundlage dient mein

Bestimmungsbuch „Schlägertypen in Wald

und Flur“, in dem ich mich mit den klassischen

Methoden zur Unterscheidung des Menschen

befasst habe.

Im antiken Griechenland kannte man zum

Beispiel die vier Temperamente. In den 1920er-

Jahren dachte sich der Psychiater Ernst Kretschmer

eine Typenlehre aus, die Menschen nach dem

Körperbau in Pykniker, Athletiker, Leptosome

sowie Dysplastiker unterscheidet. Aber was

glauben Sie würde passieren, wenn ich unseren

Spartenführer Herrengolf einen Dysplastiker

nennen würde? Da bekäme ich eine aufs Maul,

von diesem Choleriker! Leider wurde jegliche

Typenlehre von Frau Willig, unserer Frauen-

beauftragten, als diskriminierend untersagt.

Aber dass Golfer Geräusche von sich geben,

die ein legitimes Unterscheidungsmerkmal sind,

musste uns Frau Willig zugestehen. Jeder kennt

Hechler, Schnaufer, Kreischhühner, Jammerer,

Brüllochsen und dauerplappernde Angeber, um

nur einige Typen zu nennen. Und bei der Aus-

rüstung unterscheiden wir Klapperer, Trolley-

Quietscher, Head-Banger und Bag-Umfaller. Das

ist unser Rüstzeug, das durch die Protokolle des

GTP ergänzt wird, weshalb wir mehr über unsere

Mitglieder wissen als NSA und Google zusammen.

Das geht dann so, dass Helga die Namen

vorliest und wir antworten. Helga: „Kaulmann

(Brüllochse) mit Schöpf (Angeber)?“ Wir:

„Negativ. Kaulmann hat Schöpf letzten Juni in

einen Bunker geschubst und Weichei genannt.“

„Kaulmann mit Drabisch (Plapperer)?“ „Erst,

wenn Drabisch die Scheidung hinter sich hat.“

„Frau Drabisch (Jodlerin) mit Schöpf?“ „O.K.,

zumindest solange sie auch mit ihm schläft.“

„Dr. Bercelmeyer (Klapperer)? Wie immer mit

Fahrenbach (Bag-Umfaller)?“ „Bercelmeyer

möchte öfter mit privat Versicherten spielen.“

„Wo ist die Liste privat Versicherter?“ „Hier!“

„Brigitte Langer? Solvent bis zum Anschlag!“

„Würde Bercelmeyer psychisch nicht verkraften.

Die lässt ihn am Abschlag 100 Meter kurz.“ „Und

mit Versicherungsvertreter Heiner Markowski?“

„Brachial-Golfer, für Bercelmeyer zu laut,

außerdem kerngesund!“ „Aber der mit Traudl

Behringer?“ „Traudl mit Markowski? Großer

Gott! Die Frau ist Yogalehrerin und lebt vegan!

Nach einer Runde mit Heiner hat sie Löcher in

der Aura…“ „Aber sie mit Waldvogel, der spielt

Geige?“ „Das geht.“

Tja, und so ging das den ganzen Abend und

den nächsten Tag, aber es war der Mühe wert,

denn auf diese Weise findet in Bauernburg jedes

Tröpfchen sein Kleckerchen.

GT

»Seit das Leder-

Wedge gesell-

schaftsfähig ist

und die Addition

von acht Schlägen

fünf ergibt, sind

kleinkarierte

Regelkundler

ohnehin verpönt«

EUGEN PLETSCH

Jahrgang 1952, Autor von

fünf satirischen Büchern

(z. B. „Der Weg der weißen

Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015),

lebt als Schriftsteller bei Gießen.

Legendär sind seine Lesungen in

Golfclubs, wo er als Mit-

arbeiter des „Golftherapeutischen

Pflegediensts“ live aus der

Grünen Hölle berichtet.

Kontakt:

home@cybergolf.de

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