fahrenbachs
Abschied
W
ochenlang hatte Clubpräsident
Fahrenbach auf der Driving
Range hinter der Clubmeisterin
Brigitte Berger gestanden, um
ihren unglaublich harten Abschlag zu kopieren
– und niemals hatte Brigitte Berger ein Wort
an ihn gerichtet. Doch eines Tages drehte sie
sich plötzlich um und sagte: „Die Bälle sind
fertig.“ „Wie meinen?“ „Die Bälle sind fertig.
Alle Dimple sind platt. Ich kann das 250-Meter
Schild nicht mehr erreichen.“ „Ich auch nicht“,
entfuhr es Fahrenbach. „Die Range geht leicht
bergauf, vielleicht liegt es daran?“ „Quatsch,
wir brauchen neue Rangebälle“, knurrte Brigitte
und drehte sich wieder um, um die letzten
Dimple aus den verbliebenen Bällen zu prügeln.
Fahrenbach dachte nach. Auf den Gedanken,
neue Rangebälle zu kaufen, war er bisher nie
gekommen. Rangebälle waren ihm immer
als der sinnlose Luxus neureicher Golfclubs
erschienen, denen es nach dem 3. Konkurs
gelungen war, ihrer Hausbank ein Ball-Spon-
soring als Werbemaßnahme im Gegenzug für
verlorene Kredite aufzuschwatzen.
Der Golfclub Bauernburg mit seiner an
Konkursen reichen Geschichte zählte sich
mittlerweile zu den renommierten Adressen,
die ähnlich den schottischen Traditionsclubs
weder einen Golflehrer beschäftigen noch
irgendeinen Wert auf Übungseinrichtungen
legen. Dafür werfen die Mitglieder gefundene
Bälle in eine Kiste und am Ende des Jahres
wetteifern jeweils eine Dame und ein Senior
(im Team) um den ,Bauernburger Ballermann‘-
Preis. Der Senior reicht den Ball, die Dame malt
einen roten Ring. Wer nach drei Stunden die
meisten Bälle bemalt hat, ist Sieger. Die Senioren
müssen die Bälle laut zählen, was zu lustigen
Momenten führt, aber, wie unser Dr. Bercel-
meyer betont, neurologisch sehr wertvoll ist,
um die unter älteren Golfern weitverbreitete
,Score-Demenz‘ in Schach zu halten.
Nun also echte Rangebälle kaufen? Fahren-
bach erschauderte. Wie sollte er eine solche
Ausgabe gegenüber der in Marbella lebenden
Club-Inhaberin verantworten? Die platinblonde
Industriellenerbin klang in letzter Zeit ohnehin
so wie reiche Leute klingen, wenn sie das
Interesse an einem Spielzeug verloren haben.
Und das, obwohl ein ausgefuchstes System der
Vermarktung von Fernmitgliedschaften gute
Einnahmen gebracht hatte. Auch die Regional-
werbung war erfolgreich verlaufen.
Ob sie heute der Anschaffung neuer Range-
bälle zustimmen würde? Ihren Besuch hatte sie
per Fax avisiert. Ein Blick auf die Uhr, Fahren-
bach musste sich sputen. Er lief zum Clubhaus,
wo Sekretärin Helga bereits die rote Fahne
schwenkte. Fahrenbach riss sich zusammen
und trat ein, worauf ihm Flammenschwerter
entgegenschlugen. Da stand sie, die Club-
besitzerin, und keifte: „Was ist das?“ Sie wedelte
mit einer mickrigen Pappe. „Ihr Clubausweis?“,
stotterte Fahrenbach. „Und wo ist mein Gold-
Hologramm? Können Sie sich vorstellen, wie
man mich behandelt hat? Wie eine Aussätzige!
Ich wollte mit meinen Freundinnen in einem
süddeutschen Prominentenclub spielen. Man
hat mich als ‚Fernmitglied‘ abgewiesen!“
„Sehr unangenehm“, pflichtete Fahrenbach
bei. „Wir hätten Ihnen einen Ausweis mit
Hologramm bestellen können“, murmelte er,
„aber ich dachte, in Spanien bräuchten Sie
keinen Ausweis. Hätte ich gewusst …“.
„Hätte ICH gewusst…!“, unterbrach sie ihn.
„Dass dieser Club noch existiert und Sie hier
Präsident sind, verdanken Sie allein mir – ist
das der Dank? Schicken Sie mir im nächsten
Jahr einen richtigen Ausweis, sonst verkaufe ich
diesen Club an eine Reifenhandlung in China!“
Fahrenbach schwieg und ließ sie zetern. Er
dachte an die neuen DGV-Beschlüsse.
Im nächsten Jahr würde die Clubbesitzerin
mit einem Ausweis ohne ‚R‘ echte Probleme be-
kommen. Sie jetzt nach neuen Rangebällen
zu fragen, war sinnlos.
„Wer bin ich, warum bin ich hier und warum
tue ich mir das an?“, dachte er. Er hatte die
Nase voll. Brigitte Berger ließ ihn abblitzen und
Präsident des DGV würde er auch niemals
werden. „Es reicht“, sagte er sich, um einige
Tage später beim Martinsgans-Essen seinen
Rücktritt zu verkünden.
„Die Ägide unter Präsident Fahrenbach wird
uns allen unvergesslich bleiben“, schrieb Club-
Chronist Dagobert Seicht ins Protokoll und wir,
die Mitarbeiter des Golftherapeutischen Pflege-
dienstes, nickten ergriffen.
gT
» Und wo ist mein
Gold-Hologramm?
Können Sie
sich vorstellen,
wie man mich
behandelt hat?
Wie eine
Aussätzige! «
eugen pleTScH
Jahrgang 1952, Autor von
fünf satirischen Büchern
(z. B. „Der Weg der weißen
Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015),
lebt als Schriftsteller bei Gießen.
Legendär sind seine Lesungen in
Golfclubs, wo er als Mit-
arbeiter des „Golftherapeutischen
Pflegediensts“ live aus der
Grünen Hölle berichtet.
Info:
home@cybergolf.deGOLF
TAGE
BUCH
www.golftime.deGOLF TIME
|
8-2016
57