Fortbildung aktuell – Das Journal
der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 5
Dr. Gudrun Müller
Arzneimittelinteraktionen gehören zu
den am häufigsten detektierten arznei-
mittelbezogenen Problemen in der Pati-
entenberatung deutscher Apotheken.
1
Man unterscheidet zwischen pharmako-
kinetischen und pharmakodynamischen
Interaktionen. Während bei pharmako-
kinetischen Interaktionen die Biover-
fügbarkeit von Arzneistoffen verän-
dert wird, zeichnen sich pharmakodyna-
mische Wechselwirkungen durch eine ad-
ditive Wirkverstärkung (z. B. kaliumreti-
nierendes Diuretikum und Kalium) oder
eine Wirkabschwächung durch antago-
nistische Effekte am Wirkort (z. B. Dopa-
minantagonist Metoclopramid und Levo-
dopa) aus. Pharmakokinetische Interakti-
onen können sowohl zum Zeitpunkt der
Freisetzung eines Arzneistoffes aus sei-
ner Darreichungsform auftreten als auch
bei der Absorption, der Verteilung im Kör-
per, der Metabolisierung sowie der Elimi-
nation. Dabei sind Wechselwirkungen
zum Zeitpunkt der Absorption und wäh-
rend der Metabolisierung am häufigsten
vertreten.
In welchem Ausmaß ein Arzneistoff die
intestinale Membran überwindet und
ins Blut übergeht, ist abhängig von un
terschiedlichen Faktoren. Da die intesti
nale Membran hautsächlich durch Diffusi
on passiert wird, können Arzneistoffe, die
in lipophiler, nicht-ionisierter Form vorlie
gen besser aufgenommen werden als hy
drophile, ionisierte Arzneistoffe. Auch die
Größe des Resorptionsfensters, d. h. des
Dünndarmabschnittes, in dem die Auf
nahme ins Blut erfolgt, beeinflusst die
Absorptionsquote. Im Rahmen von Arz
neimittelwechselwirkungen kann die Ab
sorption u. a. durch eine Änderung des
gastrointestinalen pH-Wertes, der gastro
intestinalen Motilität oder durch Kom
plexbildung beeinflusst werden (Tab. 1).
1
Das Azol-Antimykotikum Itraconazol
liegt nur im sauren Milieu im nicht-ioni
sierten Zustand vor, so dass es die intesti
nale Membran überwinden und absor
biert werden kann. H
2
-Antagonisten, Pro
tonenpumpeninhibitoren (PPI) und auch
Antacida erhöhen den pH-Wert im Ma
gen, was zu einer verminderten Absorp
tion von Itraconazol führt. Während der
Behandlung mit Arzneimitteln, die den
pH-Wert im Magen erhöhen, wird emp
fohlen, Itraconazol mit möglichst großem
Zeitabstand zum Interaktionspartner und
zur Mahlzeit zusammen mit einem Glas
Cola einzunehmen, um die Bioverfügbar
keit zu verbessern.
Eine verminderte gastrointestinale Motili
tät durch z. B. anticholinerge Effekte be
wirkt, dass das Herzglykosid Digoxin bes
ser absorbiert wird. Der Dopaminantago
nist Metoclopramid beschleunigt hinge
gen die Öffnung des Magenpförtners und
vermindert so die Absorptionsrate und
damit die Wirksamkeit von Digoxin.
Polyvalente Kationen wie Calcium, Ma
gnesium, Zink, Aluminium oder auch Ei
sen besitzen die Eigenschaft, mit einigen
Arzneistoffen stabile Chelatkomplexe zu
bilden. Die Bildung schwer absorbierbarer
Komplexe vermindert die Bioverfügbar
keit der Interaktionspartner.
Durch einen möglichst großen Einnahme
Dr. Gudrun Müller
(Haan) studierte
Pharmazie in Münster und wurde 2012
in Bonn promoviert. Seit 2003 arbeitet
die Fachapothekerin für Allgemein
pharmazie und Fortbildungs-Referentin
der Apothekerkammer Westfalen-Lip
pe in der Ickerner Markt-Apotheke in
Castrop-Rauxel.
Arzneimittelinteraktionen in der öffentlichen Apotheke
Von der Detektion bis zur Patientenberatung
Tabelle 1:
Beispiele für Interaktionen während der Absorption
Interaktions-
partner A
Interaktions-
partner B
Mechanismus der
Interaktion
Effekt auf die Bio-
verfügbarkeit von
Interaktionspartner B
H
2
-Antagonisten
PPI
Antacida
Itraconazol
Erhöhung des
pH-Wertes
Anticholinergika
Opioide
Digoxin
Verminderte
GI-Motilität
Metoclopramid
Digoxin
Erhöhte
GI-Motilität
Polyvalente
Kationen
Bisphosphonate Komplexbildung