GOLF TIME
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5-2017
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chon allein das Geräusch klingt martialisch.
Wenn Joe Miller den Driver schwingt, hört
sich das an, als würde ein Riese mit einer
Bahnschiene auf eine Eisenkugel dreschen.
Seit seinem ersten Weltmeistertitel 2010 ist der
32-jährige Engländer eine feste Größe in der Weltspitze
der Weitenjäger. Im Guinness Buch wird sein Schlag
über 512 Meter als längster, offiziell gemessener
Long Drive geführt. 2016 erkämpfte er sich nach 2010
zum zweiten Mal den Gürtel des World Long Drive
Champions. Für den erneuten Titelgewinn benötigte
Miller „nur“ 390 Meter.
Ab welchem Alter konntest du den Ball weiter
schlagen als andere Golfer?
Schon mit vier Jahren, als ich gerade mit Golf
angefangen hatte. Im Verhältnis zu den anderen
Kindern meines Alters flog mein Ball meilenweit.
Mit elf oder zwölf Jahren konnte ich weiter schlagen
als die meisten Erwachsenen. Zwei Jahre später bekam
ich einen ordentlichen Wachstumsschub und ließ auch
meinen Vater kurz, der bis dahin der unangefochtene
Longhitter in unserem Golfclub war.
Wie verlief dein Einstieg in die Long-Drive-Szene?
2003 hing in unserem Golfclub ein Flugblatt aus,
in dem über ein Qualifikationsturnier zur
Weltmeisterschaft im Long Drive informiert wurde.
Mein Vater hat es entdeckt und mich sofort angemeldet.
2004 habe ich mir meinen ersten speziellen Long-Drive-
Driver zugelegt, ein Cobra-Modell mit 3 Grad Loft.
Ein Jahr später wurde ich Europameister und stellte mit
433 Metern einen neuen Europarekord auf. Ab diesem
Zeitpunkt habe ich begonnen, den Sport wirklich ernst
zu nehmen. 2005 konnte ich mich das erste Mal für die
World Long Drive Championship in Las Vegas qualifi-
zieren. Seither war ich immer dabei und wurde jedes
Jahr besser. 2008 belegte ich den achten Platz und 2009
dachte ich schon, es könnte mein Jahr werden. Aber
dann wurde ich krank und lag zwei Wochen auf der
Nase. Auf 2010 habe ich mich deshalb umso intensiver
vorbereitet und gewann meinen ersten Weltmeister-
titel. Dieser Sieg sorgte dafür, dass ich den Sport als
Vollzeitprofi ausüben konnte, denn nun war ich für die
Sponsoren interessant geworden und wurde auch zu den
gutbezahlten Schauwettkämpfen eingeladen.
Trotzdem musstest du sechs Jahre bis zum zweiten
Titel warten. Warum?
Nachdem ich 2011 und 2012 jeweils erst im Halb-
finale geschlagen werden konnte und Platz 3
belegen konnte, wurde ich immer als Favorit auf den
Titel gehandelt. In Europa bspw. blieb ich zwischen 2012
und 2014 ungeschlagen und habe bei 19 von 19 Events
gewonnen. 2015 kehrte ich mit diesem Rekord in der
Tasche zurück nach Las Vegas. Einen Monat vor der
WM trat ich bei einem Turnier gegen die amerikanischen
Top-Hitter an und gewann deutlich. Deshalb war es
natürlich besonders bitter, als ich bei der WM früh
gegen den späteren Champion Tim Burke ausschied, der
bei deutlich besseren äußeren Bedingungen schlagen
konnte als ich. Danach war ich ziemlich frustriert und
musste mich mental gewaltig zusammenreißen, als es
darum ging, ein weiteres Jahr auf die nächste World
Championship hinzuarbeiten.
Was war 2016 anders als im Jahr zuvor?
Ich befand mich auf dem absoluten Höhepunkt
meiner Leistungsfähigkeit, hatte gute äußere Be-
dingungen und besaß absoluten Siegeswillen. Deshalb
gewann ich meine Matches mit Längenunterschieden
von 25 bis knapp 70 Metern. Normalerweise entscheiden
nur wenige Meter, manchmal nur Zentimeter über Sieg
oder Niederlage. So deutlich hat noch keiner vor mir
eine World Long Drive Championship gewonnen.
Das Publikum in den USA wird es nicht unbedingt
erfreut haben, dass ein Engländer ihre Stars aufmischt.
Schon richtig, 99 Prozent der Zuschauer kommen
aus den Staaten und die Leute klatschen natürlich
für ihre Leute. Doch die Publikumsreaktion am Finaltag
erinnerte mich stark an die Szene aus dem Film
„Rocky IV“, als die Russen erst alle gegen Rocky waren,
am Ende jedoch für den Champion gejubelt haben.
Der Schauspieler Dwayne „The Rock“ Johnson hat auf
Twitter behauptet, er könne einen Golfball 450 Meter
weit schlagen. Wie war deine Reaktion?
Als ich das gehört habe, musste ich schon sehr
lachen. Viele Leute haben das ernsthaft geglaubt.
Doch für uns Long-Drive-Athleten war dieser Tweet
gar nicht so schlecht, denn unser Sport kam dadurch
S
DAS PHÄNOMEN JOE MILLER IN ZAHLEN
20
160
100
240
360
60
200
320
140
280
400
DURCHSCHNITT
OPTIMUM
Länge:
365 m
Länge:
402 m
Carry:
338 m
Carry:
365 m
Schwunggeschwindigkeit:
237 km/h
Schwunggeschwindigkeit:
245 km/h
Ballgeschwindigkeit:
350 km/h
Ballgeschwindigkeit:
365 km/h
Smashfaktor:
1,48
Smashfaktor:
1,50
Smashfaktor:
1.800 rpm
Smashfaktor:
1.400 rpm
Abflugwinkel:
14 °
Abflugwinkel:
16°
36%
HÖHERER
ABFLUGWINKEL
Miller: 14,6°
Tour Pro: 10,7°
79%
HÖHERE
FLUGKURVE
Miller: 48,8 m
Tour Pro: 27 m
41%
LÄNGERE
FLUGZEIT
Miller: 8,9 Sek.
Tour Pro: 6,3 Sek
.
44%
MEHR
CARRY
Miller: 352 m
Tour Pro: 245 m