Der
EU-Golf-Milch-Topf
S
elbst unsere sonst sehr nerven-
starke Clubsekretärin Helga musste
ihre Tropfen schlucken, nachdem
die berüchtigte „Club-Diva“ aus
einem Nachbarclub den gesamten
Ablauf unseres Texas Scramble
aufgemischt hatte. Eine Club-Diva signalisiert
bereits in ihrem Styling, dass sie auf Männer-
jagd ist. Sie möchte deshalb nur in Flights mit
Männern spielen, Damen seien unerwünscht.
Die Männer müssen alleinstehend oder
zumindest am Turniertag ohne Begleitung sein.
Läuft nicht alles nach Wunsch, ignoriert sie
ihre Mitspieler, wobei sie ständig meckert – sei
es über die Turnierorganisation, die Zwischen-
verpflegung oder die abendliche Sitzordnung.
Sportlich ambitioniert kann sie es nicht ertragen,
wenn andere die Preise abräumen, denn die
Preisübergabe ist ihre Bühne.
Als besagte Club-Diva merkte, dass ein
anderes Team besser gespielt hatte, stand sie auf
und ging, nicht ohne unserer Helga in der Lobby
zynisch für einen „wundervollen, aber leider
schlecht organisierten Tag“ zu danken. Dann,
am nächsten Morgen, erwischte Helga einen für
seine Kleptomanie berüchtigten Gast-Spieler,
als er in der Garderobe gerade dabei war, unser
gesamtes Shampoo-Sortiment einzupacken.
„Was soll das?“ „Was?“ „Na, dass Sie alle
Fläschchen einpacken!“ „Warum nicht? Die
stehen doch nur rum.“ Helga, zuerst sprachlos,
holte tief Luft: „Übrigens“, sagte sie freundlich,
„ich muss demnächst wieder neue Handtücher
bestellen. Gibt es eine Farbe, die Ihnen zu Hause
noch fehlt?“ Dann drehte sie sich um und ging.
Da Präsident Fahrenbach beim Training war,
wandte sie sich an uns vom Golftherapeutischen
Pflegedienst, die wir gerade dabei waren, eine
knifflige Aufgabe zu lösen. „Manchmal reicht
es mir wirklich!“, schloss Helga, nachdem sie
uns ihren Ärger mit der Golf-Diva geschildert
hatte. „Die Damen in unserem Club sind
wirklich nett, aber diese Frau kennt nur: ICH,
ICH, ICH.“
Wir blickten Helga aufmunternd an, worauf
sie wieder lächelte und wir uns wieder dem
EU-Förderantrag zuwenden konnten, den uns
Präsident Fahrenbach aufgehalst hatte. In
diesem Sommer hatte er nämlich jeden der
vielen Regentage genutzt, um sich in sein neues
Hobby, die Golfliteratur, zu vertiefen. Nachdem
er Bücher von P. G. Wodehouse und Henry
Longhurst durchpflügt hatte, begann er sich
dem Wenigen zuzuwenden, was es an deutscher
Golfliteratur gibt.
Nach den Werken Bernhard von Limburgers
verschlang er die Bücher von Uli Kaiser, um
schließlich, zu seinem Entsetzen, auf einen
‚Satiriker‘ zu stoßen, dessen sarkastische Be-
merkungen über das Golfspiel an Boshaftigkeit
nicht zu überbieten waren.
„Golf macht süchtig, dann eine Weile blöde,
dann depressiv“, rezitierte der wütende Fahren-
bach an einem regnerischen Nachmittag in
unserem Clubraum. „Wo er recht hat, hat er
recht“, kicherte Karl Janzen, was Fahrenbach
jedoch nicht hörte. Er schäumte: Dieser angeb-
lich „humoristische Golfautor“ sagt, dass
„Golfer wie BSE-kranke Rinder im Kreis laufen“
(wieder kicherte Janzen) … „und die Driving
Range ein Stall wäre, in dem die Golflehrer ihre
goldenen Kühe melken. So eine Frechheit!“
„Na ja“, bemerkte Dagobert Seicht, „wenn man
die Honorare mancher Golflehrer betrachtet
und sieht, was dann dabei herauskommt, da
kann man schon von melken sprechen.“ „Aber
wir Golfer sind doch keine Ochsen und unsere
Damen keine Kühe! Das ist eine Unverschämt-
heit! Denn wenn dem so wäre, könnten wird
die gesamte Golfanlage gleich als landwirt-
schaftlichen Betrieb anmelden!“, ereiferte sich
Fahrenbach.
Plötzlich dachten wir alle das Gleiche:
„Warum eigentlich nicht?“ Zumal sich Fahren-
bach selbst bei seinen ‚Longest Drive‘-Versuchen
häufig als Ochse beschimpfte. „Die EU hat
gerade Hilfen für Milchbauern beschlossen“,
flüsterte Fahrenbach. „Sollten wir uns nicht
auch um Fördermittel bemühen, da wir trotz
großer Grünflächen keine Milch erzeugen?“
Es war nicht leicht, an den großen Milchtopf
ranzukommen, aber schließlich hatten wir die
richtigen Formulare für die EU-Förderung
zusammen. „Wie viel Quadratmeter hat unser
Stall?“, murmelte Dagobert Seicht, der die
Anträge ausfüllte. „Unser Course Rating mit
zehn multipliziert sollte ausreichen“, sagte Karl
Janzen und lächelte.
GT
» Er sagt, dass
›Golfer wie BSE-
kranke Rinder im
Kreis laufen‹ …
›und die Driving
Range ein Stall
wäre, in dem die
Golflehrer ihre
goldenen Kühe
melken. So eine
Frechheit!‹ «
eUGen PleTscH
Jahrgang 1952, Autor von
fünf satirischen Büchern
(z. B. „Der Weg der weißen
Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015),
lebt als Schriftsteller bei Gießen.
Legendär sind seine Lesungen in
Golfclubs, wo er als Mit-
arbeiter des „Golftherapeutischen
Pflegediensts“ live aus der
Grünen Hölle berichtet.
Info:
home@cybergolf.deGOLF
TAGE
BUCH
www.golftime.deGOLF TIME
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7-2016
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