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SCHWEIZER GEMEINDE 4 l 2015

20

POLITIK

Wissen, was die Bürger wollen

Neu ist das Modell der Zukunftswerkstatt nicht. In Zeiten sinkender Beteiligung

ist es jedoch ein Mittel, der Bevölkerung frühzeitig den Puls zu fühlen und so

Ideen und Vorschläge aufzunehmen. Die Erfahrung aus Ebnat-Kappel.

Auf Gemeindeebene ist die direkte De-

mokratie in der Schweiz besonders

stark ausgebaut. Neben Initiativen und

Referenden kennen viele die Institution

der Gemeindeversammlung, dank der

sich Bürgerinnen und Bürger nieder-

schwellig an der Gemeindepolitik betei-

ligen können. Doch die direkte Demo-

kratie und die damit verbundenen, oft

relativ langen Entscheidungswege füh-

ren zu gewissen Abnützungserschei-

nungen – sowohl in der Exekutive als

auch in der Bevölkerung. Viele Gemein-

den haben deshalb in den vergangenen

Jahren in zusätzliche Beteiligungsmög-

lichkeiten investiert und organisieren

unterdessen regelmässig Bürgerwork-

shops, Zukunftskonferenzen oder Grup-

pendiskussionen.

Ein Kristallisationspunkt

Ebnat-Kappel im Toggenburg hat im

vergangenen Oktober eine Zukunfts-

werkstatt organisiert, an der sich rund

60 der insgesamt circa 5000 Einwohne-

rinnen und Einwohner Gedanken über

die Entwicklung der Gemeinde gemacht

haben. Um die Diskussion nicht zu be-

einflussen, hielt sich der Gemeinderat

dabei bewusst zurück und nahm ledig-

lich eine Beobachterrolle ein. Geführt

und moderiert wurde der Anlass von

zwei Experten des Instituts für Soziale

Arbeit der Fachhochschule St. Gallen.

«Sich zurückzuhalten, war manchmal

gar nicht so einfach», sagt Gemeinde-

präsident Christian Spoerlé. «Insbeson-

dere, wenn Aussagen nicht ganz richtig

waren oder schlichtweg falsch.» Doch

die Vorgehensweise habe sich bewährt.

Nach einer ersten Analyse der aktuellen

Situation kristallisierten sich in den Dis-

kussionen zwei Themenschwerpunkte

heraus: Wohnen im Alter (vgl. S. 22) und

die Zentrumsgestaltung. Interessant ist

dabei, dass die Vorschläge der Teilneh-

merinnen und Teilnehmer zur Zent-

rumsgestaltung sehr ähnlich sind, wie

diejenigen, die der Gemeinderat bereits

vor drei Jahren eingebracht hat, damit

aber abgeblitzt ist. «Das hat uns gezeigt,

dass wir offenbar unsere Kommunika-

tion verbessern müssen», sagt Christian

Spoerlé. Deshalb will Ebnat-Kappel

künftig, neben klassischen Kommunika-

tionsmitteln wie dem Gemeindeblatt

oder Informationsveranstaltungen, auch

über soziale Medien informieren und

den Kontakt mit der Bevölkerung auf-

nehmen. Grundsätzlich wertet es Spo-

erlé aber positiv, dass die Vorstellungen

der Bevölkerung und des Gemeinderats

doch nicht so weit auseinanderliegen

wie oftmals gedacht wird.

Gemäss Spoerlé wurde an der Zukunfts-

werkstatt offen und lebhaft debattiert.

Und auch wenn es hie und da mal etwas

lauter und energischer wurde, war der

Dialog stets konstruktiv. Auch die Rück-

meldungen der Teilnehmerinnen und

Teilnehmer sind positiv. «Politische

Diskussionen sind an solchen Anlässen

respektvoller als beispielsweise an ei-

nem Stammtisch», sagt Elisabeth Scher-

rer. Für sie zeigt das Vorgehen der Ge-

meinde, dass sie sich weiter öffnen will

und den demokratischen Dialog mit

der Bevölkerung aktiv sucht. «Noch vor

zwölf Jahren hätte ich mir so einen An-

lass hier nicht vorstellen können», erklärt

die ehemalige Redaktionsleiterin der

Toggenburger Nachrichten. Seit die Par-

teienlandschaft im Dorf grösser gewor-

den ist und seit dem Führungswechsel

in der Gemeinde sei aber alles offener

geworden, was der einzig richtige Weg

sei. «Wenn eine Gemeinde einen sol-

chen Bürgeranlass organisiert, dann

Christian Spoerlé, Gemeindepräsident von Ebnat-Kappel.

Bilder: zvg

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