Table of Contents Table of Contents
Previous Page  62 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 62 / 64 Next Page
Page Background

SCHWEIZER GEMEINDE 5 l 2015

62

Fortschritt und

Tradition verbinden

Gemeindefusionen bieten die Chance, die Zusammenarbeit

zwischen Verwaltungsprofis und Milizpolitikern zu entwickeln.

Dadurch kann das Milizsystem attraktiver gemacht werden.

Wenn Gemeindezusammenschlüsse

heute Erfolg haben, so nicht zuletzt des-

halb, weil die verantwortlichen Behörden

dazugelernt haben. Sie wissen, dass es

viel Geduld braucht und einiges an Ge-

schick, den richtigen Moment abzuwar-

ten. Politiker reden mit den Betroffenen

offen über Vor- und Nachteile, und sie

wissen, was das Allerwichtigste ist −

nämlich das Vertrauen der Stimmbürger

zu gewinnen.

Trotzdem gelingt dasVorhaben nicht im-

mer. In den letzten 15 Jahren scheiterten

mehr als 70 von rund 320 Fusionen. Es

gibt eine Reihe sachlicher Einwände, die

zu hören sind. Stimmbürger stellen oft

eine ganz andere Rechnung an als die

technokratischen Experten, und sie

misstrauen den Excel-Blättern, auf de-

nen Betriebswirte dieVorteile der Fusion

auf Franken und Rappen ausweisen.

Und in der Tat: Die Qualität der öffentli-

chen Leistungen wird zwar oft professi-

oneller, ihr Preis aber selten billiger.

Politiker tun in diesem Punkt gut daran,

ihren Bürgern nicht zu viel zu verspre-

chen. Sodann ist die Gemeindeautono-

mie den Stimmbürgern lieb und teuer.

Sie wissen, dass sie nach der Fusion

zwar in einem grösseren Rahmen mitre-

den können, aber auch die autonome

Entscheidung über Schule, Feuerwehr

und Budget im kleineren, überschauba-

ren Gemeinwesen verlieren.

Der wichtigste Grund für die Schwierig-

keit einer Fusion aber ist folgender: Fu-

sionsentscheide sind von ganz anderer

Art als die üblichen. Der Entscheid ist

endgültig, weil die Gemeinde, als recht-

liche Institution, gar nicht mehr existiert,

vergleichbar demTod eines Lebewesens.

Trotzdem: Fusionsbeschlüsse einer Ge-

meinde sind keine Abdankungsfeiern.

Denn es soll ja Neues entstehen. Die

neuen Gemeindestrukturen bieten den

Behörden die Chance, bestimmte Dinge

besser zu machen. Zu hoffen ist, dass

unter solchenVoraussetzungen auch die

Bürger mehr Anlass, gar Freude haben,

in ihrem Gemeinwesen mitzuwirken.

Freilich braucht es Anstrengungen, um

das Milizsystem auch für die Gemeinde-

behörden wieder attraktiver zu machen.

Dabei ist das Dilemma zwischen moder-

ner Professionalisierung und der Tradi-

tion des Milizsystems zu lösen. Persön-

lich bin ich überzeugt: Das ist möglich.

In der fruchtbaren Zusammenarbeit zwi-

schen Profis und Milizpersonen liegt der

Schlüssel zum Erfolg. Zwar kommt es

dabei zu typischen Reibungspunkten,

diese werden aber in vielen Gemeinden

ausgezeichnet bewältigt.

Die gute Zusammenarbeit zwischen mi-

lizmässiger und vollberuflicher Verwal-

tung zu entwickeln, ist eine Aufgabe, die

sich gerade auch nach Gemeindefusio-

nen stellt. EinTeil der alten Bürgernähe

muss vielleicht geopfert werden, aber

für die Chance eines doppelten Ge-

winns: Die Reorganisation verspricht

interessantereTätigkeiten für dieVollbe-

ruflichen, und die Handlungsfelder der

Milizpolitiker werden nicht nur an-

spruchsvoller, sondern bieten grössere

Gestaltungsmöglichkeiten. Gemeindefu-

sionen sind also auch eine Chance für

die Aufwertung von Milizämtern.

Wolf Linder

emeritierter Professor für Politologie

Auszug aus dem Festvortrag vom 5. Mai 2015

anlässlich der Übergabe des Demokratieprei-

ses an die Gemeinde Escholzmatt-Marbach.

 Vorschau

In der Juni-Ausgabe berichten wir

über wegweisenden Holzbau, Ge-

meinden im Duell, die Preisträger

desWettbewerbs gesunde Ge-

meinde und erklären, was es nützt,

Abwassermengen zu messen.

MOSAIK

Impressum

52. Jahrgang / Nr. 524 / Mai/mai

Herausgeber/éditeur

Schweizerischer Gemeindeverband

Association des Communes Suisses

Partnerschaften/partenariats

Fachorganisation Kommunale Infrastruktur

organisation Infrastructures communales

Konferenz der Stadt- und Gemeindeschreiber.

Conférence des Secrétaires Municipaux.

Verlag und Redaktion/éditions et rédaction

Laupenstrasse 35, Postfach, 3001 Bern

Tel. 031 380 70 00

www.chgemeinden.ch www.chcommunes.ch

Peter Camenzind (czd), Chefredaktor

Philippe Blatter (pb), Redaktor

Beatrice Sigrist (bs), Layout/Administration

info@chgemeinden.ch

Christian Schneider, Redaktion SKSG

Nachdruck

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit

Genehmigung der Redaktion. Verlinkung erwünscht.

Druck und Spedition/impression et expédition

Anzeigenmarketing/marketing des annonces

Stämpfli AG, Postfach, 3001 Bern

Tel. 031 300 63 82, Fax 031 300 63 90

inserate@staempfli.com

Die nicht autorisierte und ohne gewichtige Eigenleis-

tung erfolgende Bearbeitung und Verwertung von ab-

gedruckten oder in elektronische Datenbanken einge-

spiesenen Inseraten durch Dritte ist unzulässig und

wird vom Inserenten untersagt. Dieser überträgt der

Werbegesellschaft insbesondere das Recht, nach

Rücksprache mit dem Verlag mit geeigneten Mitteln

dagegen vorzugehen.

Auflage/tirage (WEMF/REMP 2014/2015)

Verkaufte Auflage/tirage vendu 2063 Ex.

Gratisauflage/tirage gratuit

1156 Ex.

Total/total

3627 Ex.

Wolf Linder.

Bild: Uni Bern, Komm. & Marketing;

Foto: Adrian Moser